Bloß kein falscher Partner - die Evolution der chemischen Kommunikation
Einsam wäre unser Leben ohne Kommunikation und am Ende wäre unser Planet unbewohnt. Denn Paarung und Fortpflanzung sind nur möglich, wenn Informationen zwischen verschiedenen Individuen ausgetauscht werden. Wie sich die chemische Kommunikation, eine der Urformen des Dialogs, im Lauf der Evolution bei Insekten entwickelt hat, untersucht der Biologe Dr. Thomas Schmitt. Und obwohl das, was er tut, auf den ersten Blick reine Grundlagenforschung ist, lassen sich einige dieser Erkenntnisse auch praktisch anwenden – beispielsweise zur Schädlingsbekämpfung im Weinberg.
Dr. Thomas Schmitt (Foto: privat)
Evolution hat Thomas Schmitt schon immer interessiert. Während seiner Doktorarbeit in Würzburg beschäftigte er sich bereits mit der Evolution der Pheromonkommunikation beim Europäischen Bienenwolf, einer solitären Grabwespe. „Ich wollte besser verstehen, aus welchem Grund bestimmte Komponenten im Sex-Pheromongemisch genutzt werden“, erzählt der Biologe. Im Anschluss an seine Promotion wurde er dann von Prof. Klaus Peschke als Assistent an die Biologische Fakultät der Universität Freiburg geholt.
Wahl des falschen Partners ist enorm teuerHeute beschäftigt sich Thomas Schmitt unter anderem mit parasitischen Wespen der Gattung Nasonia, die Fliegenpuppen befällt. Mittlerweile sind drei Nasonia-Arten beschrieben, die sich wohl aus einer Ursprungsart entwickelt haben. Vor allem Infektionen mit dem Bakterium Wolbachia haben diese Auftrennung verursacht. Die Befall mit Wolbachia hat eine postzygotische Hybridisierungsbarriere zwischen den drei Arten aufgebaut. Das heißt, die Geschlechtspartner der drei Arten können sich untereinander verpaaren und es kommt zur Bildung von Zygoten. Diese sind jedoch nicht entwicklungsfähig, so dass kein lebensfähiger Nachwuchs entstehen kann. „Die Wahl des falschen Partners ist also enorm teuer“, erklärt Thomas Schmitt. Folglich ist es überaus wichtig einen Paarungspartner der eigenen Art zu wählen. „Denn nur so kann Nasonia zu lebensfähigem Nachwuchs kommen“, erläutert Thomas Schmitt. Der Selektionsdruck auf die Erkennung arteigener Paarungspartner ist hier besonders hoch.
Sie haben die richtigen Partner gefunden: Nasonia vitripennis bei der Paarung. (Foto: Christopher Geim)
Ähnlich wie schon beim Bienenwolf bestimmt die chemische Kommunikation, an der sowohl Pheromone als auch Oberflächenkohlenwasserstoffe beteiligt sind, das Paarungsverhalten von Nasonia. „Wir wollen wissen, welche Rolle diese vielen verschiedenen chemischen Signale spielen. Wie kommt es dazu, dass die einzelne Wespe weiß, welches der richtige Paarungspartner ist?“, fragt der Evolutionsforscher. Er untersucht, wie sich der Phänotyp unter dem Druck möglichst viel gesunden Nachwuchs zu produzieren, mit dem Entstehen neuer Arten ändert. Gemeinsam mit Wissenschaftlern um Jürgen Gadau von der Arizona State University bearbeitet er in diesem Zusammenhang auch die Frage, was sich bei der Entstehung neuer Pheromonkomponenten im Genotyp verändert. Schmitt und Gadau konnten zeigen, dass eine Veränderung an einem einzigen Genort für die Unterschiede des Sexualpheromons zwischen den drei Arten verantwortlich ist.
Hilfe bei der Suche nach dem „richtigen“ Partner
Spannend erscheint Thomas Schmitt auch die Frage, ob chemische Kommunikation über Oberflächenkohlenwasserstoffe zur Erkennung der „richtigen“ Partner beiträgt. Wespen der Art Nasonia vitripennis unterscheiden mit Hilfe dieser chemischen Profile auf der Körperoberfläche zwischen Männchen und Weibchen. Da drängt sich die Frage geradezu auf, ob Oberflächenkohlenwasserstoffe auch vor der Wahl der falschen Partner schützen können. Die Untersuchungen der Wissenschaftler zeigen, dass mehrere Gene dieses Merkmal beeinflussen, was nicht nur zu einem unterschiedlichen Kohlenwasserstoffmuster bei Männchen und Weibchen führt. Auch die drei Nasonia-Arten sondern jeweils eigene chemische Profile ab. Unterschiede zwischen den Arten gibt es somit. Ob sie allerdings auch zur Partnererkennung genutzt werden, daran forschen Schmitt und seine Mitarbeiter noch.
