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Das baden-württembergische Bioökonomie-Graduiertenprogramm BBW ForWerts

Als Bestandteil des baden-württembergischen Forschungsprogramms Bioökonomie ist das neue interdisziplinäre Graduiertenprogramm „BBW ForWerts: Erforschung innovativer Wertschöpfungsketten“ gestartet. Das international ausgerichtete Ausbildungsprogramm für Doktoranden wird von der Universität Heidelberg koordiniert. Zehn Institutionen aus Baden-Württemberg sind beteiligt. Die Forschungsprojekte umfassen drei Bereiche: Biogas, Mikroalgen und Lignozellulose.

Die Teilnehmer des Graduiertenkollegs BBW ForWerts bei ihrem ersten Workshop in Heidelberg. © BBW ForWerts Graduate Program; Universität Heidelberg

Das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst des Landes Baden-Württemberg hat 2013 eine neue Forschungsinitiative „Bioökonomie in Baden-Württemberg" angestoßen, in der das in unterschiedlichen Disziplinen vorhandene Fachwissen für die Bioökonomie über die verschiedenen Forschungsstandorte hinweg miteinander vernetzt wird. Zu der Initiative gehört auch ein interdisziplinäres und international ausgerichtetes Ausbildungsprogramm für Doktoranden unter dem Titel „BBW ForWerts: Erforschung innovativer Wertschöpfungsketten".

An dem zunächst auf drei Jahre angelegten Ausbildungsprogramm, das bei positiver Bewertung verlängert wird, können bis zu hundert Doktoranden an zehn Institutionen des Landes - darunter den Universitäten Freiburg, Heidelberg, Hohenheim, Stuttgart und Ulm sowie dem Karlsruher Institut für Technologie - teilnehmen. Koordinator des Graduiertenprogramms ist Prof. Dr. Thomas Rausch, Leiter der Forschungsgruppe „Molekulare Physiologie der Pflanzen" am Center for Organismal Studies (COS) der Universität Heidelberg.

Das Programm baut auf den Erfahrungen mit den internationalen Graduiertenschulen (wie zum Beispiel der Hartmut Hoffmann-Berling Internationale Graduiertenschule für Molekular- und Zellbiologie, HBIGS) auf, die im Rahmen der Exzellenzinitiative an der Universität Heidelberg durchgeführt werden. Nachdem die Bewerbungsfristen für BBW ForWerts abgelaufen sind, haben die meisten Doktoranden ihre Promotionsstudien begonnen. Der erste gemeinsame Workshop im Rahmen des Programms fand in Heidelberg statt.

Interdisziplinärer Dialog für eine nachhaltige Bioökonomie

Prof. Dr. Thomas Rausch, Koordinator des Graduiertenprogramms BBW ForWerts © Universität Heidelberg

Die an BBW ForWerts beteiligten Forschungsstandorte umfassen unter anderem Pflanzenphysiologie, Agrar- und Forstwissenschaft, Chemie, Verfahrenstechniken und Ökonomie. So sollen sich die jungen Forscher schon während der Promotionsphase in fachübergreifenden Dialogen üben. Auch der frühzeitige Kontakt mit Unternehmen, die bereits im Bereich Bioökonomie tätig sind, gehört dazu, betonte Thomas Rausch: „Wenn die Forschungsprojekte erfolgreich sind und ein umfassender interdisziplinärer Austausch in BBW ForWerts gelingt, dann werden unsere Absolventen gesellschaftliche Multiplikatoren sein – mit einem gestärkten Bewusstsein für die Herausforderungen einer auf Nachhaltigkeit ausgerichteten Bioökonomie."

Nach der Definition des Bioökonomierats der Bundesregierung ist Bioökonomie „die wissensbasierte Erzeugung und Nutzung biologischer Ressourcen, um Produkte, Verfahren und Dienstleistungen in allen wirtschaftlichen Sektoren im Rahmen eines zukunftsfähigen Wirtschaftssystems bereitzustellen". Diesen Ansatz in die wirtschaftliche Praxis umzusetzen, stellt unsere hoch entwickelten Industrienationen vor gewaltige Herausforderungen, erklärte Rausch. Darauf vorzubereiten ist das Ziel des Graduiertenkollegs. Im Kern geht es um den Wechsel von erschöpflichen, fossilen Energieträgern und Rohstoffquellen hin zu einer nachhaltigen Nutzung von Tieren, Pflanzen und Mikroorganismen. Drei fach- und standortübergreifende Forschungsbereiche stehen bei BBW ForWerts im Fokus:

