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Holz als Rohstoff für Plattformchemikalien

Für die Herstellung von Treibstoffen, aber auch sehr vieler unserer Alltagsgegenstände wird Erdöl benötigt – eine Ressource, die uns nicht mehr beliebig zur Verfügung steht. Nach Alternativen wird deshalb mit Hochdruck gesucht. Eine von ihnen könnte Holz sein – ein nachwachsender Rohstoff und denkbares Ausgangsmaterial für viele Produkte der chemischen Industrie. Wissenschaftler am KIT arbeiten schon seit einiger Zeit an einem Verfahren, um aus Lignin – der Gerüstsubstanz des Holzes – Aromaten für Chemikalien zu gewinnen. Nun wollen sie das etablierte Spaltverfahren in einem Kreislaufreaktor testen und weiterentwickeln.

Die Zellwände des Holzes bestehen überwiegend aus Cellulose und Lignin, langkettigen Verbindungen, die der Pflanze ihre Festigkeit verleihen. Für die Cellulose gibt es schon verschiedene Verwertungsverfahren. Für Lignin dagegen, das als eine Art Klebstoff die Cellulosefasern im Holz zusammenhält, existiert bislang noch kein nennenswertes industrielles Verwertungsverfahren. Grund dafür ist, dass es sich um sehr stabile Moleküle handelt, die chemisch schwer in ihre Bestandteile aufgespalten werden können.

Gleichzeitig ist Lignin jedoch das einzige natürliche Makromolekül, das eine Grundstruktur aus aromatischen Ringen besitzt und sich deshalb als Rohstoffquelle für sogenannte Bioaromaten anbietet. Aromaten sind wichtige chemische Bausteine mit sehr vielen Anwendungen, sowohl als Lösungsmittel als auch als Bausteine vieler unserer Alltagsgegenstände wie beispielsweise Verpackungen oder Medikamente. Zudem ist dieser natürlich nachwachsende Rohstoff nahezu unbegrenzt verfügbar und kann nicht als Lebensmittel oder als Futtermittel verwendet werden.

Alleine in der Papierindustrie fallen jährlich weltweit etwa 50 Millionen Tonnen Lignin als Nebenprodukt an, das bisher größtenteils verbrannt wird. Wie für alle nachwachsenden Rohstoffe gilt, dass die entsprechenden Plattformchemikalien etwas anders zu gewinnen sind als fossile Rohstoffe wie Erdöl oder Kohle, weil die Moleküle in der Pflanzenzelle schon höherwertig vorliegen.

Lignin-Spaltprodukte ersetzen fossile Rohstoffe

Dr. Ursel Hornung erforscht mit ihrer Arbeitsgruppe am Karlsruher Institut für Technologie (KIT), wie man aus Holz Grundchemikalien für vielerlei Produkte gewinnen kann. © KIT

Schon vor einiger Zeit hat die Landesregierung Baden-Württemberg in ihrem Bioökonomie-Programm den Forschungsverbund „Lignocellulose“ ins Leben gerufen. Teil des groß angelegten Projekts, das unter anderem die Verwertung von Lignin vorantreiben soll, ist auch Dr. Ursel Hornung mit ihrer Arbeitsgruppe am Institut für Katalyseforschung und -technologie (IKFT) des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT). Am interdisziplinär ausgerichteten Institut kann man auf eine langjährige Expertise mit der Erforschung von Umwandlungsprozessen von Biomasse zu Grundchemikalien – sogenannten Plattformchemikalien – zurückgreifen.

„Beispielsweise könnte man auch schon bei der Papierherstellung einen Teil des Lignins gewinnen, ohne den Prozess groß ändern zu müssen“, erklärt Hornung. „Da in unserem digitalen Zeitalter der Papierverbrauch ohnehin stark zurückgeht, denkt die Zellstoffindustrie sowieso schon über Alternativen nach. Das sind aber bisher alles keine hochwertigen Produkte. Wenn man Lignin weiter aufspaltet, könnte man die Spaltprodukte in vielfältiger Weise in der chemischen Industrie einsetzen und damit nennenswerte Mengen Erdöl einsparen.“

Deshalb hat sie gemeinsam mit ihrem Team schon vor sechs Jahren damit begonnen, Spaltprozesse für Lignin zu untersuchen. Dabei müssen grundsätzlich zwei verschiedene Verfahrensweisen berücksichtigt werden – je nachdem, welche Funktion die Produkte erfüllen sollen: „Plattformchemikalien haben in der Regel weitere Funktionalitäten“, erläutert Hornung. „Deshalb brauchen wir hierfür Verfahren, die die entsprechenden funktionellen Gruppen am Molekül belassen. Möchte man aber Lösungsmittel wie etwa Benzol oder Toluol herstellen, dann muss man andere Methoden wählen. Wir interessieren uns für beide Varianten.“

