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Bioprozesstechnik: Sybille Ebert vermittelt biotechnologische Schlüsselfertigkeit

Im Schüttelkolben startet irgendwann jeder biotechnische Produktionsprozess, ehe er schrittweise hochskaliert und schließlich in kubikmetergroßen Fermentern tonnenweise Plattformchemikalien oder Biotreibstoffe für den Markt liefert. Das theoretische Rüstzeug in Vorlesungen und die praktische Übung im Labor vermittelt Prof. Dr. Sybille Ebert ihren Studierenden an der Hochschule Biberach. Seit Sommer 2013 bekleidet die studierte Chemikerin und Mathematikerin die Stiftungsprofessur Prozesstechnik in der Biotechnologie im Bachelor-Studiengang Industrielle Biotechnologie.

Der Biotechnologie gehörte von Anfang ihre volle Aufmerksamkeit; ihr ist sie seither treu geblieben, auch wenn sie zwischen weißer (industrieller) und roter (pharmazeutischer) hin- und hergewechselt hat. In ihrem Forschungs- und Lehrgebiet Prozesstechnik seien diese Unterschiede allerdings weniger relevant: Der Weg zur Zellkultur ist nicht so weit, sagt die Hochschulprofessorin mit süddeutschen Wurzeln.

In klassischer weißer Biotech promoviert

Prof. Dr. Sybille Ebert © Hochschule Biberach

Von der Tübinger Alma Mater wechselt Ebert 1997 zu Professor Hans-Joachim Knackmuss an das Stuttgarter Institut für Mikrobiologie, wo sie 2001 zum mikrobiellen Abbau von Nitroaromaten promoviert. Die angehende Biotechnologin untersucht die Biochemie und Genetik des mikrobiellen Abbaus von Pikrinsäure, einer Struktur-Verwandten des Sprengstoffes TNT, und 2,4-Dinitrophenol.

In ihrer Dissertation untersucht Ebert die Abbauwege der wasserlöslichen Pikrinsäure. Diese wurde auch als Sprengmittel in Handgranaten im Ersten Weltkrieg eingesetzt. Beide hochgiftigen Schadstoffe - Pikrinsäure wie 2,4-Dinitrophenol - fallen als Nebenprodukte bei der Herstellung von Nitrobenzol, einem Zwischenprodukt bei der großtechnischen Herstellung verschiedener Chemikalien, in Abwässern an. Ebert gelingt der Nachweis, dass der mit den Mikroben Rhodococcus und Nocardioides simplex versetzte Belebtschlamm von Kläranlagen diese Schadstoffe mineralisiert.

Nach der Promotion arbeitet die junge Wissenschaftlerin am gleichen Institut in einem Green-Chemistry-Projekt mit, in dem chemische Substanzen für den Einsatz in der Textilindustrie mit Sollbruchstellen für die Mikroorganismen synthetisiert werden, damit sie nach Gebrauch biologisch abbaubar sind.

Ein Dutzend Jahre Industrie-Erfahrung

2001 wechselt Sybille Ebert in die Forschungslabore von Roche Vitamins, wo die Riboflavin(Vitamin B2)-Synthese optimiert wurde. Als die inzwischen Mutter gewordene Wissenschaftlerin im schweizerischen Kaiseraugst ihre Zelte abgebaut und 2003 in Stuttgart am Institut für Systemdynamik und Regelungstechnik in der Systembiologischen Arbeitsgruppe von Professor Ernst Gilles aufgebaut hat, hat Roche sein Vitamingeschäft an die niederländische DSM verkauft. Mit dem zweiten Kind, das nur Teilzeit-Forschung ermöglicht, verabschiedet sich Sybille Ebert vom Gedanken einer Habilitation, die das damals wenig familienfreundliche Hochschulrahmengesetz nahezu ausschließt.

2005 heuert sie als Postdoc bei Boehringer Ingelheim in Biberach an, wo sie als Fachkraft für Hochdurchsatz-Screening in der Prozessentwicklung tätig ist und damit an ihre Tätigkeit bei Roche Vitamins anknüpfen kann. Mit Enzymen und deren Aufreinigung hatte sie sich dort viel beschäftigt, weshalb ihr Einsatz im Downstream-Processing „eine logische Fortentwicklung" war, sagt Ebert im Rückblick.

Bei Rentschler die gesamte Bioprozesskette im Blick

Bioplastik wie PHB aufzureinigen, lernen die angehenden Biotechnologen in Biberach. © Pytlik

Oberschwaben muss sie nicht verlassen, als Sybille Ebert im Herbst 2007 ins nahe Laupheim zum biopharmazeutischen Auftragsfertiger Rentschler Biotechnologie wechselt. Dort ist sie als Prozessmanagerin in der DSP(Downstream Processing)-Entwicklung tätig, zur Hälfte in der Technologieentwicklung und zur Hälfte für Kundenprojekte zuständig, ehe sie 2009 zur Leiterin der Bioprozesstechnik aufsteigt.

Dort entwickelt Ebert in Kooperation mit 3M einen Tiefenfilter mit adsorptiven Eigenschaften, der die Aufreinigung schneller und kostengünstiger macht, weil es gelingt, zwei Verfahrensschritte zu kombinieren, womit sich ein teurer Chromatographie-Schritt einsparen lässt. In weiteren Projekten modelliert Ebert Ionentauscher und untersucht im Rahmen von BMBF-Projekten die Kristallisation von Proteinen auf Skalierbarkeit und Anwendung in der Aufarbeitung von Biopharmazeutika – in Zusammenarbeit mit der Pharmazeutischen Biotechnologie der Hochschule Biberach. Ihr Aufgabenspektrum wird immer vielfältiger und erstreckt sich schließlich auch auf die Upstream-Entwicklung.

Akademischer Nachwuchs schätzt Ebert

Als Sybille Ebert erfährt, dass die Hochschule Biberach einen Studiengang Industrielle Biotechnologie aufbaut und eine Professur für Prozesstechnik ausschreibt, bewirbt sie sich und wird nach einem einjährigen Bewerbungsverfahren für die Stiftungsprofessur ausgewählt. In ihrer Zeit bei Rentschler, erläutert sie ihre Motive zum Wechsel von der Industrie zurück in die Academia, sei ihr schnell klar geworden, dass ihr die Arbeit mit Studierenden viel Spaß gemacht hat. Es ist wohl kein Zufall, dass in ihrem Büro ein großes Bild mit ‚Studenten' aus der Rentschler-Zeit hängt. Mit vielen steht sie immer noch in gutem Kontakt, sagt die Biotechnologin auf Nachfrage. 

Im Fokus: wirtschaftlichere Herstellungsprozesse

Die Forscherin Sybille Ebert konzentriert sich auf zwei Bereiche mit höchster ökonomischer Bedeutung. Zum einen richtet sie ihr Augenmerk auf die Aufarbeitung von Produkten und Proteinen, was der Branchenjargon Downstreaming nennt. Immer noch verschlingt die Aufreinigung sowohl in der industriellen wie der pharmazeutischen Biotechnologie einen beträchtlichen Teil der Herstellungskosten. Ebert will deshalb neue und kostengünstigere Verfahren entwickeln und sie auf ihre Anwendbarkeit testen. Zum anderen versucht sie neue wirtschaftliche Quellen für Substrate zu erschließen, um biotechnologische Produkte kostengünstiger herstellen zu können. Denn auch Fermentationsprozesse in der industriellen Biotechnologie müssen auf teure Medienbestandteile zurückgreifen, was die Bioproduktion in ihrer Wettbewerbsfähigkeit stark beeinträchtigt. 

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