(1) „Mikroalgen – ihre integrierte Nutzung für die Ernährungs- und Futtermittelindustrien“

Untersucht werden Mikroalgen als Rohstoffquelle und als Lieferanten von alternativen Materialien und Wertstoffen. Mit industriell gezüchteten Mikroalgen lässt sich ohne Verbrauch wertvoller Ackerfläche eine weit höhere Biomasse als mit konventionellen Energiepflanzen produzieren. Damit stellen sie eine wertvolle alternative Rohstoff- und Energiequelle dar, vor allem, wenn man sich vor Augen hält, dass die weltweit verfügbaren landwirtschaftlichen Nutzflächen rasant schrumpfen und die Weltbevölkerung weiterhin wächst – bis zum Jahr 2050 auf über neun Milliarden (siehe BIOPRO-Dossier: Mikroalgen als Energielieferanten?).

(2) „Biogas – nachhaltige und flexible Wertschöpfungsketten in Baden-Württemberg“

Hierzu gehören die Aufbereitung von landwirtschaftlichen Abfällen, Kompost, Gülle und anderen Substraten, ihre Konversion (Umwandlung) und die Nutzung der Konversionsprodukte für die Biogasgewinnung sowie die damit verbundenen ökonomischen, ökologischen, ethischen und sozialen Auswirkungen (siehe BIOPRO-Dossier: Biogas – die Energie der Zukunft?).

(3) „Lignozellulose – Entwicklung einer alternativen Rohstoffplattform für neue Materialen und Produkte“

Rohstoff für Lignozellulose (Holzeinschlag im Grunewald). © EDJ

Im Gegensatz zur Biogaserzeugung steht eine wirtschaftliche Lignozellulose-Nutzung noch in den Anfängen. Sie ist aber für das Ziel eines nachhaltigen, zukunftsfähigen Wirtschaftssystems von enormer Bedeutung.

Lignozellulose ist die häufigste Form von Biomasse auf unserem Planeten. Holz, Stroh und landwirtschaftliche Abfälle bestehen zu über 90 Prozent aus Biopolymeren, und über 90 Prozent davon sind Zellulose, Hemizellulosen und Lignin. Während der Abbau der polymeren Kohlenhydrate Zellulose und Hemizellulose zu monomeren Zuckermolekülen für sich genommen dank der Entdeckung und Entwicklung von Zellulasen und ähnlichen Enzymen rasch und mit hohem Wirkungsgrad durchgeführt werden kann, ist der enzymatische Abbau des phenolischen Polymers Lignin mühsam; er kann Wochen oder Monate dauern. In Lignozellulose-Biomasse bilden die drei polymeren Komponenten miteinander Komplexe, in denen die molekularen Bindungen durch Enzyme nur schwer angegriffen werden können. Bislang können diese Komplexe im großen Maßstab nur unter klassisch chemischen Bedingungen abgebaut werden - zum Beispiel durch harsche Schwefelsäurebehandlung bei hohen Temperaturen und Drucken. Die Konzipierung von Bioraffinerien zum Aufschluss und zur Herstellung neuer Produkte und Produktentwicklungen aus Lignozellulose unter nachhaltigen ökologischen Bedingungen ist daher eine Schlüsselaufgabe  der Bioökonomie.

Im Forschungsbereich Lignozellulose von BBW ForWerts sollen diese Bedingungen im Einzelnen erarbeitet werden. Es geht unter anderem um die Aufbereitungsmethoden und Modifizierungen der Lignozellulose-Biomasse sowie die Prozesswege und Wertschöpfungsketten für die Entwicklung neuer Produkte und Materialien. Dazu sind Systemanalysen und Prozess-Simulationen erforderlich. Nicht zuletzt sollen die sozialen Rahmenbedingungen erforscht werden, unter denen eine ökologische, zukunftsfähige Nutzung von Lignozellulose ermöglicht wird.

Die Fachkompetenz der beteiligten Institutionen, der fächerübergreifende Ansatz der Projekte und der für die Kommunikation und Netzwerkbildung optimale Rahmen des Graduiertenprogramms BBW ForWerts mit seinen Sommerschulen, wissenschaftlichen Tagungen und Begleitprogrammen bilden die Voraussetzungen, unter denen die jungen Wissenschaftler an der Realisierung eines zukunftsfähigen Wirtschaftssystems arbeiten.

Seiten-Adresse: https://www.biooekonomie-bw.de/fachbeitrag/aktuell/das-baden-wuerttembergische-biooekonomie-graduiertenprogramm-bbw-forwerts