Vielfalt steigert Ertrag
Bioökonomie bietet Chancen für Baden-Württembergs Wälder
Holz aus heimischen Wäldern ist ein wichtiger Rohstoff für die Bioökonomie. Bislang wird aber sehr viel davon als Brennstoff zur Energiegewinnung genutzt. Mehr Diversität im Wald und neue holzbasierte Materialien könnten die Holzwirtschaft nachhaltiger machen. Die Bioökonomie kann dabei helfen, etwa indem sie die Verwertung von Laubhölzern fördert.
Ein Buchenwald auf der Schwäbischen Alb. Wie in einer riesigen Säulenhalle wachsen die silbrig-grauen Buchenstämme gerade in die Höhe. Spechte hämmern und die Sonne schickt erste wärmende Strahlen durch die winterlich kahlen Baumkronen. Im Waldboden machen sich Frühblüher wie Buschwindröschen, Lungenkraut und Leberblümchen bereit, um das Licht zu nutzen, bis sich die Baumkronen mit frischem Grün füllen und das Blätterdach sich schließt. Aus ökologischer Sicht sind Deutschlands Buchenwälder ein schutzbedürftiger Schatz – von forstlicher Warte aus aber eher das Gegenteil. „Für die Forstwirtschaft ist die Buche ein Sorgenkind“, sagt Jürgen Bauhus, Professor für Waldbau an der Universität Freiburg „denn was Produktivität und Marktwert des Holzes angeht, kann sie nicht mit den Nadelbaumarten mithalten.“ Aus Fichten, Tannen und Douglasien werden Bau- und Konstruktionsholz sowie Holzwerkstoffe wie Sperrholz, Leimholz, oder Spanplatten, Papier und Paletten hergestellt. Buchenstämme dagegen landen viel zu oft auf direktem Weg im Kamin oder Holzofen.
Bauhus setzt Hoffnungen in die bioökonomische Forschung: „Die Bioökonomie bietet ein großes Potenzial für den Wald, indem bestimmte Waldressourcen wie etwa das Buchenholz stärker in Wert gesetzt werden. Es gibt da bereits ein paar vorzeigbare Produkte.“ Etwa die von Prof. Dr.-Ing. Peer Haller an der TU Dresden entwickelten Bauröhren aus Buchensperrholz, welche die gleiche Tragkraft haben wie Stahlröhren. Oder das Furnierschichtholz BauBuche der Firma Pollmeier, das laut Hersteller aufgrund seiner hohen Festigkeit wesentlich schlankere Bauteile als Nadelholzwerkstoffe ermöglicht.
Bioökonomie kann Laubholz aufwerten
Winterlicher Buchenwald: Der Wald erfüllt vielfältige Aufgaben als Rohstofflieferant, Erholungsraum, Lebensraum für Tiere und Pflanzen, bei der Luftreinhaltung und der Bindung von Kohlenstoff. Waldbesitzer profitieren aber meist nur von seiner Funktion als Rohstofflieferant.
© Gunther Willinger
„Wir müssen Materialien aus Laubhölzern entwickeln, etwa Bauholz oder neue holzbasierte Komposite aus der Bioraffinerie. Dann wäre die Klimaschutzleistung der Wälder viel höher und für die Waldbesitzer wäre es attraktiver einheimische Baumarten zu kultivieren“, erläutert Bauhus. Neben dem Ersatz von Stahl und Beton im Baugewerbe gilt insbesondere die Verwendung von Holz oder Holzbestandteilen in der Chemie- und Automobilindustrie als zukunftsträchtig.1
Wem die Bioökonomie am Herzen liegt, der sollte sich für vielfältigere Wälder in Baden-Württemberg einsetzen
Mehr Vielfalt im Wald steigert auch die Produktivität. Da sind sich die Experten inzwischen weitgehend einig. „Grundsätzlich lässt sich sagen, dass Mischbestände verschiedener Baumarten produktiver sind“, sagt Bauhus. „Das gilt sicher nicht für jeden einzelnen Mischbestand, aber im Durchschnitt ist der Ertrag in Mischbeständen in Mitteleuropa um ca. 20 % höher als auf der gleichen Fläche in Reinbeständen.“ In einer kürzlich veröffentlichten Studie von Liang et al. 2 wurden die Daten von Wäldern weltweit analysiert und dabei eine Faustformel aufgestellt, nach der eine 10%ige Abnahme der Biodiversität im Wald zu einem 3%igen Rückgang der Produktivität führt. Entsprechende Studien in Deutschland weisen in die gleiche Richtung“, berichtet Bauhus. An 13.000 Rasterpunkten in Baden-Württemberg erfasst die alle zehn Jahre stattfindende Bundeswaldinventur Daten über den Zustand der Wälder. Diese Großrauminventuren sind aber nicht zur Erfassung der Biodiversität konzipiert worden.
Mit seinem Doktoranden Felix Storch hat sich Bauhus zum Ziel gesetzt, aus den vorhandenen Daten mehr über die Diversität der Wälder und den Einfluss der jeweiligen Bewirtschaftung herauslesen zu können. Aus dem Wust an Daten hat Storch elf Variablen gefiltert, die ihm Rückschlüsse auf die strukturelle Diversität im Wald erlauben. Darunter finden sich Baumartenzusammensetzung, Stammdurchmesser, Totholzvolumen, Totholzzersetzungsgrad oder die Rindendiversität. Manche Werte, wie die Rindendiversität, ergeben sich erst aus der Kombination bestimmter Basisdaten.