Eine weibliche Knotenwespe (Cerceris sabulosa) vor ihrer Bruthöhle. (Foto: Sven Kurz)
Die Evolution der Oberflächenkohlenwasserstoffe interessiert die Freiburger Wissenschaftler auch aus anderen Gründen sehr. Diese Moleküle findet man auf allen bis heute untersuchten Insekten. Ursprünglich dienen sie wohl als Verdunstungsschutz. Allerdings unterscheiden sich die chemischen Profile zwischen den verschiedenen Ordnungen, Familien und Arten. Während einige solitäre Hymenopteren sich mit 20 bis 40 Komponenten begnügen, die in der Regel nur wenig zur Kommunikation verwendet werden, nutzen staatenbildende Ameisen bis zu 300 verschiedene Stoffe und tauschen darüber eine große Anzahl verschiedenster Informationen aus. Wie aber kommt es zu diesen unterschiedlichen Profilen? Welche Formen von Selektionsdruck wirken bei den relativ einfach strukturierten solitären Hymenopteren? Ist es die Beute, ist es das Klima? Was bewirkt der Parasitendruck? Diese Fragen untersucht Thomas Schmitts Arbeitsgruppe am Beispiel einer Gruppe von Grabwespen: den Knotenwespen der Gattung Cerceris. In deren Brutbauten beispielsweise dringen Goldwespen ein und tarnen sich mit einem oftmals nahezu perfekt nachgeahmten chemischen Profil. Schmitt will wissen, wie variabel das chemische Oberflächenprofil der Grabwespen ist und ob die chemische Mimikry der Goldwespen zu einer Veränderung des Oberflächenkohlenwasserstoffmusters der Wirtsarten führt.
Fundamentaler Mechanismus der Evolution
„Mit der Erforschung der Kommunikation arbeiten wir an einem fundamentalen Mechanismus der Evolution. In erster Linie ist das Grundlagenforschung“, urteilt der Wissenschaftler über seine Arbeit. Trotzdem lassen sich Erkenntnisse, die er und sein Team in den vergangenen Jahren gewonnen haben, auch in der Praxis nutzen. In einem gemeinsamen Projekt mit dem Staatlichen Weinbauinstitut in Freiburg versuchen sie, den Traubenwickler durch Einsatz von Eiparasitoiden statt dem schon bekannten Pheromonverwirrverfahren zu bekämpfen.
„In bestimmten Gebieten funktioniert das Pheromonverwirrverfahren nicht“, erklärt Thomas Schmitt. Dort will man den Schädling mit der Erzwespe Trichogramma an der Vermehrung hindern. Trichogramma parasitiert die Eier des Traubenwicklers. Wie aber findet und identifiziert die Erzwespe die Gelege des Schädlings? „Die Eier sondern chemische Stoffe ab, die Trichogramma wahrnimmt“, erklärt der Biologe. Allerdings tun sie dass nur in einem sehr kurzen Zeitfenster nach Ablegen der Eier. „Das bedeutet, wir brauchen ein gutes Monitoring, um zu wissen, wann die Traubenwickler fliegen und ihre Brut ablegen. Nur dann können wir Trichogramma zum richtigen Zeitpunkt ausbringen.“ In zwei Weingärten prüfen die Forscher in den kommenden Monaten, ob die entscheidende Zeitspanne verlässlich zu bestimmen ist und ob die Erzwespe tatsächlich für den praktischen Einsatz geeignet ist. Unterstützt werden sie von der Firma AMW Nützlinge, die die Erzwespen für die Versuchsreihen zur Verfügung stellt. Thomas Schmitt ist überzeugt von diesem praktischen Projekt: „Es ist deshalb so interessant, weil wir von einer eher akademischen Frage ausgehend für den Weinbau eine Möglichkeit zur biologischen Schädlingsbekämpfung erarbeitet haben und gleichzeitig den komplexen Vorgang chemischer Kommunikation bei Insekten noch besser verstehen lernen.“