ISOCALM: Wärmedämmplatten aus Elefantengras
Das Bauen mit nachwachsenden Rohstoffen wird immer mehr zum Hype. Die Schorndorfer Firma ISOCALM GmbH hat sich auf Wärmedämmplatten aus Elefantengras spezialisiert. Das Elefantengras wird in Afrika angebaut und verarbeitet und von Deutschland aus weltweit vertrieben. Die ISOCALM Platten können als Putzträger und für Außen- als auch Innenwärmedämmung genutzt werden.
Napiergras, lat. „Pennisetum purpureum“, wird bereits seit langer Zeit von den Einwohnern Afrikas als Dämmmaterial verwendet.
© ISOCALM GmbH
Der populäre Name Elefantengras, ein Überbegriff für zahlreiche Arten von Savannengräsern, kommt daher, dass es das Lieblingsfutter der Elefanten ist. Das für ISOCALM genutzte Gras ist die Spezies lat. Pennisetum purpureum, oder auch Napiergras genannt. Es gehört zur Familie der Süßgräser. Ursprünglich kommt die Pflanzenart aus der subtropischen Zone des südlichen Afrikas, genauer: aus Simbabwe.1 Es übersteht kurze Dürrezeiten und gedeiht besonders gut in Gebieten mit hohen Jahresniederschlägen. Bisher blieb der Naturstoff Napiergras meist unbenutzt auf den Feldern in Afrika zurück und wurde verbrannt. Dort wächst das Gras wild, z.B. auf Erdnussfeldern. Es kann bis zu zwei Meter hoch werden. Wegen seines hohen Ertrages kann es in grünem Zustand als Futtermittel genutzt werden, ausgedörrt auch für die Biotreibstoff-Gewinnung.2 Das grüne Elefantengras zieht Schädlinge an und wurde deshalb im Zuge der Push-pull-Technologie als Gegenmaßnahme für den Stängelbohrer in Nordamerika eingesetzt.1 In tropischen Gegenden wird es schon seit langer Zeit zur Dachdeckung eingesetzt. Auch in der Antike wurden bereits Schilfgräser als Dämmmaterialien verwendet.
Die Idee von ISOCALM ist geboren
Der Entwickler des ISOCALM Projektes, der pensionierte Unternehmer Dipl.-Ing. Karl Schock (83).
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Karl Schock, Ingenieur und Entwickler von ISOCALM, gründete vor 21 Jahren die Opportunity International Deutschland Stiftung für Armutsbekämpfung. Für sein christlich-soziales Engagement, besonders in der Entwicklungshilfe, bekam er 1999 das Bundesverdienstkreuz verliehen.
Im Jahr 2012 besuchte der heutige Geschäftsführer von ISOCALM GmbH, Karl Schock, Gambia im Westen Afrikas, und ihm fiel auf, wie viele junge Menschen keine Arbeit und Perspektive und nur ein Ziel vor Augen hatten: die Flucht nach Europa. In Westafrika ist die Landschaft durch weite Savannen mit Napiergras geprägt. Dabei kam Karl Schock die Idee, aus bislang ungenutztem, wild nachwachsendem Napiergras eine bioökologische Naturhaus-Wärmedämmplatte herzustellen. „Damit wollte ich Arbeitsplätze schaffen, die der Migration nachhaltig entgegenwirken und dem Land exportfähige Produkte mit hohem Mehrwert generieren“, so Schock. „Von der Idee bis zum Produkt vergingen fünf Jahre. Vor allem, da die Behörden in Afrika und hierzulande nicht sehr kooperativ waren,“ klagt Schock.
Er nannte seine Dämmplatten ISOCALM. Der Begriff setzt sich aus „Isolation“ und dem lateinischen Wort „Calamus“ für Schilf oder Stroh zusammen. ISOCALM ist ein CSR-Projekt. Dies bedeutet, dass künftige Überschüsse direkt in Arbeitsplätze und soziale Entwicklung gesteckt werden. In Deutschland steigt die Nachfrage nach nachwachsenden Baustoffen immer weiter.
Die Verarbeitung von Elefantengras zu Dämmplatten
Edu steppt ab: So wird die ISOCALM Platte in Handarbeit, total CO2-neutral, in einem Pressrahmen mit Jutegarn im Betrieb abgesteppt.
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Das Elefantengras wird unter deutscher Qualitätskontrolle von Hand mit simpler angepasster Technik in Gambia hergestellt und von dort in Containern in Richtung Europa transportiert. Vom Anbau des Grases bis zum Transport erfolgt die Produktion CO2-neutral.
Wenn das Napiergras nicht als Tierfutter geerntet wird, fallen die Samen aus und das Gras verholzt. Dadurch gibt es keine Konkurrenz mehr zur Viehnahrung. Das Napiergras wird von Einheimischen von Hand geerntet und mit Hilfe von Eselskarren zur Verarbeitung transportiert. Der nächste Schritt ist, das Gras abzulängen und gleichmäßig zu schichten. Die Dicke der ISOCALM Platten variieren nach Kundenwunsch, wobei auf gleichmäßige Dichte geachtet wird. Das verdichtete Gras wird in einen schwenkbaren Rahmen gespannt und im Abstand von zehn Zentimetern von Hand mit starkem Jutegarn abgenadelt. Die Garnknoten werden wechselseitig angelegt und verleimt, damit sie nachher beim Zuschneiden nicht mehr aufgehen. Danach wird das Ganze aus dem Pressrahmen entfernt und sauber zugeschnitten. Die erste Pilotkapazität von einem Dutzend Arbeitern beträgt derzeit pro Jahr ca. 4.000 Quadratmeter. Bei steigendem Absatz sollen die Kapazität und damit die Anzahl der Beschäftigten und Erntearbeiter weiter aufgebaut werden.