„Das große Ziel ist es, über diese Strukturelemente auch die vielen anderen Waldarten mit ins Boot zu holen, damit man sie nicht durch ein weiteres Monitoring gesondert aufnehmen muss“, erläutert Storch und führt aus: „Eine junge Douglasie mit dünner Rinde bietet im Vergleich zu einem dicken, alten Exemplar mit einer stark zerrissenen Rinde einen ganz anderen Lebensraum für Kleintiere“. In der Rinde wimmelt das Leben. Sie dient nicht nur dem Schutz des Baumes vor Regen, Wind, Sonne und Feuer. Sie beherbergt auch Käfer, Tausendfüßer, Ameisen, Springschwänze, Milben, Moose und Pilze. Der aus den Datenbergen der bestehenden Waldinventuren gefilterte „Strukturindex“ erlaubt dann wiederum Rückschlüsse auf die Biodiversität an einem bestimmten Rasterpunkt. So die Theorie. Um den Zusammenhang zwischen Strukturindex und tatsächlicher Biodiversität in der Praxis zu testen, greift Storch auf eine zweite umfangreiche Datensammlung zurück, die sogenannten Biodiversitätsexploratorien.
So wie bei der Bundeswaldinventur ein Heer von Forstleuten seit fast drei Jahrzehnten Daten erhebt, bestimmen 300 Wissenschaftler seit 2006 in drei deutschen Naturräumen, den sogenannten Biodiversitätsexploratorien die Artenvielfalt. Eines der drei Gebiete ist die Schwäbische Alb. Dort wird auf je 50 Grünland- und 50 Waldflächen alles gezählt, was kreucht, fleucht und wächst: von Mikroben, Pilzen und Pflanzen über Insekten und anderen Kerbtieren bis hin zu Vögeln und Säugern. Durch einen Abgleich der Walddaten zur Biodiversität mit den Daten der Waldinventuren auf den gleichen Flächen will Storch die Aussagekraft des neu berechneten Strukturindex bzgl. der Biodiversität testen. Bis Mitte des Jahres sollen die Ergebnisse vorliegen.
Da die Probeflächen auf der Schwäbischen Alb entlang eines Nutzungsgradienten angelegt sind, erlauben sie auch Rückschlüsse darauf, wie sich die Nutzungsintensität auf die Diversität auswirkt. „Es ist kein linearer Zusammenhang, sondern wir sehen, dass eine geringe bis mäßige Nutzung zu gleichbleibender oder sogar steigender Strukturdiversität führt und die Diversität erst ab einer bestimmten Nutzungsschwelle abnimmt“, sagt Bauhus.
Solche Forschungsergebnisse können das Management der Forste verbessern. Denn nach den zur Zeit geltenden Kriterien bedeutet Naturnähe nicht unbedingt eine große Artenvielfalt im Wald, sondern vielmehr, wie nah der Baumbestand an die von den natürlichen Standortbedingungen her zu erwartenden Baumartenzusammensetzung herankommt. „Diese Auslegung der Naturnähe hat bei uns viele Wälder zu dicht und dunkel werden lassen. Lichtere Wälder können vielen Arten mehr Lebensraum bieten“, sagt Bauhus. So sieht denn auch der Schutzplan für das Auerhuhn in Baden-Württemberg für die nächsten Jahre in einigen Gebieten des Schwarzwaldes eine stärkere Durchforstung vor, um lichtere Bereiche zu schaffen. Aber: „Es gibt kein Universalrezept. In einigen Wäldern macht es sicher Sinn verstärkt aufzulichten, umgekehrt gibt es andere Waldgesellschaften, wo man die Nutzung herunterfahren sollte, um auch da wieder andere Elemente der Biodiversität zu fördern“, schränkt Bauhus ein, der mit seiner Forschungsarbeit auch dazu beitragen will, das Prozedere der bestehenden Waldinventuren und damit das Management der Wälder weiterzuentwickeln.
Nachhaltigkeit – wie lange noch?
Die forstlichen Kenngrößen von Zuwachs und Einschlag bescheinigen den baden-württembergischen Forsten eine nachhaltige Bewirtschaftung – noch. Denn unsere Wälder sind größtenteils relativ jung, praktisch am Höhepunkt ihres jährlichen Zuwachses. Wir nutzen aber schon jetzt fast 100 % des Zuwachses an Nadelholz. In den nächsten Jahrzehnten, wenn unsere Wälder „erwachsener“ werden, wird der Zuwachs zurückgehen – bei weiter steigender Nachfrage.
Aus ökologischer Sicht kann die Bioökonomie dem Wald nützen, indem sie einheimische Baumarten wie die Buche stärkt und die Produktivität über eine höhere Baumartendiversität steigert. Sie birgt aber auch Gefahren, wenn durch den erhöhten Nutzungsdruck oder spezifische Produktanforderungen der Anbau nicht einheimischer Arten wie Küstentanne und Douglasie sehr stark ausgedehnt wird.