Bioökonomie und Biolandbau - Wie passt das zusammen?
Der Landwirtschaftliche Hochschultag 2013 der Universität Hohenheim fand am 12. Juni statt und widmete sich dem Thema „Biolandbau unter bioÖkonomischen Aspekten“. Zahlreiche Experten aus Forschung und Wissenschaft zeigten Chancen und Möglichkeiten auf, wie der Biolandbau von der sich entwickelnden Bioökonomie profitieren kann. Gleichzeitig wurde aber auch kontrovers diskutiert, inwieweit sich die momentane Diskussion rund um die Bioökonomie zu sehr auf (bio-)technologische Lösungen konzentriert und Überlegungen zu den Grenzen des Wirtschaftswachstums unberücksichtigt bleiben.
Ministerialdirigent Joachim Hauck aus dem Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg bei seinem Grußwort
© Christine von Koch, Universität Hohenheim
Passend zur aktuellen „Nationalen Forschungsstrategie BioÖkonomie 2030“ der Bundesregierung hat die Universität Hohenheim einen neuen Struktur- und Entwicklungsplan mit dem Titel „Bioökonomie 2020“ aufgelegt, so Prodekan Prof. Dr. Joachim Müller in seinem Grußwort. Warum die Bioökonomie zukünftig das neue Leitthema für die gesamte Universität sein wird, hat Rektor Prof. Dr. Stephan Dabbert anschließend näher erläutert. „In den letzten 10 bis 15 Jahren hat sich gesellschaftlich etwas geändert. Mittlerweile genügt es nicht mehr, die Landwirtschaft alleine für sich zu betrachten. Heutzutage gehören auch die Bereiche Verarbeitung, Technik und Ernährung mit in die Betrachtung“, so Dabbert. Da die Universität Hohenheim für all diese Themen eine große Kompetenz besitzt, wurde die Bioökonomie als verbindende Klammer für alle drei Fakultäten gewählt. „Die gesamte Wirtschaft muss sich verändern. Dabei kann die Bioökonomie einen großen Beitrag leisten“, so Dabbert. Ministerialdirigent Joachim Hauck vom Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg unterstützte in seinem Grußwort diese Bestrebungen mit einem Zitat aus einer Rede des Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann: „Intelligentes Wachstum, grünes Wachstum ist gefragt.“
Optimiertes Biosaatgut zur Erhöhung der Ressourceneffizienz
Dass der Begriff Bioökonomie nicht erst seit der Neudefinition durch die EU im Jahre 2010 existiert, zeigte Dr. Jürn Sanders vom Thünen-Institut in Braunschweig in seinem Eingangsvortrag auf. Bereits in den 70er-Jahren des letzten Jahrhunderts wurde vom rumänischen Ökonomen Nicholas Georgescu-Roegen der Begriff der Bioökonomie eingeführt. Ausgehend von Betrachtungen der Gesetze der Thermodynamik kam er zu dem Schluss, dass Ökonomie und Ökologie nur schwer zu versöhnen sind. „Sein Konzept war mehr dem Gedanken der Suffizienz geschuldet, nicht der Effizienz“, erläuterte Sanders. Und das von Georgescu-Roegen entwickelte Minimalprogramm einer Bioökonomie setzte unter anderem voraus, dass die ökologische Landwirtschaft die einzige bioökonomische Möglichkeit sein kann.
Der nötige Paradigmenwechsel von einer erdöl- hin zu einer biobasierten Wirtschaft bedingt unter anderem auch eine Erhöhung der Ressourceneffizienz. „Die Ressourceneffizienzsteigerung ist möglich durch die Verwendung besserer Sorten im Ökolandbau. Oft wird konventionelles Saatgut verwendet statt optimiertes Biosaatgut“, so Sanders. Sein Fazit: Der Biolandbau kann zu den Zielen der Bioökonomie beitragen.
Prof. Dr. Iris Lewandowski von der Universität Hohenheim erörterte die Frage, wie nachwachsende Rohstoffe und Energiepflanzen in den Biolandbau integriert werden können. In der Öffentlichkeit wird momentan vor allem die Flächenkonkurrenz zwischen Ökolandbau und Energiepflanzenanbau thematisiert. Dabei wird oft übersehen, dass es bereits in der 50er-Jahren des letzten Jahrhunderts Ökolandbaubetriebe waren, die erste Biogas-Anlagen errichtet haben. Eindeutig nachgewiesen ist es mittlerweile, dass es umso weniger Ökobetriebe in einer Region gibt, je höher die Pachtpreise liegen. „Um dies abzumildern, wird eine Anpassung des EEG gefordert. So sollten bevorzugt kleinere Biogas-Anlagen gefördert werden“, so Lewandowski. Beispiele, wo Bioökonomie und Biolandbau zusammenkommen, seien die Offenlandhaltung von Biohühnern in Kombination mit Kurzumtriebsplantagen zur Holzhackschnitzelgewinnung oder die stoffliche Nutzung von nachwachsenden Rohstoffen beim Anbau von Heilpflanzen für die Kosmetikherstellung.
