Abluft und Abwasser: saubermachen, aber richtig
Ob Chemiebetrieb oder Maschinenbau, Klinik oder Druckerei: Überall können in Abluft und Abwasser Verbindungen anfallen, die problematisch für die Umwelt und/oder die Gesundheit des Menschen sind. Mit welchen Mitteln, gerne auch biologischer Art, man speziellen Abfallproblemen zu Leibe rücken kann, wird an der Uni Stuttgart erforscht.
Prof. Dr. Karl-Heinrich Engesser leitet die Abteilung Biologische Abluftreinigung am Institut für Siedlungswasserbau, Wassergüte- und Abfallwirtschaft (ISWA) der Uni Stuttgart.
© privat
Es müffelt nicht mal ein bisschen, die Versuchskläranlage der Uni Stuttgart präsentiert sich optisch und olfaktorisch von ihrer besten Seite. Vielleicht liegt es an den innovativen Methoden zur Abwasser- und Abluftreinigung, die hier erprobt werden. Prof. Dr. Karl-Heinrich Engesser hat jedenfalls kein Problem mit seinem Büro direkt neben der Anlage. Hier arbeitet er seit 15 Jahren an besseren Methoden, um Abwasser und Abluft von gesundheitsschädlichen Umweltfaktoren zu reinigen. Eigentlich ist Engesser Biologe, aber im Laufe seines Berufslebens hat sich der aufgeschlossene Forscher tief in das Ingenieurwesen und die Chemie eingearbeitet. Nur so kann er sein spezielles Arbeitsgebiet umfassend und kompetent beherrschen.
Zahlreiche Projekte sind nahe der industriellen Anwendung. Engesser forscht viel im Auftrag der Industrie und in Verbundprojekten unter Beteiligung von Unternehmen. Dabei geht es pragmatisch zu: Abluft aus der chemischen Industrie zum Beispiel soll möglichst ressourcenschonend gereinigt werden. Das ist nicht nur ökologisch sinnvoll, sondern liegt auch im ökonomischen Interesse der Unternehmen.
Trouble Shooting als tägliches Brot
Im großtechnischen Maßstab ist die Wäscherstufe als Absorberturm (links mit Aufsteiggerüst und Mannlöchern für die Befüllung mit Füllkörpern) realisiert. Die unbehandelte Luft tritt am Fuß des Wäschers ein und wird im Gegenstrom zur regenerierten Wasserphase geleitet. Da die relevanten Abluftkomponenten gut wasserlöslich sind, ist ein Übergang der Komponenten in die Wasserphase gewährleistet. Am Kopf verlässt die wasserdampfgesättigte, nun gereinigte Luft die Stufe.
© Uni Stuttgart/ISWA
Beispiel Biowäscher: Hier wird Abluft in einem zweistufigen Verfahren gereinigt. Zunächst wird die belastete Luft in Waschflüssigkeiten, im einfachsten Fall Wasser, eingeleitet. Die schädlichen Stoffe wechseln das Medium, sind dann im Wasser gelöst, um anschließend biologisch abgebaut zu werden. Die gereinigte Luft kann einfach abgeführt werden. „Dieses Verfahren ist umso effektiver, je schneller es betrieben wird. Bei Einsatz eines 400-PS-Motors beispielsweise können 60.000 bis 80.000 Kubikmeter Abluft pro Stunde umgesetzt werden", erklärt Engesser. Zu einem Problemfall - und zu einem Industrieauftrag für sein Team - wird so eine Anlage meist, wenn sie nicht mehr funktioniert - sei es durch Alterung, mangelnde Wartung oder durch Umstellung der Produktion. „Wir werden oft gerufen, wenn die Anlage krank ist", bestätigt Engesser. Dann betreiben seine Ingenieure und Chemiker Ursachenforschung und versuchen, Funktionsprobleme zu beheben.
In der zweiten Stufe des Verfahrens kommt die Biologie ins Spiel. Das belastete Wasser wird von seiner Schadstoff-Fracht befreit, indem es in einer Art Bioreaktor in Kontakt mit Mikroorganismen gebracht wird, die die Schadstoffe als Nahrungsquelle nutzen und somit abbauen. Mit belasteten Abwassern kann dieser Schritt auch direkt angegangen werden. Übrig bleiben im besten Fall nur harmlose Stoffwechselprodukte der Mikroorganismen und sauberes Wasser, das dem Kreislauf wieder zugeführt werden kann.
