Bundestag beschließt neues Gentechnik-Gesetz
Grünes Licht für die Neuregelung des Gentechnikrechts gab es am 25. Januar 2008 vom Bundestag. Beschlossen wurden die Einführung des Aufdrucks "Ohne Gentechnik" sowie schärfere Vorschriften für den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen. Verbraucher sollen gentechnikfreie Lebensmittel künftig leichter erkennen können. Damit das Gesetz rechtskräftig werden kann, muss der Bundesrat zustimmen. Diese Entscheidung fällt Mitte Februar.
Gentechnisch veränderte Lebensmittel sind seit den 1990ern im Handel, meist handelt es sich um Lebensmittel aus Soja und Mais. Seit 1990 wird in Deutschland der Anbau und Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen (GVO) wie Tieren, Pflanzen und Mikroorganismen durch das Gentechnik-Gesetz geregelt. Der am 25. Januar 2008 verabschiedete Gesetzentwurf der Bundesregierung sieht nun eine Änderung verschiedener Gesetze und Verordnungen vor. Angenommen wurde das "Gesetz zur Änderung des Gentechnikgesetzes, zur Änderung des EG-Gentechnik-Durchführungsgesetzes und zur Änderung der Neuartige Lebensmittel- und Lebensmittelzutaten-Verordnung".
"Ohne Gentechnik" auf Milch, Fleisch, Eiern und Käse
Dass der Verbraucher zwischen herkömmlichen und Gen-Lebensmitteln wählen kann, soll durch die Regelung der Kennzeichnung "Ohne Gentechnik" sichergestellt werden. Diese seit 1998 existierende Kennzeichnung war bisher nur für Produkte erlaubt, bei denen eine Anwendung der Gentechnik auf allen Verarbeitungsstufen ausgeschlossen ist. Nach der neuen Regelung garantiert die Kennzeichnung bei Fleisch, Milch und Eiern, dass auch die Tiere nicht mit gentechnisch veränderten Futterpflanzen gefüttert wurden. Bei pflanzlichen Produkten gibt es Ausnahmen für Verunreinigungen von bis zu 0,9 Prozent, die etwa durch angrenzende Anbauflächen von Genpflanzen stammen können. "Ohne Gentechnik" können sowohl konventionelle Lebensmittel als auch Ökoprodukte sein. Allerdings können unter dieser Bezeichnung auch gentechnisch hergestellte Zusatzstoffe wie Enzyme, Vitamine, Aminosäuren sowie Impfstoffe im Ausnahmefall für die Erzeugung von Lebensmitteln verwendet werden. Solche Zusätze sind zum Beispiel in vielen Futtermischungen enthalten. Falls gentechnisch veränderte Zusatzstoffe zur Herstellung verwendet werden, müssen sie in der EU-Öko-Verordnung zugelassen sein, und es darf keine gentechnikfreie Alternative zur Verwendung geben.
Die Mindestabstände - der Bauer haftet
Maisfeld (Foto: Norbert Lehmann/www.biosicherheit.de)
Das neue Gesetz führt folgende Mindestabstände ein: Zwischen Genmaisfeldern und konventionellen Maiskulturen müssen 150 Meter liegen, gegenüber ökologischen Maiskulturen ist ein Abstand von 300 Metern vorgesehen. Damit soll verhindert werden, dass sich Genmais-Samen auf Nachbarfeldern einnisten und dort neue Früchte hervorbringen, deren Samen im Folgejahr unerkannt als Saatgut verwendet werden. Bei verschiedenen Anbauversuchen hatte sich gezeigt, dass bei einer Entfernung von 150 Metern im Regelfall mit GVO-Einträgen um 0,1 Prozent zu rechnen ist. Damit wird der für die Kennzeichnung maßgebliche Schwellenwert von 0,9 Prozent weit unterschritten.
