Feine Aromen aus Biogas
Ein wichtiger Ausgangsstoff fruchtiger Aromen für die Lebens- und Futtermittelindustrie sowie für die Kosmetikbranche ist die Buttersäure. Bei der Biogasproduktion fällt sie als Zwischenprodukt an. Dort könnte sie abgezweigt und zur Aromaproduktion genutzt werden – das technologische und bioökonomische Potenzial dieser Verwertung lotet ein neues Verbundprojekt aus.
Dr. sc. agr. Hans Oechsner von der Landesanstalt für Agrartechnik und Bioenergie
an der Universität Hohenheim ist Koordinator des Verbundprojekts.
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Es ist schon erstaunlich, welche Wohlgerüche durch Veresterung der stechend und äußerst unangenehm riechenden Buttersäure entstehen. Parfum, Liköre, Säfte – das gewisse aromatische Etwas erhalten diese Produkte häufig durch Zusatz von Buttersäureester, deren Geruch an Apfel, Ananas, Aprikose oder Erdbeere erinnert. Das hat seinen Grund, denn diese Ester kommen tatsächlich natürlicherweise in Früchten und anderen Pflanzenteilen vor. Die Buttersäure selbst fällt unter anderem bei der Vergärung von pflanzlichem Material in der Biogasproduktion an. Butter- oder chemisch Butansäure ist ein Stoffwechselprodukt der Mikroorganismen, die die pflanzlichen Substrate zersetzen. Sie arbeiten anaerob, brauchen also keinen Sauerstoff für ihren Stoffwechsel. Damit sind sie die Idealbesetzung für die großen Bioreaktoren (Fermenter), in denen die Vergärung bei der Biogasproduktion abläuft.
Jörg Steinbrenner bearbeitet das Projekt „Optigär“ im Rahmen seiner
Doktorarbeit.
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Forscher der Universität Hohenheim und ihre Projektpartner vom Fraunhofer Fraunhofer-Institut für Chemische Technologie ICT, vom EIfER Europäisches Institut für Energieforschung EDF-KIT EWIV und der LIPP GmbH untersuchen im Verbundvorhaben „Entwicklung effizienter zweiphasiger Biogasanlagen über eine gekoppelte energetische und stoffliche Nutzung nach Abtrennung von Hydrolyseprodukten (Optigär)”, wie man bei der Biogasproduktion eine Art Bypass legen könnte, um die Buttersäure – und vielleicht auch andere wirtschaftlich interessante Carbonsäuren – abzuschöpfen. Da die Säuren für die Biogasproduktion nicht gebraucht werden, dürfte das den Prozessablauf nicht weiter stören. Allerdings könnte die Buttersäuregewinnung zulasten der Menge an Biogas gehen, die eine bestimmte Substratmenge gewöhnlich abwirft. „Schließlich entnehmen wir organische Substanz, die für den Prozess dann nicht mehr zur Verfügung steht. Inwiefern das wirtschaftlich relevant ist, müssen wir noch untersuchen“, sagt Dr. sc. agr. Hans Oechsner, Leiter der Landesanstalt für Agrartechnik und Bioenergie an der Universität Hohenheim. Er ist Koordinator des Verbundprojekts, das von seinem Doktoranden M.Sc. Jörg Steinbrenner bearbeitet wird. Mit Mitteln des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) wird das gesamte Verbundvorhaben „Optigär“ unter der Projektträgerschaft der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e. V. (FNR) mit rund 800.000 Euro gefördert.
Silierung: nicht geschüttelt, nicht gerührt
Auf der Suche nach einem geeigneten Substrat machten die Hohenheimer Forscher die ersten Versuche mit angewelktem Gras. „Im großen Maßstab wollen wir von Grassilage ausgehen, da sie ein lagerstabiles, einfach zu beschaffendes Substrat ist, das häufig zur Biogasproduktion eingesetzt wird“, erklärt Oechsner.
In solchen Siliergläsern erfolgt im Optigär-Projekt die Umsetzung der
organischen Substanz, in diesem Fall Gras, zu Säuremischungen.
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Grassilage enthält natürlicherweise einen ganzen Zoo an Mikroorganismen. Hier gilt es, diejenigen besonders zu fördern, die viel Buttersäure herstellen. „Über die gezielte Wahl der Umgebungsbedingungen im Bioreaktor wie Temperatur und pH-Wert wollen wir bestimmte Mikroorganismen fördern und andere hemmen. Gerührt wird jedoch nicht“, sagt Steinbrenner. Normalerweise dominieren zu Beginn der etwa 90-tägigen Silierzeit Milchsäurebakterien, die eben genau das, also Milchsäure produzieren. Diese kann später von anderen Bakterien, den Clostridien, zu Buttersäure verarbeitet werden. Der Vorgang findet vor allem statt, wenn der pH-Wert der Silage durch die Milchsäurebildung nicht weit genug absinkt um die Biomasse zu konservieren – dann übernehmen mit der Zeit die Clostridien die Vorherrschaft.