„Diese Art der Regeneration ist umweltpolitisch und auch technisch notwendig, denn so wird die Funktion der Anlage aufrechterhalten", bekräftigt Engesser. Der mikrobielle Abbau beruht meist auf Oxidationen, die alternativ auch chemisch oder physikalisch durchgeführt werden könnten. Hier kommt es darauf an, welcher Weg der kostengünstigste ist und ob es für den Abbau der jeweiligen Substanz oder Mischung überhaupt geeignete Mikroorganismen gibt. „In der Regel verwenden wir Mischkulturen aus der Natur. Bei besonders schwer abbaubaren Stoffen setzen wir auch gezielt Spezialisten ein, zum Abbau chlorierter Benzole, die in der chemischen Industrie anfallen, zum Beispiel Bakterien der Art Burkholderia fungorum", so Engesser.
Abwasser: die ganz schweren Fälle
Wie genau der Abbauweg funktioniert, ist für die Industrieprojekte meistens nicht wichtig, weckt aber den Grundlagenforscher in Engesser. „Die Frage, ob Fluorbenzole wie Toluol auf dem Ortho- oder dem Meta-Weg abgebaut werden, ist für die Praxis nicht relevant, für uns aber wichtig, um die biochemischen Abbaumechanismen zu verstehen“, sagt Engesser, der im Rahmen eines DFG-finanzierten Projekts an dieser Fragestellung arbeitet.
Abluftbehandlung in einer Druckerei
Im Zentrum der Abbildung ist das Prinzip des Flexodrucks für eine Farbe dargestellt. Die bedruckte Papierbahn fährt anschließend durch eine Heizkammer zum Abtrocknen der Farbe. Die in Trockenkammer und Druckmaschine anfallenden hohen VOC-Emissionen werden abgesaugt und thermisch in einem Blockheizkraftwerk genutzt. Der Strom wird verkauft, die Abwärme wird zur Beheizung der Trockenkammern genutzt. An beiden Stellen treten diffuse Emissionen in die Halle auf. Aus Arbeitsschutzgründen und zur Vermeidung der Explosionsgefahr muss die Produktionshalle sowie das Chemikalienlager (links) abgesaugt werden. Hierbei tritt ein Volumenstrom von 60.000 - 70.000 m³/h auf, der dann zusammengefasst und in die biologische Behandlung eingeleitet wird. (© Prof. Engesser)
Auch die Substratselektivität mancher Mikroorganismen interessiert ihn. „Manche Stämme sind derartig hoch spezialisiert, dass sie nur ein Isomer einer Verbindung abbauen. In der Abluft oder im Abwasser haben wir es aber gewöhnlich mit Gemischen aus verschiedenen Verbindungen zu tun, die jeweils in mehreren isomeren Formen vorliegen. Da erweist sich die Spezifität der Mikroorganismen als Fluch“, so Engesser.
Grundlagenforschung als Kür
Ein besonders hartnäckiges Abwasserproblem, mit dem sich Engessers Abteilung schon seit Längerem befasst, sind die Abbauprodukte bestimmter Peroxide. Peroxide werden als Starter für Synthesen in der chemischen Industrie gebraucht und bei hohen Temperaturen auf chemischem Weg gecrackt. Als Abbauprodukt fällt Säure in dicker Salzlake an, also eine denkbar lebensfeindliche Umgebung für Mikroorganismen. Trotzdem ist Engesser geeigneten Kandidaten auf der Spur, die diese „Suppe“ abbauen sollen: „Wir kooperieren mit Kollegen in Spanien und hoffen, in dortigen Salinen halophile Bakterien zu finden, die wir einsetzen können.“
Auch die Medikamentenbelastung im Wasser wird immer mehr zum Thema, in Klinikabwässern, aber auch im ganz normalen Haushaltsabwasser. Für einen rationellen mikrobiellen Abbau sind die Konzentrationen allerdings zu gering. Die Substanzen müssten also aufkonzentriert werden – zu teuer, meint Engesser: „Die Stoffe zum Beispiel an Aktivkohle zu binden und dann zu verbrennen, ist wahrscheinlich billiger. Aber es ist grundlagentheoretisch interessant, ob es Bakterien gibt, die solche Stoffe abbauen und wenn ja, wie sie es machen. Vielleicht sind sie doch auch bei niedrigen Konzentrationen aktiv.“