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Effiziente Kraftstoffgewinnung aus Rest- und Abfallstoffen

Erdgas gilt im Vergleich zu Rohstoffen wie Kohle oder Öl verhältnismäßig klimafreundlich. Das Problem: Auch Erdgas ist ein fossiler Brennstoff, der anthropogene CO2 -Emissionen verursacht. In einem Verbundvorhaben analysieren Wissenschaftler und Ingenieure daher, wie aus biogenen Rest- und Abfallstoffen wie Holz, Klärschlamm oder Biomasse-Mixturen, gasförmige Ersatzkraftstoffe erzeugt werden können. Der innovative Ansatz dabei: Der Kohlenstoff der eingesetzten Biomasse soll möglichst vollständig und effizient ausgenutzt werden. Zusätzlich soll die bei der Umwandlung in Methan anfallende Wärme in die Biomassevergasung und die Elektrolyse integriert werden. Der erzeugte Wasserstoff wird zur Methanerzeugung genutzt, wohingegen der Sauerstoff als Vergasungsmittel dient. So soll eine hohe Effizienz des Gesamtprozesses errreicht werden.

Dr. Frank Graf, Projektkoordinator des Verbundprojekts „Innovative Erzeugung von SNG und CNG aus biogenen Rest- und Abfallstoffen (Res2CNG)“. © DVGW-Forschungsstelle am Engler-Bunte-Institut des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT)

Die Vorstellung ist verlockend: Aus Klärschlamm, Stroh oder Holzpellets regeneratives Erdgas zu produzieren, welches in das bestehende Erdgasnetz eingespeist wird und nach Transport und abschließender Verdichtung als Kraftstoff in Form von CNG (compressed natural gas) dient. Durch Verflüssigung kann es auch als Bio-LNG (liquid natural gas) genutzt werden und hat großes Potential, vor allem im Schwerlastverkehr. Wissenschaftler der Forschungsstelle des Deutschen Vereins des Gas- und Wasserfaches e. V. (DVGW) am Engler-Bunte-Institut des Karlsruher Instituts für Technologie verfolgen hierbei eine weitere Idee: Anstatt, wie üblich, lediglich Kohlenstoffmonoxid zu methanisieren und Kohlenstoffdioxid abzutrennen, soll möglichst der gesamte, in der Biomasse vorkommende Kohlenstoff in Methan umgewandelt werden. Aus biogenen Rest- und Abfallstoffen wird zunächst über eine Wirbelschichtvergasung Synthesegas hergestellt. Um den Kohlenstoff vollständig umwandeln zu können, wird Wasserstoff aus einer effizienten Hochtemperatur-Elektrolyse bereitgestellt. In Methanisierungsreaktoren wird das Gasgemisch danach zu künstlichem Methan, dem Hauptbestandteil von Erdgas, umgewandelt. Nach einer Reinigung kann es in das bestehende Gasnetz eingespeist werden.

Für das seit September 2015 für drei Jahre angelegte Verbundprojekt „Innovative Erzeugung von SNG (synthetic natural gas) und CNG aus biogenen Rest- und Abfallstoffen (Res2CNG)“ hat die DVGW-Forschungsstelle mit Dr. Frank Graf die Gesamtprojektkoordination übernommen. Weitere beteiligte Partner sind das EIfER Europäisches Institut für Energieforschung EDF-KIT EWIV, das Institut für Feuerungs- und Kraftwerkstechnik (IFK, Universität Stuttgart) und das Institut für Energiewirtschaft und Rationelle Energieanwendung (IER, Universität Stuttgart).

Holz, Stroh und Klärschlamm als Einsatzstoffe zur Wirbelschichtvergasung

Für die experimentelle und theoretische Betrachtung der methanbasierten Kraftstofferzeugung haben die beteiligten Projektpartner einen stringenten Arbeitsplan aus fünf Arbeitspaketen (AP) erstellt. Die ersten beiden AP umfassen die Projektkoordination und die Analyse der Vergasung verschiedener biogener Ausgangsstoffe, bis hin zur Heißgasreinigung. Um das stofflich und energetisch optimale Verfahren herauszufiltern, werden verschiedene Prozessketten mit verschiedenen Einsatzstoffen getestet und untereinander verglichen. Für eine Vielzahl von biogenen Abfall- und Reststoffen konnten Brennstoffe bezüglich ihrer Elementarzusammensetzung, Wasser- und Aschegehalt sowie Brennwert analysiert werden. Neben der drucklosen Vergasung als Stand der Technik, wird im Projekt auch die Vergasung bei erhöhtem Druck untersucht.

Als Ausgangsstoff für die Vergasung dient Holz oder ein Mischbrennstoff aus Holz, Stroh und Klärschlamm. Das erzeugte Synthesegas wird anschließend in einer Heißgasreinigung behandelt, welche im Vergleich zu konventionellen Verfahren keine Abkühlung des Gases erfordert. Die Hochtemperatur-Elektrolyse ermöglicht es, Dampf anstatt flüssigem Wasser zur Wasserstofferzeugung zu nutzen, wodurch die Effizienz der Elektrolyse erheblich gesteigert wird. In der nachfolgenden Methanisierungsstufe kann ein Gas erzeugt werden, welches den gesetzlichen Richtlinien zur Nutzung als CNG-Kraftstoff entspricht. „Wir haben für die Methanisierung spezielle Reaktoren entwickelt, die das Synthesegas effektiv zu Methan umwandeln“, erklärt Graf. Alternativ kann auch LNG in einem nachfolgenden Verflüssigungsschritt mittels eines Kältemittelkreislaufs gewonnen werden.