Napiergras hat vielseitige Eigenschaften
Im Gegensatz zu Schilf wächst das Gras nicht gerade, sondern verzweigt und weist Knoten auf. Dadurch liegen die Halme in der ISOCALM Platte nicht unidirektional nebeneinander, sondern verfilzen. Daraus ergibt sich eine relativ leichte, anpassungsfähige und gut zuschneidbare Dämmplatte – auch weil die Bindung mit Jutegarn und nicht mit Metalldraht erfolgt. Das Elefantengras ist innen hohl und kann dadurch die Wärme besonders gut speichern. Als Wärmedämmplatte ist Napiergras ideal für Räume zu verwenden, in denen ein Feuchtigkeitsaustausch stattfinden soll, da es diffusionsoffen ist. Das heißt, dass es Wassermoleküle speichern und nach und nach an die Umgebung abgeben und so das Raumklima steuern kann.3
Das Gras ist grundsätzlich resistent gegen Mikroben. Jedoch kann es, wenn es längere Zeit feuchten Bedingungen ausgesetzt wird (Außenwand), von Schimmel oder Mikroben befallen werden, da es ein Naturstoff ist. Deshalb sollte beachtet werden, dass die Feuchte wieder trocknen kann (atmende Wände), was durch die Diffusion gut möglich ist. „ISOCALM ist frei von chemischen Stoffen, hundertprozentig biologisch, und durch das Verputzen mit Lehm oder Mörtel kann es eine Feuerbeständigkeit bis F30 erreichen“, so Schock.
ISOCALM wird bereits erfolgreich genutzt
Napiergras wird vor allem mit Lehm oder Mörtel mit der Technik „nass-in-nass" verklebt.
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ISOCALM eignet sich sehr gut für die energetische Sanierung von Altbauten an Außen- und Innenwänden. Grundsätzlich findet es im Trockenbau, bei der Dach- oder Bodenisolierung und bei Ausfachungen von Balkenkonstruktionen Verwendung. In den Decken verbaut, ist ISOCALM vor allem für die Trittschalldämpfung wichtig. Bei der Außendämmung werden die ISOCALM-Dämmplatten zwar verputzt, jedoch ist es sinnvoll, einen zusätzlichen konstruktiven Schutz der Wand einzubauen. Die Dämmplatten dienen nicht nur zur Isolierung, sondern können auch als Putzträger, z.B. Außenputz aus Kalk eingesetzt werden.
Vorzugsweise wird ISOCALM mit Lehm nass-in-nass verklebt. Dabei werden die ISOCALM Platten auf eine auf der Wand verteilte Mörtelschicht gedrückt und in der Außenanwendung entweder festgenagelt oder gedübelt. Durch die besondere Struktur des Napiergrases können die Platten auch auf unebenen Flächen gut angebracht werden. Sehr gut kann man das Ganze mit einer Wandheizung kombinieren. Dabei werden die Kupferrohre mit Kabelbindern an den Jute-Abstepp-Schnüren befestigt. Bei Holzständerkonstruktionen sollte man sowohl eine Kerndämmung als auch eine Außendämmung einbauen, damit die Konstruktion nicht als Wärmebrücke fungieren muss.
2015 renovierte z.B. die Firma „DasNaturhaus“ ein denkmalgeschütztes Haus. Hierfür wurden zum Beispiel ISOCALM Dämmplatten innen verwendet, da die Fassade erhalten bleiben musste. ISOCALM soll nun aber auch in Gambia selbst als Schutz vor Hitze an den Außenwänden angebracht werden.
Laut Bioökonomierat wird die Bauwirtschaft „wesentlich durch Kostenwettbewerbsfähigkeit mit fossilen Alternativen (z.B. Dämmstoffe), ... bestimmt“4 (S. 48). Nachhaltiges Bauen kann nur dann einen Erfolg haben, wenn gesetzliche Rahmenbedingungen, wie Verordnungen oder Gesetze, flankiert werden. Diese wiederum werden erst eingeführt, wenn die breite Öffentlichkeit stärker das Bewusstsein auf die Nachhaltigkeit legt. 4 „Die Nachfrage nach nachwachsenden Baustoffen ist groß, aber viele gute Produkte sind noch nicht bekannt genug. Daher stecken wir noch viel Energie rein, um die Verbraucher von den positiven Eigenschaften zu überzeugen und ISOCALM auf dem Markt zu etablieren,“ so Karl Schock.
In die Zukunft schaut Schock optimistisch. Er hat in Gambia bereits in eine erste Produktionshalle investiert und möchte in nächster Zeit für ca. 100 Afrikaner und viele Erntearbeiter Arbeitsplätze schaffen.