Das ZSW Stuttgart macht Holz und Strom zu Erdgas
Dass fossile Energieträger durch erneuerbare ersetzt werden können, ist beruhigend. Doch die Tücken stecken wie immer im Detail. Wie etwa bei der Speicherkapazität für Strom aus Sonne und Wind. Oder bei der Nutzung von Biomasse zur Gewinnung von Erdgasersatz. Das Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) am Standort Stuttgart hält hierfür Lösungen parat. So gelingt es ihm, nicht nur aus Holz, sondern auch aus Strom hochwertiges Erdgassubstitut zu produzieren. Außerdem hat es gerade einen Weltrekord im Wirkungsgrad von Dünnschichtsolarzellen aufgestellt.
Wie der Name der Forschungseinrichtung schon sagt, sind die Wissenschaftler am ZSW neben Sonnenenergie auch auf die chemische Verbindung Wasserstoff aus. Bei der Erzeugung von Gas aus Biomasse bringt diese Verbindung einen großen Vorteil mit sich: Je wasserstoffreicher das erzeugte Produktgas, desto geeigneter ist es, um es in Erdgassubstitut, sprich Methan, umzuwandeln.
Absorption am Ursprung des Geschehens
Die Methode, mit der die Forscher das wasserstoffreiche Produktgas erzeugen, nennen sie das AER-Verfahren. Anders als in einer Biogasanlage, in der die Biomasse fermentativ abgebaut wird, arbeitet dieses Verfahren thermochemisch. Dafür werden zwei Wirbelschichtreaktoren miteinander gekoppelt. Im ersten Reaktor wird die Biomasse bei Temperaturen von 600 bis 800 Grad Celsius mit Wasserdampf vergast. Es entsteht ein Produktgas und Restkoks. Der Restkoks wird im zweiten Reaktor verbrannt und liefert so die Wärme für den Vergasungsreaktor. Clou am Verfahren ist der Einsatz eines Absorptionsmittels für das bei der Vergasung entstehende Kohlendioxid (CO2). So zirkuliert zwischen den Reaktoren beispielsweise gebrannter Kalk, der das unerwünschte CO2 an sich bindet und ein wasserstoffreiches, teerarmes Gas übrig lässt. Daher der Name AER – Absorption Enhanced Reforming. Das mit CO2 beladene Absorptionsmittel wird unter der Verbrennungshitze im zweiten Reaktor wieder regeneriert und zum Vergasungsreaktor zurückgeführt.
Prinzip des AER-Prozesses zur kontinuierlichen Biomassevergasung in einer 2-Bett-Wirbelschicht (WS). Umlaufendes CO2-Sorbens dient als „CO2-Pumpe“. CaO trennt als Sorbens während der Vergasung CO2 ab. Gebildetes Carbonat wird durch Verbrennen von Restkoks unter CO2-Freisetzung regeneriert und in den Vergaser rückgeführt.
© ZSW
Bio-Ersatz für das Erdgasnetz
„Mit dem AER-Verfahren erreichen wir einen Wasserstoffgehalt im Produktgas von 65 bis 70 Prozent“, betont der zuständige Experte Dr. Ulrich Zuberbühler. Natürlich könne das Produktgas aus der Biomassevergasung direkt der Erzeugung von Strom und Wärme dienen, oder aber der Herstellung reinen Wasserstoffs, erklärt er. Aber der entscheidende Vorteil liege darin, dass es ohne weitere Aufbereitung im Methanisierungsreaktor zu Methan umgewandelt und so direkt ins Erdgasnetz eingespeist werden könne. Substitute Natural Gas (SNG) heißt der regenerative Ersatz für das fossile Erdgas im Fachjargon. Und noch ein weiteres Argument spricht für das Verfahren. So wird es spielend mit ligninreicher Biomasse wie Holz oder Stroh fertig, welche fermentativ in der Biogasanlage kaum aufzuschließen sind.