Zur Flexibilisierung des Anlagenbetriebs wird ein weiteres Szenario untersucht, bei dem aus einem Biomassemix das CNG nach perspektivischen Grenzwerten (90 % Methan, 10 % Wasserstoff) gewonnen werden soll. Graf hebt die perspektivische Ausrichtung einer der verschiedenen Prozessketten hervor, bei der Vergasung und Elektrolyse optional im Teillastbereich gefahren werden sollen. „Somit können wir – kombiniert mit einem zusätzlichen Speicher für das abgeschiedene CO2 – den Kohlenstoff vollständig nutzen. Das CO2 wird in Zeiten geringer Strompreise eingekoppelt und die Elektrolyse mit Maximallast betrieben.“

Erzeugung des Synthesegases für die Methanisierung

Verfahrensfließbild des innovativen Res2CNG-Prozesses zur effizienten Herstellung von CNG und LNG aus biogenen Reststoffen. © DVGW-Forschungsstelle am Engler-Bunte-Institut des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT)

Bisher hat das Team um Graf Daten aus der Zweibett-Wasserdampfvergasung gesammelt. Hierbei wird die für die Vergasung notwendige Energie in einem Verbrennungsreaktor erzeugt und durch zirkulierendes Bettmaterial dem Vergasungsreaktor bereitgestellt. Das im Verbrennungsteil des Vergasers freiwerdende CO2 wird üblicherweise verworfen. „Da der Kohlenstoff in der Prozesskette vollständig genutzt werden soll, ist es – im Gegensatz zu sonstigen Prozessketten zur SNG-Erzeugung – nicht sinnvoll, das im Prozess entstehende CO2 auszuschleusen“, erläutert der Projektkoordinator. Daher wird im Projekt eine sogenannte Einbett-Wasserdampf-Sauerstoff-Vergasung etabliert. Hierbei wird der in der Elektrolyse anfallende Sauerstoff genutzt. Die Verbundpartner haben dazu im IFK in Stuttgart eine entsprechende Infrastruktur mit einer atmosphärischen Wirbelschichtanlage etabliert. Die hohen Austrittstemperaturen von 800 – 850 °C können in die nachfolgende Hochtemperatur-Elektrolyse integriert werden.

Für die Teerabscheidung erarbeitet das Team einen Heißgasreinigungsschritt. „Bei der Gasreinigung sollte die Temperatur nicht unterhalb von 300 °C gesenkt werden, damit wir das Gas für den Methanisierungsschritt nicht wieder erwärmen müssen“. Nach dem jetzigen Stand der Technik wird die Gaswäsche bei Temperaturen unter 100°C durchgeführt, wodurch sich der Gesamtwirkungsgrad verschlechtern würde.

Demonstrationsanlage zur Methanisierung in metallischen Wabenkörpern. © DVGW-Forschungsstelle am Engler-Bunte-Institut des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT)

Die Wasserdampf-Sauerstoff-Vergasung wird in einer atmosphärischen Wirbelschichtanlage untersucht. Mit Hilfe der aus den Versuchen ermittelten Daten wurde ein Modell der Vergasung erstellt, um einen optimierten Betrieb bei Drücken bis 20 bar zu simulieren. Es konnten Stoffbilanzen bei vollständigem Kohlenstoffumsatz berechnet werden. Auch im anschließenden Arbeitspaket, der Analyse und der Durchführung von Experimenten zu Methanisierungstechnologien, konnten die beteiligten Partner nennenswerte Fortschritte erzielen. Als Ausgangsgase wurden die aus der Vergasung stammenden Gaszusammensetzungen eingesetzt. Parameter wie Temperatur, Druck und Zusammensetzung der entstandenen Produktgase wurden ermittelt und ein-, sowie zweistufige Methanisierungskonzepte für den Anwendungsfall entwickelt.

Dem Team um Graf ist der erste Meilenstein geglückt. „Wir konnten bisher die Machbarkeit aller einzelnen Arbeitspakete aufzeigen. Die Umwandlung der verschiedenen Ausgangsstoffe in Synthesegas, sowie die Gasreinigung zur Einführung in den Methanisierungsschritt, konnten wir theoretisch berechnen und experimentell validieren. Die gewonnenen Daten und Modelle werden nun zum Gesamtprozess verschaltet.“

Die entstehende Prozesskette wird im nächsten Schritt thermisch integriert, weiter optimiert und abschließend techno-ökonomisch im Vergleich zum Stand der Technik bewertet. Graf stellt klar: „Wir konnten erste Erkenntnisse gewinnen. Da jedoch noch keine Anlagen im Megawatt-Bereich existieren, ist eine eindeutige Kostenanalyse zum jetzigen Zeitpunkt schwierig. Unser Ziel ist es, bis Projektende im September 2018 die Kraftstoff-Entstehungskosten ermitteln zu können. Außerdem wollen wir einen validen Kostenvergleich mit anderen Power-to-CNG-Verfahren zur Bereitstellung biomassebasierter Kraftstoffe anstellen“. Diese Erkenntnisse können einen entscheidenden Beitrag in Richtung Kraftstofferzeugung aus biobasierten Materialien als Alternative zum fossilen Rohstoff liefern.

Seiten-Adresse: https://www.biooekonomie-bw.de/fachbeitrag/aktuell/effiziente-kraftstoffgewinnung-aus-rest-und-abfallstoffen