Innovationen: Laborfleisch und Sojabohnen als Eiweißlieferanten der Zukunft
Über Nachhaltigkeit in der landwirtschaftlichen Tierhaltung und Tierzucht berichtete Prof. Dr. Stanislaus von Korn von der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen. Da bekanntermaßen rund ein Drittel der weltweiten Agrarflächen für die Futtermittelproduktion verwendet werden und rund 18 % der Treibhausgasemissionen aus der Tierhaltung resultieren, können Steigerungen der Ressourceneffizienz in diesem Bereich große positive Effekte nach sich ziehen. Die größten Potenziale scheinen hier in der Fütterung und einer ordnungsgemäßen Exkrementewirtschaft zu liegen, so von Korn. Ein innovativer Trend bei der Produktion tierischer Nahrung ist die Forschung zur Herstellung von Laborfleisch. „Diese Entwicklung können wir nicht einfach als reine Spinnerei abtun, gerade in puncto Wasserverbrauch, Treibhausgasemissionen oder Tierschutz schneidet die Laborfleisch-Variante immer am besten ab“, so von Korn. „So hat beispielsweise vor einigen Jahren eine namhafte Tierschutz-Organisation ein Preisgeld von einer Million Dollar ausgelobt für denjenigen, dem es gelingt, das erste Kilo Laborfleisch zu produzieren.“
Dr. Volker Hahn von der Landessaatzuchtanstalt der Universität Hohenheim berichtete über die jüngsten Bestrebungen, optimierte Sojabohnen-Sorten für den Anbau in Mitteleuropa zu züchten. „So eignet sich die Sojabohne gerade als Anbaualternative für die Ökolandbaubetriebe. Die Sojabohne ist gegenüber den gängigen Herbiziden, die momentan in Deutschland eingesetzt werden, sehr empfindlich und ist deshalb bevorzugt im Ökolandbau einzusetzen“, so Hahn. Die Verwendung von Leguminosen für die Ernährung geht in Deutschland und der EU zurück, während sie weltweit zunimmt. Dabei wäre einem Ersatz von tierischem Eiweiß durch pflanzliche Alternativen eindeutig der Vorrang einzuräumen, da dessen ökologischer Rucksack deutlich kleiner ausfällt. Erste Anbauversuche mit neu gezüchteten Sojabohnen-Sorten in Willstätt, Kleinhohenheim und Hohenheim waren erfolgversprechend und ein Teil der Stämme wurde bereits an private Pflanzenzuchtunternehmen abgegeben.
Biodiversität - Basis der Bioökonomie
Streuobstwiesen weisen eine hohe Biodiversität auf - auch ein Bestandteil der Bioökonomie Baden-Württembergs
© Cornelia Bögel, Universität Hohenheim
Prof. Dr. Klaus Schmieder von der Universität Hohenheim erläuterte anschließend die Aspekte einer neuen Bioökonomie vor dem Hintergrund landschaftsökologischer Fragen. So teile er die Ansichten des eingangs erwähnten Ökonomen Georgescu-Roegen, dass es Grenzen für das Wachstum gibt. „Wenn wir die Natur den ökonomischen Bedürfnissen unterwerfen, so gehen wir damit ein hohes Risiko ein“, so Schmieder. "Vor allem die neuen Biotechnologien bergen erhebliche Risiken für Mensch und Natur." Die Wertschätzung für bestimmte ökologische Leistungen verändere sich im Laufe einer bestimmten Zeitspanne. Die gleichzeitige Maximierung aller Dienstleistungen wie Nahrungsmittelproduktion, Energie, Biodiversität und Erholung sei nicht möglich. Eine Verlagerung der Schwerpunkte bei der Nutzung von Ökosystemdienstleistungen sei nur so lange möglich, wie Beeinträchtigungen einzelner Leistungen durch Maximierung anderer reversibel sind. „Wir Ökologen werden immer gefragt, wie weit kann man denn gehen. Problematisch wird es spätestens dann, wenn eine Art ausstirbt.“ Sein Appell ging dahin, eine gesamtgesellschaftliche Gewichtung vorzunehmen und dann durch staatliche Eingriffe eine Lenkung vorzunehmen. Seiner Meinung nach ist eine stärkere Berücksichtigung der Biodiversität der Kulturlandschaft als bioökonomische Basis notwendig.
Der Agrarökonom der Universität Hohenheim, Prof. Dr. Harald Grethe, wies darauf hin, dass die zunehmende Knappheit von Biomasse die Notwendigkeit in der Landwirtschaft und auch in der ökologischen Landwirtschaft erhöht, die Biomasseerträge zu steigern. Gleichzeitig müsste aber auch die Nachfrage nach Biomasse verringert werden, indem die politische Förderung von Biosprit beendet wird oder durch Etablierung nachhaltigerer Konsummuster. Stichworte hierzu: Verringerung des Konsums tierischer Nahrungsmittel und von Nahrungsmittelverlusten entlang der Wertschöpfungskette.
Die eingangs von Prof. Dr. Ralf Vögele gestellte Frage, ob Bioökonomie und Biolandbau einen Widerspruch darstellen, kann wohl verneint werden. Die Tagung hat bereits gezeigt, dass möglich ist, was er in seiner Eröffnungsrede vorgeschlagen hatte. „Widerspruch ist ein bisschen zu provokativ. Wir wollen heute Wege und Möglichkeiten aufzeigen, wie man gegenseitig aufeinander zugehen kann“, so Vögele. Dies ist durchaus gelungen.