Biomassevergasung im kommerziellen Maßstab
Voraussichtlich 2011 soll die erste kommerzielle Anlage nach dem AER-Verfahren gebaut werden. Die 10-MW-Anlage entsteht im baden-württembergischen Geislingen an der Steige nahe dem Biosphärengebiet „Schwäbische Alb“, aus dem sie mit Holz und holzartigen Reststoffen gespeist wird. „Zweieinhalb Tonnen Holz gehen stündlich in die Anlage“, beschreibt Zuberbühler die Dimension. Betreibergesellschaft ist die Technologieplattform Bioenergie und Methan (TBM). Ein Verbund aus regionalen Stadtwerken, der vom Bundesumweltministerium mit 3,6 Millionen Euro sowie vom Land Baden-Württemberg mit 500.000 Euro unterstützt wird. Den Rest der rund 20 Millionen Euro teuren Anlage müssen die Gesellschafter selbst aufbringen. Um die Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten in Sachen Biomassevergasung weiter voranzubringen, initiierte das ZSW im vergangenen Jahr die FuE-Plattform „Biomass-to-Gas“, die eng mit der Demonstrationsanlage in Geislingen verknüpft sein wird.
"Power to Gas" – Strom zu Gas
Neben „Biomass-to-Gas“ gelingt den ZSW-Forschern aber noch eine andere Umwandlung zu Gas, nämlich die aus Strom. Wenn am regenerativen Energiemarkt bei strahlend blauem Himmel und steifer Brise schnell Überkapazitäten entstehen, bietet das Verfahren „Power-to-Gas“ die Möglichkeit, aus Strom einspeisefähiges Erdgassubstitut zu produzieren. Der regenerative Strom wird dann zur elektrolytischen Erzeugung von Wasserstoff herangezogen. Zusammen mit CO2 reagiert dieser in einem Methanisierungsreaktor zu Methan und kann abermals als umweltneutraler Erdgasersatz ins Netz eingespeist werden. „So lässt sich die gute Infrastruktur des Erdgasnetzes nutzen und Energie aus Sonne und Wind in Kavernen speichern“, verdeutlicht Zuberbühler erneut den Vorteil der SNG-Herstellung.
Solarzelle mit weltweit höchstem Wirkungsgrad
Sein Potenzial für innovative Entwicklungen zeigte das ZSW erst kürzlich im Geschäftsbereich Photovoltaik. So entwickelten die Stuttgarter Solarforscher eine Dünnschichtsolarzelle mit dem weltweit höchsten Wirkungsgrad von 20,3 Prozent. Die Erkenntnisse aus der Effizienzsteigerung im Labor fließen beim Industriepartner in die Fertigung von Solarmodulen ein, um so die Rendite von Photovoltaikanlagen weiter zu erhöhen.
Renommee an drei Standorten
Die drei ZSW-Standorte - von links nach rechts: Stuttgart - Widderstall - Ulm
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Stuttgart bildet nur einen von drei Standorten des ZSW. Neben den drei Fachgebieten „Photovoltaik: Materialforschung“, „Photovoltaik: Module Systeme Anwendungen“ sowie „Regenerative Energieträger und Verfahren“ beheimatet es hier noch das Fachgebiet „Systemanalyse“, aus dem Politikberatungen oder Machbarkeitsstudien für den Bereich Erneuerbare Energien hervorgehen. In Ulm liegt der Schwerpunkt bei der Erforschung von Energietechnologien aus der Elektrochemie wie Akkumulatoren und Brennstoffzellen. Derzeit entsteht hier das eLaB, ein neues Laborgebäude für die Entwicklung von Hochleistungsbatterien und Batterie-Sicherheitstests. Am zwischen Ulm und Stuttgart gelegenen Standort Widderstall schließlich testen die Forscher Photovoltaikanlagen und -systeme unter realen Betriebsbedingungen im Freiland.
Das ZSW, das 1988 vom Land Baden-Württemberg zusammen mit Universitäten, Forschungseinrichtungen und Unternehmen als Stiftung gegründet wurde, beschäftigt rund 200 Wissenschaftler, Ingenieure und Techniker. Es zählt zu den renommiertesten Forschungsinstituten auf den Gebieten Photovoltaik, Energiesystemanalyse, regenerative Kraftstoffe, Batterietechnik und Brennstoffzellen.