Bioenergie elektrisiert nachhaltig
Der "Wissenschaftliche Beirat Globale Umweltveränderungen" der Bundesregierung hat festgestellt, dass die weltweit vorhandenen nachhaltigen Potenziale zur Gewinnung von Energie aus Biomasse signifikant sind und genutzt werden sollten. Das Gutachten "Zukunftsfähige Bioenergie und nachhaltige Landnutzung" ist die erste integrierte Studie zur Bioenergie. Das Thema wird in den Kontext der globalen Umwelt- und Entwicklungspolitik gestellt. Darin wird gezeigt, dass mittelfristig etwa zehn Prozent des Weltenergiebedarfs durch nachhaltige Bioenergie aus biogenen Reststoffen und Energiepflanzen gedeckt werden könnten.
Rund ein Viertel des Potenzials aus Energiepflanzen liegt in Mittel- und Südamerika, jeweils rund 15 % liegen in Afrika südlich der Sahara, Europa, Nordamerika und China sowie 6 % in Indien. Die Ausschöpfung dieses Potenzials sollte allerdings nur dann vorangetrieben werden, wenn eine Gefährdung der Ernährungssicherheit sowie von Natur- und Klimaschutzzielen ausgeschlossen werden kann. Damit dies gelingt, müssen auf nationaler und internationaler Ebene verpflichtende Nachhaltigkeitsstandards eingeführt werden.
Strom statt Sprit
Die höchste Klimaschutzwirkung erzielt Bioenergie in der Stromerzeugung. Dabei kommt es vor allem darauf an, Energieträger mit hohen CO2-Emissionen, also vor allem Kohle, zu verdrängen. Die Klimaschutzwirkung von Bioenergie im Strombereich ist etwa doppelt so groß wie beim Verkehr oder bei der reinen Wärmeerzeugung. Wegen ihres hohen energetischen Wirkungsgrads ist die Kraft-Wärme-Kopplung grundsätzlich der reinen Stromproduktion vorzuziehen. Der "Wissenschaftliche Beitrat Globale Umweltveränderungen" (WBGU) empfiehlt, die Stromerzeugung aus Biomasse verstärkt zu fördern, sich dabei aber auf nachhaltig produzierte Bioenergieträger zu beschränken. Wird für die Stromerzeugung Biomethan verwendet, ließe sich die Klimaschutzwirkung noch steigern, falls das bei der Herstellung anfallende CO2 künftig sicher deponiert werden könnte.
Biokraftstoffe der ersten Generation wie Biodiesel aus Raps oder Bioethanol aus Mais sind für den Klimaschutz ungeeignet. Werden indirekte Landnutzungsänderungen berücksichtigt, dann können bei ihrer Nutzung mehr Treibhausgase freigesetzt werden als bei der Nutzung fossiler Kraftstoffe. Auch Biokraftstoffe der zweiten Generation, bei denen die ganze oberirdische Pflanze verwendet wird, schneiden hier nicht besser ab.
Dagegen kann bei der Nutzung mehrjähriger tropischer Pflanzen wie Zuckerrohr, Ölpalmen oder Jatropha, die auf degradiertem Land angebaut werden, eine große Klimaschutzwirkung erreicht werden. Allerdings kann erheblicher Klimaschaden entstehen, wenn für deren Anbau Tropenwald gerodet wird. Der WBGU plädiert daher für den raschen Ausstieg aus der Förderung von Biokraftstoffen für den Straßenverkehr durch Rücknahme der Beimischungsquoten und stattdessen für einen Ausbau der Elektromobilität.
Reststoffe sind Brennstoffe
Biogene Reststoffe wie Holzabfälle, Gülle oder Stroh sind ideale Energieträger, weil ihre sachgerechte Nutzung kaum Risiken für Böden, Wasser oder Klima birgt. Auch stehen sie nicht in Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion. Deshalb sollte insbesondere die Verstromung von Rest- und Abfallstoffen gefördert werden.
Moderne Bioenergie gezielt gegen Energiearmut einsetzen
In rund 50 Entwicklungsländern macht die traditionelle Bioenergienutzung mit Holz, Dung oder Ernteabfällen zum Kochen und Heizen noch über 90 % der Energieversorgung aus. Infolge der dabei entstehenden Rauchentwicklung in geschlossenen Räumen sterben pro Jahr mehr als 1,5 Mio. Menschen. In der Verbreitung verbesserter Holz- und Holzkohleherde oder Kleinbiogasanlagen sowie der Herstellung von Pflanzenölen aus Ölpflanzen wie Jatropha liegt ein großer, noch nicht ausreichend genutzter Hebel der Armutsbekämpfung. Diese Techniken sollten gefördert werden, da sie die Lebensqualität vieler hundert Millionen Menschen innerhalb kürzester Zeit und zu geringen Kosten deutlich verbessern helfen. Die Chancen zur ländlichen Entwicklung, die sich durch Anbau von Energiepflanzen bieten, sollten genutzt werden. Als erster Schritt sollten aber gemeinsam mit den Partnerländern integrierte Strategien zur Nutzung von Bioenergie und Ernährungssicherung entwickelt werden.
