Christian Bonten: Biokunststoffe im Fokus
Seit dem 1. September 2010 ist Prof. Dr. Christian Bonten neuer Leiter des Instituts für Kunststofftechnik IKT der Universität Stuttgart. Auch das ehemalige Institut für Kunststoffprüfung und Kunststoffkunde gehört seit Kurzem zum IKT und damit zu Bontens Verantwortungsbereich. Der Ingenieur sagt Biokunststoffen eine große Zukunft voraus und will mit seinem Institut Meilensteine zu ihrer weiteren Entwicklung liefern. Ein anderer Schwerpunkt seiner Arbeit ist die Anwendung bioverträglicher Kunststoffe in der Medizintechnik.
Bonten hat sich vom Start weg viel vorgenommen: Noch bis Ende diesen Jahres will er das Institut für Kunststofftechnik umstrukturiert und die organisatorische Integration des Institutes für Kunststoffprüfung und Kunststoffkunde abgeschlossen haben. Innerhalb der nächsten zwei Jahre werden dann die bisher in verschiedenen Stadtteilen beheimateten Institute auch räumlich zusammengeführt. Auf dem Vaihinger Campus der Universität Stuttgart entsteht in einem bereits vorhandenen Gebäude auf rund 2.500 Quadratmetern das neue IKT und noch ein weiteres Gebäude wird hinzukommen. „Rund 1,5 Millionen Euro fließen allein in die Renovierung und die Umbaumaßnahmen, ein weiterer Millionenbetrag in die technische Ausstattung des IKT, das heute wohl das zweitgrößte Institut für Kunststofftechnik in Deutschland ist – wobei Deutschland insgesamt weltweit führend ist auf diesem Gebiet“, sagt Bonten.
Prof. Dr.-Ing. Christian Bonten ist der neue Leiter des Instituts für Kunststofftechnik an der Uni Stuttgart.
© privat
Er hat nach eigenem Bekunden ein Faible für Aufbauaktivitäten, was seine bisherige Laufbahn bestätigt. Bonten studierte in Duisburg und Aachen Maschinenbau, wobei er sich bereits vor dem Diplom auf Kunststofftechnik spezialisierte. Das lag gewissermaßen in der Familie: Bontens Vater hielt einige Patente im Bereich Polyamide und war in diesem Bereich bei Bayer tätig. „Meine Geschwister und ich waren bereits von zuhause aus naturwissenschaftlich geprägt“, bestätigt Bonten. Zusätzlichen Antrieb gab ihm die damalige Entwicklung: „In den 90er-Jahren konnte nachgewiesen werden, dass Kunststoffe oft weit ressourcenschonender sind als andere Werkstoffe. Dies zeigte sich besonders im Marktsegment Verpackungen.“
In einem industrienahen An-Institut der Universität Essen verdiente sich Bonten nach seiner Promotion 1998 als Oberingenieur erste Sporen in der angewandten Forschung. 2002 wechselte er zur BASF in den Bereich Anwendungstechnik Kunststoffe, wo er Innovationen marktgerecht umsetzte. Bonten leitete unter anderem das Kompetenzzentrum Universalanwendungen, das sich auch mit medizintechnischen Anwendungen von Kunststoffen befasst. Danach wurde er gesamtverantwortlich für das weltweite Geschäft zweier Kunststoffe, die unter anderem für medizinische Anwendungen eingesetzt werden. Daraus entwickelte er neue Aktivitäten für BASF-Kunststoffe im Marktsegment Healthcare & Diagnostics. Auch die Bedeutung von Kunststoffen für Designer entging ihm nicht. Bonten gilt als Gründer der BASF-Designfabrik. „Hier lernen Designer, wie man mit Kunststoffen erfolgreich ist, indem die Besonderheiten einzelner Kunststoffe, aber auch zugleich die Techniken zur Produktherstellung vermittelt und verstanden werden“, so Bonten. Im Zuge dieses Engagements, seiner Fachbücher und Vorlesungen zur Brückenbildung zwischen Designern und Ingenieuren, erhielt er 2007 den Dr. Richard-Escales-Preis. Er wird alle drei Jahre gemeinsam vom VDI Kunststofftechnik und dem Carl Hanser Verlag vergeben.
Stets auf der Suche nach neuen Trends erkannte Bonten die immensen Chancen von Kunststoffen aus biologischen Rohstoffen. „Es gab innerhalb der BASF ein benachbartes, zunächst sehr kleines Business Management für Biokunststoffe, das sich rasant entwickelte. Insgesamt haben mich die Wachstumsraten bei Biokunststoffen überzeugt und fasziniert“, sagt Bonten, der als Mitglied des Strategieteams Kunststoff die Entwicklung mitverfolgte. Bonten wollte nun die Erfolgsgeschichte der Biokunststoffe mitgestalten. Gleichzeitig reizte ihn nach einigen Jahren in einem Großunternehmen die Aufbauarbeit in einer kleinen Firma.
„Biokunststoffen gehört die Zukunft“
Mithilfe von Spritzgießcompoundern wie diesem (IMC 200 von Krauss Maffei) werden am Institut für Kunststofftechnik IKT der Uni Stuttgart neue Kunststoff-Rezepturen entwickelt.
