Branchenreports 2014: Biotechnologie-Branche weitgehend stabil
Die Analysen zur Biotechnologie-Branche von EY, biotechnologie.de und vfa bio liegen vor: Die Branche erweist sich nach wie vor als innovativ und stabil. Noch! Denn alle Analysen kommen zu dem Schluss, dass die Finanzierungsmöglichkeiten vor allem für das Wachstum der Unternehmen nach wie vor unzureichend sind und sehen hier politischen Handlungsbedarf.
„Die deutsche Biotechnologie-Branche 2014“ von biotechnologie.de, der „Deutscher Biotechnologie-Report 2014“ der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young GmbH und die Ergebnisse der Studie des Verbandes der forschenden Pharmaunternehmen e.V. (vfa bio) durchgeführt von der Boston Consulting Group „Medizinische Biotechnologie in Deutschland 2014“ zeichnen ein gemischtes Bild der aktuellen Lage der Biotechnologie-Branche.
Biotechnologie.de über eine „hochinnovative Branche mit besonderen Herausforderungen“
Die Informationsplattform biotechnologie.de attestiert der Biotechnologie-Branche nach Analyse der Kennzahlen eine vergleichsweise konstante Entwicklung. Die Umsatz-, Mitarbeiter- und Unternehmenszahlen im Biotechnologie-Sektor stagnieren. Die Unternehmen investierten für das Jahr 2013 31 Prozent ihres Umsatzes in Forschung und Entwicklung, im Vergleich zum Vorjahr bedeutet dies jedoch ein Minus von fast 4 Prozent. Insbesondere den leichten Umsatzrückgang bewertet biotechnologie.de als kritisches Signal für die Branchenentwicklung. Die Anzahl der Firmen hat sich leicht positiv entwickelt. Baden-Württemberg liegt hierbei mit Bayern und Nordrhein-Westfalen im absoluten Spitzenfeld.
Die Zahl der Mitarbeiter in den aktuell 570 dedizierten - hauptsächlich mit Biotechnologie beschäftigten - Unternehmen ist leicht auf 16.950 zurückgegangen (- 2,8 %), wobei die Anzahl der Firmen etwas gestiegen ist (+ 0,9 %). Die Struktur der Branche ist unverändert: Die deutliche Mehrheit der Firmen sind kleine und mittlere Unternehmen (KMU) und fast jede zweite Firma zählt weniger als zehn Mitarbeiter. Im Jahr 2013 waren zusätzlich 130 Unternehmen aktiv, für die Biotechnologie nur ein Teil ihres Geschäftes darstellt, und in ihren biotechnologisch ausgerichteten Bereichen 18.450 Mitarbeiter (+ 4 %) beschäftigten.
Tätigkeitsschwerpunkte der dedizierten Biotechnologie-Unternehmen. Nur eine Angabe pro Unternehmen.
© biotechnologie.de
Zusammenfassend ergeben sich für das Jahr 2013 damit 35.400 Arbeitsplätze (+ 1 %) in 700 kommerziellen Biotechnologieunternehmen in Deutschland.
Die Innovationsfähigkeit der Branche wird auch anhand der Wirkstoffkandidaten in der klinischen Pipeline bewertet. Laut biotechnologie.de war 2013 „ein Jahr mit Berg- und Talfahrten“. Insgesamt haben es weniger präklinische Projekte in die Klinik geschafft. Dennoch werden nun zum Beispiel zwei neuen Phase-I-Kandidaten der Tübinger CureVac GmbH in klinischen Tests überprüft.
Die Finanzierungssituation bewertet biotechnologie.de als uneinheitlich. Im Gründungsbereich greifen die Programme wie EXIST oder GO-Bio sowie das Engagement des HTGF und führen zu Verbesserungen in der Seed-Finanzierung. Baden-Württemberg liegt mit 3 Gründungen bundesweit auf Platz 2 hinter Berlin. Die Möglichkeiten für eine Anschlussfinanzierung sind nach wie vor sehr schwierig, es gab kaum kapitalstarke VC-Runden und diese vor allem von den Family Offices in ihre Portfolio-Unternehmen. So sicherte sich beispielsweise die immatcis biotechnologies GmbH 34 Mio. Euro unter Beteiligung von Strüngmann und Hopp. Frisches Geld für die Branche kam ansonsten vor allem durch Kapitalerhöhungen der börsennotierten Unternehmen.
Ernst & Young GmbH - chronische Unterfinanzierung der Unternehmen
Der "Deutsche Biotechnologie-Report 2014" der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young GmbH (EY) beschäftigt sich vor allem mit der schwierigen Kapitalmarktsituation. Die Analysen zeigen das Bild eines Sektors, dem Wachstumsimpulse fehlen und dem die Möglichkeit genommen ist, in Innovation zu investieren.
