Konventioneller Maiskolben
© Gerd Spelsberg / www.biosicherheit.de
Ratten, die lebenslang mit genmodifiziertem Mais gefüttert werden, erleiden schwere gesundheitliche Schäden und sterben früh, so die Aussage der Wissenschaftler Gilles-Eric Séralini und Kollegen. In einer zweijährigen Studie an der Universität in Caen untersuchten sie die gesundheitlichen Auswirkungen der Maissorte NK603 auf Ratten. NK603 ist durch ein zusätzlich eingebrachtes Gen resistent gegenüber dem Breitbandherbizid Roundup und EU-weit zur Verwendung in Lebens- und Futtermitteln zugelassen. Neben dem Mais wurde auch der Einfluss von Glyphosat (Wirkstoff von Roundup) auf die Gesundheit der Ratten erforscht.
Für den Versuch kamen zehn Gruppen mit je zehn männlichen und zehn weiblichen Tieren zum Einsatz. Drei Gruppen wurden dabei mit unterschiedlichen Konzentrationen des NK603-Mais gefüttert. Drei weitere Gruppen erhielten NK603-Mais, der zuvor mit dem Herbizid behandelt wurde und drei Gruppen bekamen mit Roundup versetztes Trinkwasser, ebenfalls unterschiedlich konzentriert. Die letzte Gruppe diente als sogenannte Kontrollgruppe. Sie bekam konventionellen Mais und Trinkwasser ohne das Herbizid. Aus den Ergebnissen folgerten die Wissenschaftler: 70 % der Rattenweibchen und 50 % der Rattenmännchen, die mit ihrer Nahrung unterschiedliche Mengen des NK603-Mais zu sich nahmen, erkrankten an Tumoren oder erlitten Leber- und Nierenschäden, die zu einem frühzeitigen Tod der Tiere führten. In der Kontrollgruppe lag die Sterberate dagegen nur bei 20 % beziehungsweise 30 %.
Was ist dran an der Studie?
Liest man die publizierten Ergebnisse des Forscherteams um Séralini, kommen schnell Zweifel an der Unbedenklichkeit genmodifizierter Pflanzen auf. Die französische Wochenzeitung „Le nouvel Observateur“ bezeichnet gentechnisch veränderte Organismen in diesem Zusammenhang als „Gift“ und betont deren verheerende Wirkung. Auch die französische Regierung reagiert auf die Studie und verlangt ein EU-weites Verbot von genmodifizierten Lebensmitteln, falls sich die Resultate bestätigen sollten.
Gleichzeitig werden aber auch Stimmen laut, die an der Aussagekraft der Studie zweifeln. So wurde beispielsweise ein Rattenstamm (Sprague-Dawley) gewählt, der nach dem Ernährungsforscher Tom Sanders vom King’s College London für seine Anfälligkeit für Krebserkrankungen, insbesondere bei unbegrenzter Futtermenge, bekannt ist. Der Verband für Biologie, Biowissenschaften und Biomedizin in Deutschland (VBIO e. V.) kritisiert darüber hinaus „statistische Mängel“. Demnach waren die einzelnen Gruppen zu klein gewählt, um einen signifikanten Unterschied zu erhalten. Die Zahlen liegen „im Rahmen normaler statistischer Schwankungsbreiten“.
Séralini verwies in einem Interview mit der Tageszeitung taz darauf, dass der Rattenstamm bereits bei Versuchen zur Zulassung des NK603-Mais verwendet wurde und versicherte, den Versuchstieren ein „ausgewogenes Standardfutter“ gegeben zu haben. Den Vorwurf der zu klein gewählten Versuchsgruppen entkräftete er mit dem hohen finanziellen Aufwand, den eine Krebsstudie mit beispielsweise 50 Tieren je Geschlecht bedeutet hätte.
Der US-Konzern Monsanto, der sowohl Saatgut der Maissorte NK603 als auch das Breitbandherbizid Roundup vertreibt, äußerte sich bereits zu den erhobenen Vorwürfen. In einer offiziellen Stellungnahme bemängelt das Unternehmen unter anderem die Unvollständigkeit statistischer Analysen sowie fehlende Angaben zum Dosis-Wirkung-Verhältnis. Die Studie besitze seiner Meinung nach für Zwecke der Sicherheitsbewertung keine Relevanz.
Eingangsschild, Dienstsitz des Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, Berlin
© BVL / Gloger
Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) ist derzeit dabei die Studie eingehend zu prüfen und ein wissenschaftliches Gutachten zu erstellen. Damit steht sie der EU-Kommission, die letztlich die Entscheidung über die Zulassung gentechnisch veränderter Organismen in Europa fällt, beratend zur Seite. Die EU-Staaten haben die Möglichkeit, ihre Erkenntnisse an die EFSA weiterzugeben und somit auch Einfluss auf das wissenschaftliche Gutachten zu nehmen. Die dafür zuständige deutsche Behörde ist das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL), das zusammen mit dem Bundesamt für Naturschutz (BfN) und dem Robert Koch-Institut (RKI) Anmerkungen formuliert. Darüber hinaus werden Stellungnahmen des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) und des Julius Kühn-Instituts (JKI) berücksichtigt.
Eine "vorläufige wissenschaftliche Bewertung" will die EFSA Anfang Oktober veröffentlichen.
Literatur:
Séralini G-E., Clair E., Mesnage R., Gress S., Defarge N., et al: Long term toxicity of a Roundup herbicide and a Roundup-tolerant genetically modified maize. Food and Chemical Toxicology. https://www.biooekonomie-bw.dedx.doi.org/10.1016/j.fct.2012.08.005