Bioaromaten für Lösungsmittel und Kunststoffe

Für die erste Variante, mit deren Hilfe einmal Plattformchemikalien hergestellt werden sollen, setzen die Chemieingenieure sogenannte hydrothermale Verfahren ein. Dabei wird das Lignin in Wasser bei erhöhter Temperatur und hohem Druck, damit das Wasser nicht verdampft – sogenannten nahekritischen Bedingungen –, gespalten. „Wie wir gesehen haben, wird dabei das Produktspektrum erheblich eingeschränkt“, sagt die Wissenschaftlerin. „Unter diesen Bedingungen werden Catechol oder Guajacol stärker gebildet, aber für uns immer noch zu wenig und zu unrein.“ Catechol dient als Ausgangsmaterial für Farbstoffe, Riechstoffe und Arzneimittel und könnte sich auch als Monomer für den Ersatz von Resorcin bei Formaldehydharzen eignen.

Mit diesem Kreislaufreaktor wollen die Forscher klären, wie die Spaltung von Lignin in Bioaromaten wirklich abläuft. Nur mit dieser Kenntnis können zukünftige Spaltverfahren für größere Mengen entwickelt werden. © KIT

Für die zweite Variante, der Herstellung von Lösungsmitteln, wird das Lignin so aufgespalten, dass nur die gewünschten Produkte übrigbleiben: „Diese Spaltreaktionen sind temperaturabhängig – je nachdem, welche Seitenkette übrig bleiben soll“, so Hornung. „Man kann also präzise steuern, welche Produkte man haben will. Hydrogenolyse nennen wir diesen Prozess, und er ist aus der Kohleverflüssigung abgeschaut.“ Durch Einsatz dieses Verfahrens konnten die Wissenschaftler bereits bestimmte Lösungsmittel – sogenannte BTEX-Gemische aus Benzol, Toluol, Ethylbenzol und Xylolen – erzeugen. Auch sie werden von der chemischen Industrie als Rohstoffe benötigt.

Ein weiteres wichtiges Ziel des Projekts ist die Aufklärung des Reaktionsmechanismus des Ligninabbaus, um Verfahrensentwicklungen zu optimieren. „Hierfür haben wir einen Kreislaufrektor gebaut“, berichtet die Chemikerin. „Damit wollen wir verstehen, wie die Spaltung wirklich abläuft, und welchen Einfluss Folgereaktionen haben. Polymerisationsreaktionen sind ein großes Hemmnis bei der Spaltung, weil sie zu unerwünschten Produkten führen. Ein Kreislaufreaktor kann die Rückvermischung gezielt einstellen und damit Einfluss auf die Bildung von größeren Spaltprodukten – Oligomeren – nehmen. Bestimmte Oligomere könnten neben monozyklischen Produkten durchaus interessante Eigenschaften haben.“

Abfälle aus Biomasse nachhaltig verwerten

Als Rohstoff setzt man in Karlsruhe aber nicht nur Lignin aus Holz ein, sondern man testet auch Abfallprodukte wie Rinden: „Gerade Rinden fallen sehr viel an und werden oft nur verbrannt. Da wäre es außerordentlich interessant, wenn man auch solche Abfälle verwerten könnte“, sagt Hornung. Mit Erfolg: Wie die Forscher feststellten, läuft die Reaktion auch mit Rinden sehr ähnlich ab. „Wir hätten auch schon ein mittelständisches Unternehmen aus Baden-Württemberg, das Rinden übrig hat“, so die Wissenschaftlerin. „Dies ist ein vielversprechender Abfallstoff; deshalb führen wir unsere Tests nun parallel mit Kraftlignin aus der Papierindustrie und Rindenabfällen durch.“

Um was sich die IKFT-Forscher in der nahen Zukunft aber auch noch kümmern wollen, sind Oligomere aus Lignin, das heißt Moleküle aus mehreren Einheiten. Bislang lag der Fokus auf monozyklischen Produkten. „Die Spaltung zu Oligomeren ist schwierig zu verstehen“, wie Hornung sagt. „In diesem Fall sind die Spaltverfahren noch komplizierter und die Charakterisierung noch aufwendiger.“

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