zum Inhalt springen
Powered by

JatroSolutions: Öl aus der Jatropha-Pflanze für Biosprit und mehr

Die äußerst robuste und genügsame Jatropha-Pflanze wächst in den Tropen und Subtropen auf Brachland. Sie produziert dabei ölhaltige Früchte, die zu den verschiedensten Produkten wie Biokraftstoff, Tierfutter, Kosmetika oder organischem Dünger verarbeitet werden können. Bislang waren die Erträge der Wildpflanzen jedoch zu gering, um diese wirtschaftlich lohnend nutzen zu können. Dies soll sich nun ändern. Experten für den Jatropha-Anbau der Beratungsfirma JatroSolutions aus Stuttgart-Hohenheim arbeiten bereits seit 2007 daran, die Jatropha-Pflanze wirtschaftlich lohnend sowie ökologisch und sozial verträglich anbauen zu können. Im vergangenen Jahr konnten die ersten Jatropha-Sorten auf den Markt gebracht werden, die die erforderlichen Kriterien erfüllen.

Die Jatropha-Pflanze produziert nach der Blüte zahlreiche Früchte, aus denen Rohstoffe für viele Produkte gewonnen werden können. © JatroSolutions

Die Firma JatroSolutions Bioenergy Consulting ist eine Ausgründung der Universität Hohenheim. Sie ging im Jahr 2005 aus einem gemeinsamen Forschungsprojekt der Hochschule und dem Energieversorger EnBW unter der Federführung von Prof. Dr. Klaus Becker hervor, der damals das Institut für Tierernährung und Weidewirtschaft in den Tropen und Subtropen leitete. Der mittlerweile emeritierte Professor unterstützt die Firma seit seinem Rücktritt vom Posten des Geschäftsführers mit seiner Expertise als freier Berater. Geschäftsführer sind Mitgründer Klaus Tropf und Ralf Scholz von der EnBW. Das einstige Start-up-Unternehmen, das sich als die führende „Jatropha-Firma“ weltweit bezeichnet, hat heute zwei Tochterunternehmen; Hauptanteilseigner ist seit Januar 2015 die EnBW.

Das erste Tochterunternehmen, die JatroSelect Bioenergy Breeding, beschäftigt sich mit der züchterischen Optimierung der Pflanzen. Die zweite Tochter JatroGreen Bioenergy Madagascar erprobt auf einer Forschungs- und Entwicklungsfarm auf Madagaskar Anbaumethoden und Verarbeitung von Jatropha. Darüber hinaus ist die JatroSolutions Gründungsmitglied des Vereins aireg (Aviation Initative for Renewable Energy in Germany e.V.). Das Unternehmen möchte mit seiner Arbeit aber nicht nur zum Klimaschutz und zu einer globalen und nachhaltigen Energieversorgung beitragen, sondern auch die sozial und ökologisch verträgliche Entwicklung ländlicher Gebiete sichern.

Jatropha – Ölpflanze, die auch im Wüstenklima wächst

An verschiedensten Verwendungsmöglichkeiten für Rohstoffe aus den Frucht- und Samenschalen sowie aus den Kernen wurde von Experten der Firma JatroSolutions gemeinsam mit Wissenschaftlern der Universität Hohenheim geforscht. Hauptprodukt ist das Öl aus den Kernen, das unter anderem zu Biotreibstoffen verarbeitet werden kann. © JatroSolutions

Die Jatropha-Pflanze (Jatropha curcas L.) – wegen ihrer abführenden Wirkung auch Purgiernuss genannt – wird heute weltweit in tropischen und subtropischen Gebieten angebaut. Sie ist an Trockenheit angepasst und kann leicht mehrere Meter hoch und bis zu 50 Jahre alt werden. Als Wolfsmilchgewächs produziert die Pflanze toxische Substanzen - ein natürlicher Fraßschutz gegen Tiere und andere Schädlinge. Die Samen können einen Ölgehalt von bis zu 43 Prozent erreichen. Jatrophaöl hat eine mit Rapsöl vergleichbare Zusammensetzung und gilt damit als hochwertig. Es ist jedoch wegen seiner giftigen Bestandteile nicht für den Verzehr geeignet und wird deshalb zur Herstellung verschiedenster industrieller Produkte verwendet. Aber auch andere Pflanzenteile wie Blätter, Stamm, Wurzel oder Pflanzensaft sind kostbare Rohstoffe.

