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Mikrobielles Rohstoffrecycling

Während der Einsatz von biotechnologischen Verfahren zur Reinigung von Wasser, Boden und Luft bereits seit Jahren Stand der Technik ist, beginnt neuerdings auch der Einsatz von Mikroorganismen zur Rückgewinnung von metallischen oder mineralischen Rohstoffen aus Industrie- oder landwirtschaftlichen Abfällen ins Interesse der Wissenschaftler zu rücken. Was genau sich hinter Begriffen wie Geobiotechnologie oder Urban Mining verbirgt und welche Aktivitäten in Baden-Württemberg hierzu existieren, soll in diesem Dossier näher vorgestellt werden.

Von der Rohstoffproblematik...

Vor dem Hintergrund der Erkenntnis, dass Deutschland als Industrienation mit breiter Produktionsbasis und hohem Exportanteil eine ausreichende Verfügbarkeit an Rohstoffen benötigt, wurde in den letzten Jahren in Deutschland ein ganzes Bündel an Maßnahmen geschnürt, um eine Unterstützung für die deutsche Wirtschaft anzubieten. So wurde Ende 2010 die Deutsche Rohstoffagentur (DERA) zur Beratung der deutschen Wirtschaft und Politik eingerichtet. Des Weiteren wurden durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung diverse Förderprogramme im Bereich Rohstoffeffizienztechnologien aufgelegt. Auch in Baden-Württemberg hat die grün-rote Landesregierung das Thema Ressourceneffizienz verstärkt in Angriff genommen. So fand 2012 der erste Ressourceneffizienzkongress statt und aktuell wird eine Landesstrategie hierzu erarbeitet (s. Artikel "Rückblick: Ressourceneffizienz- und Kreislaufwirtschaftskongress Baden-Württemberg 2013").

... über die Erschließung neuer Rohstoffquellen...

Viele der metallischen Rohstoffe, die für ein Funktionieren unserer Wirtschaft notwendig sind, werden bereits seit Langem bergmännisch gefördert. Eine ganze Reihe der leicht zu erschließenden Vorkommen sind mittlerweile erschöpft. Aus diesem Grund werden zunehmend Verfahren interessant, die es ermöglichen, auch noch aus den Armerzen, also Erzen mit geringem Anteil an Metall, wirtschaftlich Metalle zu gewinnen. Zusätzlich rücken auch die Sekundärrohstoffe (Rohstoffe, die durch Aufarbeitung von Abfall gewonnen werden) in den Fokus, da diese oftmals höhere Gehalte an Metallen aufweisen können als manche Armerzmine.

So stellen die Städte mittlerweile als sogenannte urbane Minen einen riesigen Pool an vorhandenen Sekundärrohstoffen dar. Das Urban Mining ("städtischer Bergbau") soll diese anthropogenen Lagerstätten aufzeigen, die Sekundärrohstoffe quantifizieren und mit entsprechenden Recyclingverfahren erschließen. Es werden kurzfristige urbane Minen wie Verpackungen, Elektrogeräte oder Gewerbeabfälle und langfristige urbane Minen wie Gebäude oder Abfalldeponien unterschieden.

...hin zu neuen geobiotechnologischen Verfahren

In einigen Fällen können biotechnologische Verfahren zum Sekundärrohstoffrecycling die Methode der Wahl sein. Hauptsächlich werden hier Ansätze verfolgt, die bereits beim Einsatz von Mikroorganismen im Bergbau oder Umweltschutz entwickelt wurden. Dieser auch als Geobiotechnologie bezeichnete Zweig der Biotechnologie wurde 2013 umfassend in einem aktuellen Statuspapier der DECHEMA vorgestellt (s. Quellen).

Die Technik der Biolaugung hat sich seit Mitte der 1990er Jahre rasant entwickelt, beispielsweise bei den Kupfersulfiderzen. Die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe in Hannover hat für das Jahr 2010 alle bekannten Biolaugungsproduktionsdaten zusammengetragen. Dabei hat es sich gezeigt, dass mehr als 8 Prozent der weltweiten Gesamtjahresproduktion an Kupfer aus Biolaugungsverfahren stammt. Hierbei werden große Abraumhalden, auf denen die Abfallerze aus der klassischen Metallgewinnung gelagert werden, biotechnologisch erneut abgebaut. Diese Armerze mit beispielsweise nur noch 0,2 Prozent Kupfergehalt statt der üblichen 15 Prozent sind mit den klassischen hydro- oder pyrometallurgischen Verfahren nicht mehr wirtschaftlich abbaubar. Die größte Biolaugungsanlage der Welt befindet sich in Chile in der Atacama-Wüste mit einer Gesamtfläche von rund zehn Quadratkilometern. Auch in Europa gibt es Haldenbiolaugungsstätten. So in Finnland, wo neben diversen anderen Buntmetallen jährlich allein rund 50.000 Tonnen Nickel biotechnologisch erschlossen werden.