Quelle: Pressemitteilung WBGU - 03.12.08
Übergabe des Hauptgutachtens
Übergabe des Hauptgutachtens "Zukunftsfähige Bioenergie und nachhaltige Landnutzung" in der Bundespressekonferenz. vlnr: Prof. Dr. D. Messner (WBGU), Prof. Dr. J. Schmid (WBGU), Staatssekretärin K. Kortmann (BMZ), Dr. R. Grießhammer (WBGU), Prof. Dr. N. Buchmann (WBGU), Bundesminister S. Gabriel (BMU), Prof. Dr. R. Schubert (Vorsitzende WBGU), Bundesministerin Dr. A. Schavan (BMBF), Prof. Dr. H. J. Schellnhuber (stv. Vorsitzender WBGU). (Foto: WBGU)
Zentrale Empfehlungen bereits aufgegriffen
"Zentrale Empfehlungen zum Forschungsbedarf haben wir bereits aufgegriffen", sagte Bundesforschungsministerin Annette Schavan bei der Übergabe des Gutachtens. Als Beispiel nannte die Ministerin Förderschwerpunkte des Bundesministeriums für Bildung und Forschung wie "Bioenergie 2021 – Forschung für die Nutzung von Biomasse" und "Nachhaltiges Landmanagement". Handlungsbedarf sehen die Wissenschaftler insbesondere beim Erforschen präziser Treibhausgasbilanzen bei verschiedenen Arten von Biomasse. Zudem sollte die Wechselwirkung zwischen der Energieerzeugung mit Biomasse und der landwirtschaftlichen Nutzung weiter untersucht werden. "Hier setzen wir mit unserer Zukunftsinitiative 'Bioenergie und gesunde Ernährung' an, in die wir in den nächsten Jahren 200 Millionen investieren werden", sagte Bundesforschungsministerin Annette Schavan.
"Der Wissenschaftliche Beirat hat treffsicher das brisante globale Umweltthema Biomasse aufgegriffen", sagte Bundesumweltminister Sigmar Gabriel. "Ich fühle mich durch das neue Gutachten darin bestätigt, Nutzungskonkurrenzen zwischen Bioenergie und Lebensmittelproduktion zu vermeiden und die Nachhaltigkeit der Bioenergienutzung sicherzustellen. Mein Haus hat wesentliche Handlungsempfehlungen bereits aufgegriffen. So sind im Strom-, Wärme- und Kraftstoffbereich bereits die gesetzlichen Voraussetzungen geschaffen, zukünftig nur noch nachweislich nachhaltig erzeugte Biomasse für die jeweiligen Förderinstrumente anzuerkennen. Mit der Neuausrichtung der Bioenergiestrategie hat das Bundesumweltministerium bereits wichtige Weichen für den Einsatz von Biomasse aus Rest- und Abfallstoffen und für die stärkere Berücksichtigung des Klimaschutzbeitrags bei der Bioenergienutzung gestellt."
"Wir begrüßen sehr, dass dieses Gutachten sowohl die umwelt- als auch die entwicklungspolitischen Auswirkungen von Bioenergie bewertet", sagte die Parlamentarische Staatssekretärin des Bundesentwicklungsministeriums Karin Kortmann. "Dabei wird sehr deutlich: Unsere Anstrengungen zur Verringerung von CO2 dürfen nicht zu Armut, Hunger, Umweltzerstörung und dem Verlust von Artenvielfalt in der Welt führen. Das Recht auf Nahrung wiegt schwerer als das Recht auf Mobilität." Dem Gutachten zu Folge können Beimischungsquoten für Agrarkraftstoffe die Ernährungssicherheit gefährden und Landnutzungskonkurrenzen verstärken. Deshalb fordert Karin Kortmann: "Um eine nachhaltige Nutzung von Bioenergie zu garantieren, müssen wir soziale und ökologische Mindeststandards integrieren." Chancen für Entwicklungsländer bestehen im Aufbau dezentraler Energieversorgung, zum Beispiel durch Verbrennung organischer Abfälle oder Nutzung von Pflanzenölen zur Stromerzeugung. So kann Bioenergie einen Beitrag zur Überwindung von Energiearmut leisten.
Quelle: Pressemitteilung BMBF - 03.12.08