„Jatropha kommt ursprünglich aus Mittelamerika und wurde zum Beispiel zur Wundheilung aufgrund der antiseptischen Wirkung traditionell schon seit Langem medizinisch genutzt“, sagt Dr. Brigitte Bohlinger, Agraringenieurin und Senior Consultant bei JatroSolutions. Darüber hinaus können durch die Pflanzung von Jatropha auf Brachland nährstoffarme Böden rekultiviert werden; für den Anbau im Plantagenmaßstab müssen wegen der geringen Standortansprüche der Pflanze folglich im Gegensatz zu Ölpalmen keine Urwälder gerodet werden.

An verschiedenen Verwendungsmöglichkeiten der Jatrophapflanze wurde bei JatroSolutions und an der Universität Hohenheim in den letzten Jahren intensiv geforscht. Dabei wurde eine beachtliche Wertschöpfungskette entwickelt: So können Frucht- und Samenschalen zu Heizpellets, oder Jatrophakernmehl, ein Reststoff der Ölpressung, zu Industrieprodukten wie Folien für Verpackungsmaterial verarbeitet werden. Hauptprodukt ist jedoch das goldgelbe Kernöl, aus dem Biodiesel oder -kerosin, kosmetische Produkte wie Seifen oder auch Pestizide hergestellt werden können. Das nach der Ölpressung verbleibende Kernmehl kann als Substrat für Biogasanlagen verwendet, als organischer Dünger auf die Felder zurückgeführt oder nach Entgiftung aufgrund der Proteingehalte von bis zu 50 Prozent zu Tierfutter verarbeitet werden. Größte ökonomische und ökologische Bedeutung hat jedoch die Weiterverarbeitung des Öls zu Biotreibstoffen und damit die Schaffung von Alternativen zu fossilen Ressourcen.

Erste marktfähige Jatropha-Sorte seit 2014

Jatropha ist eine äußerst genügsame Pflanze, die auch im Wüstenklima auf Brachland gepflanzt werden kann. Aus diesem Grund müssen für einen großflächigen Anbau keine Urwälder gerodet und kein Ackerland geopfert werden. Im Gegenteil: Nährstoffarme Böden können mit einer Pflanzung rekultiviert werden. © JatroSolutions

In China oder Indien wird das Jatrophaöl bereits seit Jahren als Rohstoff für die Biodieselproduktion genutzt. Für den Anbau wurden bisher allerdings Samen von Wildpflanzen verwendet, wodurch Ölertrag und -qualität mitunter stark schwanken, was einer wirtschaftlichen Nutzung entgegensteht. Dies war der Grund für die Experten von JatroSolutions, sich intensiv mit dem genetischen Potenzial von Jatropha zu beschäftigen. „Wir haben erstmals angefangen, die Pflanzen züchterisch zu bearbeiten“, so Bohlinger.

Ziel der Forschungsarbeiten war eine Steigerung des Ölertrags bei gleichzeitiger Verbesserung der Ölqualität. Dies ist den Forschern im vergangenen Jahr gelungen: Seit 2014 sind die ersten marktfähigen Jatropha-Sorten im Portfolio der Firma. „Diese Sorten liefern Erträge von 3 bis 3,5 Tonnen Samen und somit circa eine Tonne Öl pro Hektar“, erklärt die Hohenheimer Agraringenieurin. „Der Presskuchen wandert in die Biogasanlage oder, wenn er entgiftet wird, kann man ein sehr hochwertiges Proteinfutter daraus gewinnen.“ Um die ersten Sorten auf den Markt bringen zu können, wurden in umfangreichen, mehrjährigen Züchtungsprogrammen 370 Genotypen untersucht und selektiert. Die besten Genotypen wurden dann an 14 Standorten weltweit unter verschiedenen klimatischen Bedingungen getestet.