Synthetische Biologie und Geomikrobiologie als Helfer

Darstellung der Prozesskette für eine effizientere Rückgewinnung von Metallen im Projekt Molecular Sorting © Fraunhofer IGB, Stuttgart
Der Pool an Mikroorganismen, die für die biotechnologischen Verfahren eingesetzt werden können, umfasst über 30 verschiedene Arten. In vielen Fällen werden Bakterien verwendet, die man aus sauren Grubenwässern von Bergwerken isolieren kann, wie beispielsweise Acidithiobacillus ferrooxidans. Diese chemolithotrophen Organismen gewinnen ihre Energie zum Wachstum aus der Oxidation reduzierter Metall- oder Schwefelverbindungen. Dieselben biotechnologischen Verfahren, die dem Biomining zugrunde liegen, können auch beim Recycling von Metallen aus Elektronikschrott, Schlacken, Flugaschen oder Klärschlämmen zum Einsatz kommen. Positive Ergebnisse liegen allerdings bislang nur im Labormaßstab vor. Die Umsetzung in den industriellen Maßstab muss hier noch erfolgen. Neueste Forschungen baden-württembergischer Wissenschaftlergruppen befassen sich unter anderem mit dem Einsatz metall-toleranter Mikroorganismen, wie beispielsweise dem goldtoleranten Delftia acidovorans (s. Artikel "Preisgekrönte Goldgewinnung mit Bakterien") oder dem cadmiumtoleranten Geobacter metallireducens (s. Artikel "Böden biologisch sanieren").

Phosphor - ein wichtiger mineralischer Rohstoff

Aus landwirtschaftlichen Reststoffen sollen im EU-Projekt PhosFarm wertvolle Bodenverbesserer und Düngesalze gewonnen werden. © Fraunhofer IGB

Die Rohstoffvorkommen von Phosphor, einem wichtigen Mineral für das Wachstum von Pflanzen, sind ebenfalls endlich und auf nur wenige Länder begrenzt. Somit ist es auch hier wichtig, zunehmend sekundäre Rohstoffquellen zu erschließen. Neben chemisch-physikalischen Verfahren wie beispielsweise der Ausfällung von Ammoniumphosphat aus Kläranlagenwässern, gibt es auch neue biotechnologische Ansätze, die mit Hilfe von Enzymimmobilisaten organische Phosphorverbindungen abspalten und diese somit einem Recycling zugänglich machen. 

 

Unter Biomining (Bio-Bergbau) versteht man die biotechnologische Extraktion von Metallen wie Kupfer oder Nickel aus Erzmineralen. Hierbei handelt es sich um eine bereits etablierte Biotechnologie, die auch in Europa angewandt wird.

Mit Bioleaching (Biolaugung) wird die biologische Umwandlung einer unlöslichen Metallverbindung in eine wasserlösliche Form bezeichnet.

Mit Hilfe von Biooxidation kann ein Metall (meist Gold) aus Mineralen gelöst werden, indem die Matrix, in die das Metall eingebettet ist, durch Mikroorganismen oxidiert und das Metall dadurch zugänglich wird.

Quelle: Geobiotechnologie, Statuspapier DECHEMA.

Quellen und weiterführende Informationen:

DECHEMA Gesellschaft für Chemische Technik und Biotechnologie e.V. (Hg.): Geobiotechnologie - Stand und Perspektiven, Statuspapier, Frankfurt a. M. 2013. https://www.biooekonomie-bw.debiotech.dechema.de/biotech_media/Downloads/PositionsundStatuspapiere/Statuspapier+Geobiotechnologie.pdf

Lee J, Pandey BD. Bio-processing of solid wastes and secondary resources for metal extraction - a review. Waste management 2012; 32:3-18

Schippers A, et al. Biomining - Entwicklung der Metallgewinnung mittels Mikroorganismen im Bergbau. Commodity Top News Nr. 39, Deutsche Rohstoffagentur. https://www.biooekonomie-bw.dewww.bgr.bund.de/DE/Gemeinsames/Produkte/Downloads/Commodity_Top_News/Rohstoffwirtschaft/39_biomining.html

Seiten-Adresse: https://www.biooekonomie-bw.de/fachbeitrag/dossier/mikrobielles-rohstoffrecycling