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Mit Agroforst nachhaltige Landwirtschaft betreiben

Agroforstsysteme schützen den Boden vor Erosion durch Wind sowie Wasser und können bei einjährigen Pflanzen den Ertrag stabilisieren und verbessern. Zusätzlich bilden die mit Gehölzen bepflanzten Feldstreifen Lebens- und Rückzugsräume für Pflanzen und Tiere. In der Innovationsgruppe AUFWERTEN arbeitet das Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO gemeinsam mit den Partnern daran, Agroforstsysteme in Deutschland zu etablieren.

Bei einer Streuobstwiese wird die Wiese unter den Obstbäumen auch zur Heugewinnung verwendet. © CC0 Public Domain / pixabay.com

Ohne nachhaltiges Landmanagement ist Landwirtschaft in einer Bioökonomie nicht denkbar. Denn die Ressource Land ist Produktionsstätte und bietet zugleich Lebensraum. Damit sind Konflikte zwischen den einzelnen Nutzungsideen vorprogrammiert, etwa zwischen der Flächennutzung für den Umbau der Energieversorgung, benötigter Wohnfläche, der Landwirtschaft und den Verkehrsflächen. So sank laut Umweltbundesamt der Anteil landwirtschaftlicher Nutzfläche in Deutschland zwischen den Jahren 2000 und 2014 von 53,5 auf 51,7 Prozent. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert daher neun Wissenschafts-Praxis-Teams (Innovationsgruppen), die bis zum Jahr 2019 praktikable Lösungen für den Umgang mit der Ressource Land entwickeln wollen.

Die seit November 2014 geförderte Innovationsgruppe AUFWERTEN befasst sich mit der Agroforstwirtschaft. Bei Agroforstwirtschaft handelt es sich um ein System, bei dem Ackerland oder Grünland gemeinsam mit Bäumen oder Sträuchern genutzt und bewirtschaftet wird. Es gibt verschiedene Grundmuster bei Agroforstsystemen, bei denen sich das Alter der Bäume sowie Verteilung und Anordnung des Gehölzes deutlich unterscheiden. So gibt es die Streuobstwiesen, Windschutzpflanzungen, Waldweidewirtschaft oder auch Energieholzstreifen.

Agroforst als modernes Landbausystem

Agroforstsysteme sind auf den ersten Blick nichts Neues. So wurden zum Beispiel früher Wälder auch für die Schweinemast genutzt. Die Streuobstwiese ist ein traditionelles Agroforstsystem, das bis heute auch in Baden-Württemberg noch zu finden ist. So dient die Wiese neben dem Obstanbau noch als Viehweide oder zur Heugewinnung. Dass Agroforstsysteme gerade heute ein Gewinn für Landwirtschaft, Kommunen und Verbraucher sein können, zeigt die Innovationsgruppe AUFWERTEN. AUFWERTEN steht für Agroforstliche Umweltleistungen Für WERTschöpfung und ENergie.

Georg Nawroth ist Innovationsmanager am Fraunhofer IAO. © Fraunhofer IAO

Am Beispiel der Untersuchungsregion Süd-Brandenburg wollen die Projektpartner die Agroforstwirtschaft etablieren und ein regionales Versorgungsnetz mit Bioenergieträgern aufbauen. Neben den sieben Projektpartnern (BTU Cottbus-Senftenberg, Technische Universität München, Leibniz-Institut für Agrartechnik Potsdam-Bornim e.V., Universität Bayreuth, Biomasse Schraden e.V., Landwirtschaftsbetrieb Domin, Kommunalverwaltung Amt Kleine Elster) sind auch weitere Partner wie das Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO aus Stuttgart an dem Projekt beteiligt. „Das Gesamtkonzept wollen wir später mit bestimmten Formaten versehen, um das Agroforstsystem nicht nur in der Versuchsregion zu etablieren, sondern auch verbreiten zu können“, erklärt Georg Nawroth, Innovationsmanager am Fraunhofer IAO.

Vorteile für Landwirte, Kommunen und Umwelt

In einem Agroforstsystem gibt es zum Beispiel einen verminderten Stoffaustrag in Grundwasser und Oberflächengewässer. Zudem verringert sich der flächenbezogene Verbrauch an Pflanzenschutz- und Düngemitteln. © VorSicht Atelier für Kommunikation

Ziel der Innovationsgruppe AUFWERTEN ist es, dass die gewonnenen Forschungsergebnisse in ein Innovationskonzept fließen. Das Innovationskonzept soll zeigen, wie die verschiedenen Nutzungsformen von Agroforstsystemen umgesetzt werden und in die landwirtschaftliche Praxis übergehen können. Dabei bieten Agroforstsysteme Vorteile für Landwirte, Kommunen, Landbesitzer sowie Umwelt- und Naturschutz. Der Landwirt kann durch das Agrarholz seine Produktpalette erweitern und so sein Einkommen insbesondere bei ertragsschwachen Standorten verbessern. Studien zu Feldfruchterträgen an Gehölzstreifen zeigten, dass abhängig von Standorteigenschaften Mehrerträge von bis zu 50 Prozent möglich sind. Das Agroforstholz lässt sich zudem stofflich und auch energetisch verwerten. Der Landwirt kann bei längerem Wachstum der Bäume Wertholz anbauen und zur Nebennutzung auf den Gewinn von Honig oder Obst setzen (stoffliche Verwertung). Für den Gewinn von Energieholz wird auf schnellwachsende Hölzer gesetzt, da diese schon nach wenigen Jahren geerntet werden können. Zum Vorteil der Landbesitzer vermindern sich über lange Zeit die Bodenerosion sowie der Stoffaustrag.