Von der positiven Entwicklung der allgemeinen Wirtschaftslage weltweit kann die Biotech-Branche hierzulande nicht entsprechend profitieren. Daher fordert Siegfried Bialojan, EY, ein Umdenken. „Die Bedeutung des Sektors für die Zukunft gerade auch der deutschen Volkswirtschaft ist neu zu bedenken. Da allerdings in der bisherigen Rückschau wirkliche Erfolgsstorys hierzulande zu selten waren, ist das Bild des Innovationsmotors für die Zukunft immer noch schwer nachzuvollziehen. Die Folge ist die inzwischen chronisch ausgeprägte Unterfinanzierung der Unternehmen. Dies zwingt sie zu drastischen Sparmaßnahmen und zu opportunistischen Geschäftsmodellen für das reine Überleben. Die optimale Nutzung von eigentlich vorhandenen Wertschöpfungspotenzialen bleibt auf der Strecke. Diese Entwicklung ist volkswirtschaftlich sehr bedenklich. Vor dem Hintergrund enormer und richtiger Investitionen des Staates in die akademische Forschung kann dies nicht weiter akzeptiert werden. Vielmehr zwingt die volkswirtschaftliche Betrachtung zur besseren wirtschaftlichen Nutzung des Potenzials durch Schaffung von Rahmenbedingungen für eine optimierte Wertschöpfung.“
Nun zu den harten Fakten: Der Branchenumsatz ist laut dieser Erhebung um sieben Prozent auf 1,04 Mrd. Euro im Jahr 2013 gesunken. Den beobachteten Umsatzrückgang führt EY auf das Wegfallen einmaliger Deal-Zahlungen
zurück. Auch EY beobachtete einen Mitarbeiterrückgang, der hier auf Verkäufe (z.B. AbD Serotec von MorphoSys an Bio-Rad) und Liquidationen (z.B. Agennix) zurückgeführt wird.
Kritisch sieht auch EY vor allem die geringeren F&E-Ausgaben (um 6 % gesunken) und den Verlustabbau durch Firmenschließung. So führte z.B. allein die Schließung von Agennix zu einem Rückgang der F&E-Ausgaben von über 36 Millionen Euro sowie zu einer Reduzierung der Verluste um über 146 Millionen Euro.
Der leichte Rückgang der Unternehmensgesamtzahl im Biotechnologiesektor (- 5) ergibt sich laut EY aus insgesamt 18 aus der Statistik gefallenen Firmen (Insolvenzen, Übernahmen o.ä.), die durch lediglich 13 Neugründungen nicht kompensiert werden. Allerdings werden Neugründungen vielfach erst nachträglich im Verlauf des Jahres bekannt.
Das soll aber nicht über die Herausforderung der Weiterfinanzierung nach der Startup-Phase der Neugründungen hinwegtäuschen. Hier attestiert der Report eine „ausgetrockneten Kapitalnahrungskette, die Neugründungen ins offene Messer laufen lässt“.
Zusammenfassend beschreibt der Report eine kritische Stagnation der Branche aufgrund einer schwierigen Finanzierungssituation für Unternehmen und sieht hier deutlichen Handlungsbedarf auf politischer Seite um das Zukunftspotenzial der Biotechnologie in Deutschland nicht zu vergeuden.
VFA BIO - positiver Trend in dem biopharmazeutischen Sektor
Die Boston Consulting Group beobachtete im Auftrag des Verbandes der forschenden Pharmaunternehmen e.V. (vfa bio) die Lage für Unternehmen im Bereich Biopharmazeutika. Sie analysieren einen Anstieg der Umsätze, Mitarbeiter und Unternehmenszahl in diesem Sektor, der mit einem hohen „medical need“ korrespondiert.
Die Zahl der Unternehmen, die sich mit neuen diagnostischen Anwendungen beschäftigen ist auf 386 (+ 0,3 %) und die Beschäftigtenzahl auf 36.356 (+1,1 %) leicht angestiegen. Die Zahl der Firmen, die hauptsächlich Therapeutika entwickeln, ist dagegen rückläufig.
Pipeline 2008 bis 2013. Anzahl neuer Wirkstoffe in der am weitesten fortgeschrittenen Phase.
© Medizinische Biotechnologie in Deutschland 2014, vfa bio/BCG
Die Umsätze der Unternehmen im biopharmazeutischen Bereich sind im vergangenen Jahr erneut um knapp 8 % auf 7,562 Mrd. Euro gestiegen. Laut Studie wächst der Sektor Biopharmazeutika stärker als der gesamte Pharmamarkt, was laut Frank Mathias, Vorsitzender des vfa bio vor allem auf einen gestiegenen medizinischer Bedarf besonders in den Bereichen Immunologie, Onkologie und Stoffwechselerkrankungen zurückzuführen ist und nicht auf eine Preiserhöhung der Präparate.
Auch in der klinischen Pipeline in diesem Bereich kann aufgrund 14 neu zugelassener Biopharmazeutika - knapp ein Drittel der Neuzulassungen - ein erfolgreiches Jahr beobachtet werden. Dennoch ist eine Plateaubildung in der Pipeline-Entwicklung von Biopharmazeutika zu beobachten, was Sorge bereitet, da dies auch auf fehlende Investitionsmittel insbesondere bei KMU zurückzuführen ist, so Mathias.
Daher fordert auch dieser Report ein innovationsfreundlicheres Klima. So sollte eine steuerliche Forschungsförderung auch in Deutschland etabliert, die steuerlichen Rahmenbedingungen für KMU und Wagniskapitalfirmen verbessert und mehr Planungssicherheit für Pharma- und Biotech-Unternehmen geschaffen werden.
Weitere Informationen zu den Branchenreports finden Sie über die Links oben rechts.
Quellen:
Die deutsche Biotechnologie-Branche 2014; biotechnologie.de, April 2014
Deutscher Biotechnologie-Report 2014; Ernst & Young GmbH, April 2014
Medizinische Biotechnologie in Deutschland 2014(Präsentation); Verband der forschenden Pharmaunternehmen e.V./The Boston Consulting Group GmbH, Mai 2014