© IKT
2008 ging Bonten als Prokurist und Leiter Technologie zur FKuR Kunststoff GmbH ins niederrheinische Willich bei Düsseldorf, wo er ein beeindruckendes Umsatz-Wachstum von rund 50 Prozent pro Jahr begleitete und mit gestaltete. „Der Markt für Biokunststoffe wächst pro Jahr um 20 bis 30 Prozent und diese kleine Firma ist europaweit die wohl innovativste auf diesem Gebiet“, sagt Bonten. Bei aller Faszination für diesen Boom reizte ihn dann der Ruf der Universität Stuttgart und der damit verbundene Perspektivwechsel von der Industrie zur Academia. Die Forschung speziell bei Biokunststoffen und Kunststoffen für die Medizintechnik hatte er nie aus den Augen verloren. Bonten behielt während seiner industriellen Laufbahn auch stets seine Lehraufträge an der Universität Essen und dem Karlsruher KIT. Und wieder war es die Aufbauarbeit, die ihn besonders anzog – nach Stuttgart zum vereinigten, großen Institut für Kunststofftechnik. Die weitere Entwicklung der FKuR verfolgt er natürlich weiter – aus freundschaftlicher Distanz, wie er sagt, denn seine vertraglichen Verpflichtungen hat er vollständig gelöst, um sich neutral voll und ganz auf seine neue Position zu konzentrieren.
Hier will er sein Business-Know-how einsetzen, um verstärkt Spin-offs aus der Universität zu gründen. Mit guten Mitarbeitern und guten Ideen dürfte das nicht schwierig sein, hofft der neue Institutsleiter. Er selbst bringt wichtiges Detailwissen mit – eine wesentliche Voraussetzung, um Biokunststoffe mit den jeweils gewünschten Eigenschaften herzustellen. „Unsere Kunst ist es, die richtige Mischung und Materialkombination zu finden. Biokunststoffe sind heute schon in ihren technisch-mechanischen Eigenschaften den herkömmlichen Kunststoffen vergleichbar. Sie haben jedoch zum Beispel eine höhere Durchlässigkeit für Wasserdampf und CO2, was bei manchen Anwendungen nicht erwünscht ist“, erklärt Bonten. So will er etwa die Durchlässigkeit von Getränkeflaschen aus Biokunststoff verringern, indem er Beschichtungen und Bedampfungen aus ebenfalls biologischen Materialien aufbringt.
In der Verpackungsindustrie haben Biokunststoffe bereits gut Fuß gefasst, was Bonten zufolge an der biologischen Abbaubarkeit, also der zusätzlichen Entsorgungsoption liegt. So sind Folien oder Tüten aus Biokunststoff zertifiziert kompostierbar und werden relativ schnell wieder zu Biomasse. Etwas anders sieht es bei dauerhafteren Anwendungen aus, wenn Biokunststoffe zu Handyhüllen oder Computertastaturen verarbeitet werden. „Hier ist die biologische Abbaubarkeit nicht wichtig oder sogar nicht erwünscht. Der Drang, Erdöl zu vermeiden, ist Kaufargument von Green IT, sei es, dass der Computer weniger Energie verbraucht oder – wie beim Einsatz von Biokunststoffen – natürliche Rohstoffe verwendet werden“, sagt Bonten und will auch in diesem Bereich mit seinen Mitarbeitern an neuen Rezepturen arbeiten.
Marktfähige Biokunststoff-Mischungen
Biologischer Inhalt in biologischer Verpackung – die Folie Bio-Flex® A 4100CL aus Biokunststoff ist zertifiziert kompostierbar.
© FKuR Kunststoff GmbH
Neue Mischungen werden mithilfe von Aufbereitungsextrudern entwickelt, speziellen Mischanlagen, mit denen das Institut bereits sehr gut ausgestattet ist, wie Bonten bemerkt. „Die Polymerketten wichtiger Bio-Rohkunststoffe wie PLA oder PHA sind wenig seitenverzweigt, so dass eine Folie hieraus leichter reißt. Deshalb müssen wir bestimmte Additive zugeben und im Aufbereitungsextruder reagieren lassen, um für das Folienmaterial eine gute biaxiale Verstreckung und damit biaxiale Festigkeit zu erreichen“, so Bonten. Die verschiedenen Bio-Komponenten miteinander verträglich zu machen, ist eine der Herausforderungen an seinem Institut. Wichtige Rohstoff-Lieferanten für Roh-Biokunststoffe sind zum Beispiel Getreidestärke oder Zuckerrüben. Aus ihnen wird durch Fermentationsprozesse Milchsäure (Lactic Acid) gewonnen, die dann zu PLA (Polylactid Acid) polymerisiert wird.
Einen der wichtigsten und noch unterschätzten Biokunststoffe für die Zukunft sieht er in Derivaten des PHA (Polyhydroxyalkanoat), einer Substanz, die biotechnologisch mithilfe von Bakterien produziert wird. „PHA eignet sich für den Spritzguss, was zum Beispiel für Produkte in der Medizintechnik wichtig ist“, so Bonten, „allerdings ist auch hier wichtig, die richtigen, reinen Additive zu entwickeln und in Aufbereitungsextrudern zu erzeugen.“ In der Medizintechnik sind generell Kunststoffe in hoher Reinheit und Konstanz gefragt, weshalb möglichst wenig Additive zum Einsatz kommen sollen – eine weitere Herausforderung für die Entwicklung zukunftsträchtiger Mischungen an Bontens Institut.