Dennoch ist laut Georg Nawroth das Thema Agroforst bei Landwirten nicht immer positiv besetzt. „Hier gilt es ein Konzept zu entwickeln, in dem dargestellt wird, was man in der Zukunft verändern kann und muss, um Agroforstsysteme noch erfolgreicher zu etablieren und bestimmte Forschungsfragen an die Öffentlichkeit zu bringen“, sagt der Innovationsmanager. Für die Kommunen ergibt sich durch den Anbau des Gehölzes ein vielfältigeres Landschaftsbild, das auch den Tourismus in der Region stärken kann. „Vom Landschaftsschutz und Naturschutz gesehen hat man zudem den Vorteil, dass zwischen den Feldern durch Baumreihen Lebensräume geschaffen werden“, so Nawroth.

Verschiedene Parteien an einen Tisch setzen

Aktuelle Berichte aus dem Landwirtschaftsbetrieb Domin aus Senftenberg zeigen, dass Agroforst sich lohnen kann. Wegen der hohen Gefahr durch Winderosion ist Brandenburg als Versuchsregion sehr gut geeignet. Georg Nawroth weiß jedoch, dass für jede Region, wie zum Beispiel Baden-Württemberg, erneut geprüft werden muss, ob sich ein Agroforstbetrieb lohnen würde. Zudem gibt es noch weitere Hürden, wie zum Beispiel die politischen Rahmenbedingungen. „Denn Agroforst kann nicht prinzipiell gefördert werden, sondern zumeist nur die Ackerkulturen. Man kann nicht das komplette Feld über eine Agrarförderung anmelden“, sagt der Experte. Ein Ziel des Projektes AUFWERTEN ist es daher, eine Definition für Agroforst zu erstellen, die es den Ämtern erleichtert, die Agroforstwirtschaft klar zu definieren und auch zu fördern.

Für die Partner aus den Forschungsinstituten ergibt sich zudem das Problem, die Forschung tatsächlich in die Anwendung zu bringen. „Wenn die Forschungsergebnisse von zum Beispiel einem Geoinformationstool für den Landwirt oder das Amt nicht anwendungstauglich sind, dann kann die ganze Arbeit umsonst gewesen sein“, erklärt Nawroth. „Wir entwickeln daher für die Partner das Konzept kundenorientiert.“

Gemeinsam mit dem Kunden zur Anwendung

Ferner sitzen bei dem Projekt zahlreiche Partner an einem Tisch, die verschiedene Interessen haben. „Vom Maschinenbau über den Dienstleister, die Abnahme, den Vertrieb, bis zum Naturschutz sind sehr viele auch konträre Parteien dabei“, sagt Nawroth, „und wir müssen versuchen alle unter einen Deckmantel zu bekommen, Kompromisse zu finden und Schwerpunkte zu setzen.“ In Form von Leitfäden, Veranstaltungen und verschiedenen Onlineformaten möchte das Fraunhofer IAO hier Lösungswege anbieten, damit die Agroforstsysteme tatsächlich ihren Weg in die breite Anwendung finden.

Die Erfahrung des Fraunhofer IAO zeigt dabei, dass kleinere Landwirtschaftsbetriebe offener dafür sind etwas Neues auszuprobieren. Zudem ist es wichtig, dass die Produkte auch regional eingesetzt werden, wie das Beispiel des Biomasseheizwerks der Gemeinde Massen-Niederlausitz zeigt. Es wird mit Holz aus regionalen Agroforstsystemen versorgt werden und beheizt die örtliche Turnhalle, die Schule, ein Bürogebäude und das Verwaltungsgebäude des Amts Kleine Elster. Das Innovationskonzept soll die Möglichkeit bieten, die Ideen aus der Versuchsregion auf ganz Deutschland zu übertragen, sodass auch in manchen Teilen Baden-Württembergs in Zukunft Agroforstsystem das Landschaftsbild wieder vermehrt prägen könnten.

Literatur:

Energieholz aus der Landwirtschaft, Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e. V. (FNR), 2012

Moderne Agroforstsysteme mit Werthölzern, Leitfaden für die Praxis. Der Leitfaden entstand im Rahmen des Projektes „agroforst – neue Optionen für eine nachhaltige Landnutzung“. 2009 http://www.agroforst.uni-freiburg.de/

Leitfaden Agroforstsysteme, Möglichkeiten zur naturschutzgerechten Etablierung von Agroforstsystemen, TU München und Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft, 2011

Seiten-Adresse: https://www.biooekonomie-bw.de/fachbeitrag/aktuell/mit-agroforst-nachhaltige-landwirtschaft-betreiben