Anbauversuche auf Forschungsstationen weltweit

Brachland nach der Pflanzung von Jatropha © JatroSolutions

Zur Erprobung des Jatropha-Anbaus besitzt JatroSolutions durch ihre Tochterfirma JatroGreen bereits seit sieben Jahren eine Züchtungsstation und Forschungs- und Entwicklungsfarm auf Madagaskar. Hier werden auf mittlerweile rund 1.000 Hektar verschiedene Anbauverfahren getestet. Konkret geht es um die Optimierung des Auspflanzungsverfahrens, die Synchronisation der Blüte, das Testen verschiedener Schnitttechniken, Düngeversuche und die Verbesserung der Bodenqualität. Weiterhin werden Ernte- und Nachernteprozesse optimiert und ökologische und sozio-ökonomische Auswirkungen der verschiedenen Anbauverfahren analysiert. Es stehen vor allem die Produktion des Pflanzenöls und dessen lokale Nutzung als Ersatz für fossilen Treibstoff im Vordergrund.

Neben der Station auf Madagaskar betreibt das Unternehmen durch die JatroSelect weitere Züchtungsstationen in Argentinien, Paraguay, Kamerun und Indien – allesamt Länder mit großem Flächenpotenzial und Bedarf an nachwachsenden Rohstoffen. Klima und Böden in diesen Ländern sind repräsentativ für mögliche Jatrophafarm-Standorte weltweit. Hier werden die selektierten potenten Genotypen in mehrjährigen Versuchen auf ihre Leistungsfähigkeit untersucht und weiter züchterisch bearbeitet.

Kerngeschäft der JatroSolutions ist nach der Ende 2014 abgeschlossenen „Forschungsphase“ nun ein umfassender technischer und ökonomischer Beratungsservice, der mit Machbarkeitsstudien beginnt und bis hin zu Etablierungs- und Managementkonzepten von Jatropha-Plantagen reicht. Ein weiteres Standbein ist der Vertrieb von hochwertigem Saatgut.

Kritik richtet sich gegen großflächigen Anbau von Wildpflanzen

Es gibt jedoch auch kritische Stimmen, die anführen, dass der kommerzielle Jatropha-Anbau auf degradiertem, trockenem Land gar nicht möglich sei und man daher Ackerland brauche, das eigentlich zur Nahrungsmittelerzeugung benötigt wird. „Die Kultivierung von Wildpflanzen auf großer Fläche – das geht schon, bringt aber keinen oder wenig Gewinn. Die Leute sind im Vorfeld beim Anbau von Jatropha viel zu blauäugig vorgegangen. Höchsterträge sind auf degradierten Flächen mit Wildpflanzen nicht zu erwarten“, sagt Jatropha-Expertin Bohlinger. Und sie fügt hinzu: „Das ist, als wenn man einen Käfer mit einem Porsche vergleicht. Die Leistung des Porsche entspräche einer Hochertragssorte, die Wildsorte wäre vielleicht das erste Fahrzeug oder ein alter VW-Käfer. Mit unserer ersten Sorte befinden wir uns jetzt etwa im „VW-Golf-Status“.

Aktuellstes Projekt des Unternehmens ist der Aufbau einer 1.000 Hektar großen Jatropha-Farm in Afrika mit den hauseigenen Hochleistungssorten und unter Anwendung der auf der Forschungs- und Entwicklungsfarm auf Madagaskar gewonnenen Erkenntnisse zu Demonstrationszwecken für künftige Kunden. Die EnBW fördert dieses Projekt. Aus dem Öl der marktfähigen Hochleistungssorten will man dann zum Beispiel Biokerosin herstellen, das Fluggesellschaften vertanken, womit sie ihre CO2-Emissionen nennenswert senken können.

Seiten-Adresse: https://www.biooekonomie-bw.de/fachbeitrag/aktuell/jatrosolutions-l-aus-der-jatropha-pflanze-fuer-biosprit-und-mehr