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Gicon: Mit steuerbarer Biogasproduktion zum virtuellen Kraftwerk

Ein Nachteil herkömmlicher Biogasanlagen ist die fehlende Flexibilität bei der Steuerung der Energieproduktion. Die Großmann Ingenieur Consult GmbH (GICON) hat deswegen ein Verfahren entwickelt, das die Biogasproduktion einfach und schnell regeln kann. Außerdem ist es dank zweistufiger Trocken-Nass-Fermentation mit getrennter Hydrolyse in der Lage, die beiden Stufen unabhängig voneinander zu kontrollieren. Dipl.-Biologe Heribert Krämer, Leiter der GICON-Niederlassung in Konstanz, ist sich sicher, dass dies ein großer Schritt in Richtung virtuelles Kraftwerk ist.

Dipl.-Biologe Heribert Krämer ist Experte im Bereich Nassvergärungstechnologie. © Andreas Zangar

Bei einer herkömmlichen Biogasanlage dauert es Tage, bis sie vom Stillstand zur vollen Leistung hochgefahren werden kann, was ein großes Problem bei der Umsetzung des virtuellen Kraftwerks bedeutet, denn die Idee ist der Zusammenschluss kleiner, dezentraler Stromerzeuger (z.B. Photovoltaikanlagen, Windenergieanlagen oder Biogasanlagen), um die Kraftleistung von Großkraftwerken zu ersetzen. „Der einzige beeinflussbare Faktor ist die Biogasproduktion, die sich flexibel und vor allem schnell steuern lassen muss“, erklärt Heribert Krämer, Fachbereichsleiter für Nassvergärungstechnologie bei der GICON GmbH. In Kooperation mit der BTU Cottbus und vielen weiteren Forschungseinrichtungen wurde das weltweit einzigartige GICON-Biogasverfahren entwickelt, mit dem die Biogasproduktion innerhalb von nur wenigen Stunden abgeschaltet und fortgesetzt werden kann. „Diese Flexibilität ermöglicht es, Windflauten zu überbrücken oder die Anlage tagsüber bei Sonnenschein herunterzufahren“, erzählt Heribert Krämer. Außerdem ist das zweistufige Verfahren durch die Trennung von Hydrolyse und Methanisierung effektiver und umweltfreundlicher bei der Energiegewinnung als herkömmliche Biogasanlagen. Zur Erzeugung von regenerativer Energie durch Nassvergärung werden organische Substanzen zum Beispiel aus landwirtschaftlichen Abfällen oder Speiseresten genutzt, aber auch Grünschnitt und nahezu alle Pflanzensubstrate.

Mehr Flexibilität durch Trennung

Die größte Besonderheit des GICON-Verfahrens ist die Trennung von Hydrolyse und Methanisierung. Zunächst wird das Substrat (z.B. Bioabfälle oder Energiepflanzen wie Mais) in große Garagen, sogenannte Perkolatoren gefüllt. „In der ersten Stufe, der Hydrolyse, werden diese dann mit Wasser beregnet, woraufhin die organischen Bestandteile der Substratmatrix herausgelöst und in organische Säuren und andere wasserlösliche Produkte überführt werden“, beschreibt Krämer den Ablauf. Die dadurch entstandene wässrige, organisch beladene Lösung (Hydrolysat) kann nun in die zweite Stufe, die Methanisierung im Festbettreaktor, übergeführt werden. Die beiden Prozesse können auch unabhängig voneinander betrieben werden: „Man kann zum Beispiel einen Biomasseschub gut abfangen, indem man mehr perkoliert und das Perkolat im Puffer zwischenspeichert. Es kann dann auch noch Tage später im Methanreaktor abgearbeitet werden“, erklärt Heribert Krämer. Umgekehrt kann auch die Beschickung des Methanreaktors eingeschränkt beziehungsweise unterbunden werden.

Vernetzung mit Solarkraftwerken und Kompostierungsanlagen

Im GICON-Labor in Konstanz wird mithilfe von Flaschen im Wasserbad die Gasproduktion getestet © Andreas Zangar

Ganz wichtig bei der Konzeption des GICON-Verfahrens war die Möglichkeit der Einbindung in bestehende Strukturen. So funktioniert die Biogasanlage besonders gut in Kombination mit Kompostierungsanlagen, da der Müll für die Anlage genutzt und das Substrat nach der Perkolation wieder in den Kompostierungsprozess zurückgeschickt werden kann. Die Verweilzeiten in den Perkolatoren sind mit 14 bis 20 Tagen relativ kurz. So können etwa 15 bis 30 Tausend Tonnen Substrat pro Jahr verarbeitet werden. Ideal ist eine Kombination der Biogasanlage mit einem Solarkraftwerk, da so eine modulierte Steuerung der Prozesse möglich wird: „Man kann beispielsweise die Anlage nur nachts laufen lassen, um so die Defizite von Solaranlagen und auch Windkraftanlagen auszugleichen“, erklärt der Konstanzer GICON-Leiter. In der Kombination aus Abfallentsorgung und regenerativer Energien zum virtuellen Kraftwerk, das Gas-, Wärme- und Elektroenergie 24 Stunden am Tag produziert, sieht er die Zukunft: „Aufgrund der Flexibilität und dem 15-20 Vol. % höheren Methangehalt als bei herkömmlichen Anlagen ist das GICON-Biogasverfahren ein wichtiger Faktor im virtuellen Kraftwerk.“

Technik auch in Übersee gefragt

Dieses Jahr wurden zwei neue Anlagen in Erfurt und Cottbus nach dem GICON-Verfahren gebaut, jeweils mit Schwerpunkt auf Müllvergärung bzw. Maisvergärung. „In Zukunft liegt unser Schwerpunkt langfristig sicherlich auf der Müllverarbeitung, denn Mais ist einerseits teuer, andererseits müssen Abschläge beim Perkolat gemacht werden“, erzählt der Biologe. Es werden laufend neue Tests durchgeführt, um die Eignung bestimmter Substrate für die Perkolation zu bestimmen und Prozesse zu optimieren. So wird das Perkolat etwa mit verschiedenen Enzymen oder Spurenelementen angereichert, um die Energiegewinnung zu steigern. Ein weiterer Vorteil ist, dass die verschiedenen Umgebungsbedingungen wie Temperatur oder pH-Wert in beiden Verfahrensstufen getrennt geregelt und optimiert werden können.

Das von GICON entwickelte System wird nicht nur in Deutschland eingesetzt: Harvest Power Inc., eines der wichtigsten amerikanischen Unternehmen im Bereich der organischen Abfallbehandlung, hat das Verfahren lizensiert und erhält die exklusiven Rechte beim Vertrieb des patentierten GICON-Biogasverfahrens in Nordamerika.

Seiten-Adresse: https://www.biooekonomie-bw.de/fachbeitrag/aktuell/gicon-mit-steuerbarer-biogasproduktion-zum-virtuellen-kraftwerk