Auch an anderen Schrauben drehen die Forscher. Sie reduzieren zum Beispiel den Anteil an Trockensubstanz, indem sie Wasser oder feuchtes Substrat aus verschiedenen Stufen der Biogasgewinnung zugeben. Eine der frühen Stufen ist die Hydrolyse. Sie läuft je nach Anlage zusammen oder getrennt von den weiteren Umsetzungen in zunehmend kleinmolekulare Produkte ab. „Unser Ziel ist ein zweistufiges Verfahren, um durch die räumliche und zeitliche Trennung mehr Einflussmöglichkeiten auf die Gärprozesse und die jeweils beteiligten Mikroorganismen zu haben“, so Oechsner. Alternativ untersucht er mit seinem Team auch, ob es Sinn macht, ohne Silierung ausschließlich das Substrat aus der Hydrolyse zur Buttersäuregewinnung zu verwenden. So oder so ist es prozess- und gerätetechnisch eine Herausforderung, die richtigen Bedingungen zu finden, um wirtschaftlich verwertbare Mengen an Buttersäure zu erhalten, die zudem auch noch so rein wie möglich anfallen sollten. Deshalb arbeiten die Hohenheimer Forscher mit externen Spezialisten für Trenntechnik zusammen.
Das Substrat soll auf die „richtige“ Weise „verderben“
Der Presssaft aus verschiedenen Siliervarianten (z. B. mit Pufferzusatz),
weist unterschiedliche Farben auf.
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Das Fraunhofer-Institut für Chemische Technologie ICT in Pfinztal bringt Know-how ein, um die Buttersäure mithilfe spezieller Membranen von anderen Stoffwechselprodukten zu trennen. „Die Idee ist, das Material aus dem Fermenter abzupressen und den Presssaft dann über Membranen zu filtern und über ein Extraktionsverfahren aufzukonzentrieren, um eine Lösung mit hochprozentigem Säuregehalt zu bekommen“, erklärt Steinbrenner. Die verbleibenden Feststoffe können in jedem Fall wieder in den Prozess der Biogasgewinnung zurückgeführt werden. Die Verfahrensdetails werden im laufenden Projekt ausgearbeitet. Daran ist auch die Lipp GmbH aus Tannhausen im östlichen Württemberg als Projektpartner beteiligt. „Sie unterstützen uns beratend dabei, die Bedingungen zu beurteilen, unter denen möglichst viel Buttersäure erzeugt werden kann. Und sie steuern wertvolle Erfahrungen aus der Praxis der Biogaserzeugung und Silierung bei“, so Oechsner. Zusätzlich soll extern die Zusammensetzung der Population an Mikroorganismen im Prozessverlauf untersucht werden. Hiervon erhoffen sich die Forscher Erkenntnisse dazu, wann und wie die Mischung gezielt verändert werden kann, um eine bessere Ausbeute zu erhalten.
Einen wichtigen Part spielt in allen Phasen des Projekts das EIfER als weiterer Partner. Das Institut in Karlsruhe untersucht das Verfahren aus bioökonomischer Sicht und nimmt zusätzlich eine Umweltbewertung vor. Es erstellt bioökonomische und ökonomische Bilanzen und macht Potenzialabschätzungen, auch aus kommerzieller Sicht. „Sie bewerten das Life-Cycle-Management ganzheitlich. Die Potenzialabschätzungen dienen uns dann auch dazu, die passende Verwertungsrichtung zu definieren“, sagt Oechsner. Das primäre Projektziel sei es zwar, Buttersäure zu erzeugen, aber die Partner analysieren auch, welche Stoffe sonst noch bei der Substratvergärung anfallen. Bereits bekannt ist, dass auch Bernstein- oder chemisch Butandisäure entsteht – eine weitere Carbonsäure, die ebenfalls als Plattformchemikalie dient. Aus ihr werden zum Beispiel Lösungsmittel und Weichmacher synthetisiert. Die Hohenheimer Forscher denken auch über weitere Nutzungsmöglichkeiten der Carbonsäuren aus den Prozessen nach. „Die mit dem Projekt gewonnenen Erkenntnisse können zum Beispiel auch dazu führen, die Carbonsäurelösung für die Herstellung von Futtermischungen zu nutzen, um diese zu stabilisieren oder etwa, um deren bessere Verdaulichkeit zu erzielen“, so Oechsner.