Grundsätzlich sollen benachbarte Landwirte sich auf geringere Abstandsflächen zwischen Feldern mit gentechnisch verändertem und konventionellem Mais verständigen können als die vorgeschriebenen 150 bzw. 300 Meter. Zusätzlich muss der Bauer seinen Nachbar über Rechtsfolgen aufklären. Die Absprache muss in das Standortregister eingetragen werden. Finden sich in einem anderen Feld genveränderte Pflanzen, haftet der Bauer, der das Genprodukt ausgesät hat.
Gentechnik-Standortregister
Im Gentechnik-Standortregister steht auch künftig, wo, wann und welche gentechnisch veränderten Pflanzen in Deutschland angebaut werden. Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) erfasst hier alle Flächen, auf denen Gentechnik-Pflanzen angebaut werden (sollen). Das gilt für den kommerziellen Anbau und für die Forschung. Dieses öffentlich zugängliche Register war auf Kritik gestoßen, da militante Gentechnik-Gegner wiederholt Forschungsfelder zerstört hatten.
Schavan: Transparenz in Forschung und Anbau
Anlässlich der Novellierung des Gentechnikgesetzes erklärte Bundesforschungsministerin Annette Schavan am Freitag in Berlin: "Die Änderung des Gentechnikgesetzes bedeutet eine Stärkung der Forschung in Deutschland. Vereinfachte Zulassungsverfahren sorgen dafür, dass die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler besser arbeiten können. Deutsche Forschungseinrichtungen werden jetzt ihre weltweit anerkannte Expertise in der Grünen Gentechnik ausbauen können. Das Gentechnikgesetz sorgt für Transparenz in Forschung und Anbau und für die Sicherheit der Verbraucher. Darüber hinaus wird auch den wirtschaftlichen Belangen der Landwirte Rechnung getragen. Wir müssen nun einen öffentlichen Dialog über die Chancen führen, die uns die Grüne Gentechnik eröffnet. Dazu zählt beispielsweise die Optimierung von Pflanzen zur Gewinnung von Bioenergie oder die notwendige Anpassung von Nutzpflanzen an den Klimawandel."
Gentechnik in aller Munde - Novel food heimlich im Vormarsch?
Bis 2004 galt für gentechnisch hergestellte Lebensmittel noch die Novel-Food-Verordnung, nach der neuartige Lebensmittel und Lebensmittelzutaten erst auf den europäischen Markt gelangen, wenn sie ein europäisches Genehmigungsverfahren durchlaufen haben. Nachdem "Genfood" abgekoppelt und in eine eigene EU-Verordnung gepackt wurde, lief die Debatte um "Novel Food" weitgehend ohne öffentliche Beachtung weiter. Auf dem Markt ist zum Beispiel Margarine mit Phytosterinen, die den Cholesterinspiegel senken soll. Jetzt wird dieser Markt "neuartiger Lebensmittel" angekurbelt. Lebensmittelindustrie und Welthandelsorganisation fordern eine erleichterte Zulassung.
Die Europäische Kommission hat am 14. Januar 2008 einen Vorschlag zur Änderung der Verordnung über neuartige Lebensmittel angenommen, um den Zugang zu neuen und innovativen Lebensmitteln auf dem EU-Markt zu verbessern und gleichzeitig ein hohes Verbraucherschutzniveau aufrechtzuerhalten. Der Verordnungsentwurf sieht für neuartige Lebensmittel ein einfacheres und effizienteres Zulassungsverfahren vor, das es ermöglichen dürfte, sichere innovative Lebensmittel schneller auf den EU-Markt zu bringen.
Unter die Novel-Food-Verordnung fällt beispielsweise auch Stevia. Stevia rebaudiana liefert Steviosid, einen natürlichen, beinahe kalorienfreien Stoff, der zwei- bis dreihundertmal süßer ist als Zucker. Die Zulassung wurde 1999 wegen gesundheitlicher Bedenken abgelehnt. Dies könnte sich jetzt ändern, wenn die Zulassungshürden tiefer liegen.
Quellen: Deutscher Bundestag, EU-Kommission, aid infodienst