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Mit Rhapynal zu einer besseren Umwelt – innovativ, biobasiert und nachhaltig

Die Biotensidon GmbH ist im Aufschwung. Das neue Produkt Rhapynal kommt auf den Markt. Die Firma kann sich über ein 100 Millionen Euro Joint Venture freuen und wurde für den Next Economy Award 2016 nominiert. Mit Rhapynal gelingt es dem Team, ein Produkt aus drei Komponenten herzustellen, welches von der Landwirtschaft bis hin zur Pharmaindustrie nahezu unbegrenzte Einsatzmöglichkeiten bietet.

Die Karlsruher Firma Biotensidon GmbH vertreibt seit 2011 biologische Reinigungskonzentrate auf Ölbasis. Im Jahr 2015 gründete sie mit ukrainischer Unterstützung in Form eines Wissenschaftsteams ein Tochterunternehmen im Bereich der weißen Biotechnologie. Hier stellte das 7-köpfige Spezialisten-Team um Dr. Alexander Shulga, Mikrobiologe und wissenschaftlicher Projektleiter, mit einem Prototyp fermentativ Rhamnolipide her. Bei Rhamnolipiden handelt es sich um mikrobiell hergestellte Biotenside. Tenside sind grenzflächenaktive chemische Substanzen, die oftmals eingesetzt werden, um die Eigenschaften von Flüssigkeiten zu verändern. So werden Tenside beispielsweise in unterschiedlichsten Bereichen wie der Lebensmittelindustrie, in Waschmitteln oder Kosmetika verwendet. Neben dem breiten Anwendungsspektrum haben Biotenside eine antimikrobielle Wirkung, wodurch sie sich als Zusatz für Kosmetika, in der Landwirtschaft und der Pharmazie eignen. Laut dem Marktforschungsunternehmen Ceresana wurde mit Tensiden im Jahr 2014 weltweit ein Umsatz von 33,2 Mrd. US Dollar erzielt. Erwartet wird eine Summe von rund 40,4 Mrd. US Dollar im Jahr 2022.1

Tenside müssen nicht auf fossilen Rohstoffen basieren

Jörg Jögel, Dr. Alexander Shulga, Rolf Hartmann, Ilona Karpenko, Dr. Oleksandre Karpenko (v.l.n.r.) vor dem neuen 500-Liter-Reaktor © BIOPRO

Noch basieren Tenside größtenteils auf Erdöl, das oftmals schwer abbaubar und daher umweltbelastend ist. Neben der Produktion auf Basis fossiler Rohstoffe können Tenside auch aus nachwachsenden Rohstoffen, wie dem Palmöl, über chemische Verfahren synthetisiert werden. Diese Tenside sind somit im Vergleich zu ihren erdölbasierten Vertretern vollständig biologisch abbaubar. Da für die chemischen Verfahren jedoch tropische Pflanzenöle verwendet werden, wird die Nachhaltigkeit dieses Prozesses kontrovers diskutiert.

Die Biotensidon GmbH stellt seit 2015 Biotenside her, die zu 100 Prozent biobasiert und biologisch abbaubar sind. „Produziert werden die Rhamnolipide von einem nicht pathogenen Pseudomonas-aeruginosa-Stamm“, erklärt Jörg Jögel, Leiter der Forschungsabteilung. Dieser Wildtyp-Stamm brachte im Labormaßstab vielversprechende Ergebnisse in Bezug auf die Rhamnolipid-Ausbeute. „Die Firma ging das Wagnis ein, betrat vollkommenes Neuland und begann die Produktion von Rhamnolipiden im kleinen Maßstab mit einem 100-Liter-Reaktor“, erläutert Hartmann, Marketing Director der Biotensidon.

Seit der Inbetriebnahme des ersten Bioreaktors im Jahr 2015 ist viel passiert. Mittlerweile wird mit einem Arbeitsvolumen von 500 Litern produziert. Diese großen Reaktoren können modular miteinander verbunden werden. „Das Modul, das wir gerade bauen, hat dann vier mal 500 Liter, was natürlich einer ganz anderen Produktionsmenge entspricht“, betont Jögel. In Zukunft sollen Reaktoren mit einem Volumen von 2.000 bis 3.000 Litern zum Einsatz kommen. Eine neue Halle wurde hierfür bereits bezogen, in der 40 bis 50 Reaktoren dieser Größe aufgestellt werden sollen. Ermöglicht wird dieses Großprojekt letztendlich auch durch ein Joint Venture in Höhe von 100 Millionen Euro. Neben der Größe der Reaktoren mit 500 Litern Arbeitsvolumen konnte auch die Ausbeute an Rhamnolipiden erhöht werden. Jögel gibt an, dass die Ausbeute kontinuierlich von 15 g/Liter auf 30 g/Liter im zellfreien Überstand verdoppelt wurde. Durch die Optimierung der Produktion und ein Scale-up auf 2.000 Liter sollen in Zukunft größere Ausbeuten von bis zu 50 g/Liter und mehr erreicht werden. Aufgrund der hervorragenden Ergebnisse ist die Biotensidon GmbH auch weiterhin damit beschäftigt, die Rhamnolipid-Produktion zu steigern.

Drei Komponenten – ein Produkt

Skizzenhafte Darstellung des neuen Produkts Rhapynal. Das Alginat (gelb) dient als Trägermaterial, sodass die drei Bestandteile einen Komplex bilden. Die roten Ringe stellen die Pyoverdine dar, die grünen Strukturen die Rhamnolipide. © Biotensidon GmbH

Anfang September 2016 war es dann so weit. Die Biotensidon GmbH reichte ihr neues Produkt Rhapynal beim Deutschen Patent- und Markenamt ein. Im Namen des Produkts verstecken sich die drei Komponenten, aus denen es zusammengesetzt ist – einem Supramolekularkomplex: Rha = Rhamnolipide, pyn = Pyoverdine, al = Alginat. Alle Komponenten werden im Fermenter von einem nichtpathogenen Pseudomonas-aeruginosa-Stamm gebildet und in das Medium abgegeben, aus dem sie anschließend isoliert werden. Ob als Löschmittelzusatz, zur Bodenregenerierung, im Umweltschutz, in der Landwirtschaft oder der Pharmazie – die Anwendungsbereiche von Rhapynal sind vielseitig.

Rhamnolipide

In der Landwirtschaft wird Rhapynal beispielsweise als Bestandteil einer Beschichtung verwendet. Die Samen werden vor dem Aussähen mit Rhapynal-Lösung besprüht. Dadurch können die Samen vermehrt Feuchtigkeit binden. Zusätzlich erleichtern die Rhamnolipide den Nährstofftransport, wodurch eine frühere und bessere Keimung erzielt wird. Die Keimlinge wachsen schneller und bringen größere Wurzeln hervor.

Die verbesserte Nährstoffaufnahme kommt auch beim Tierfutterzusatz zum Tragen. „Hühner, die Futter bekommen, dem nur wenige Milligramm Rhapynal zugesetzt wurden, setzen deutlich mehr und schneller Fleisch an und sind gesünder und widerstandsfähiger als konventionell gefütterte Tiere. Die Tiere können aufgrund der Rhamnolipide das Futter besser verwerten und scheiden weniger unverwertete Nährstoffe aus“, so Shulga. Untersucht wurde dies in einem Berliner Labor.

Auch im Bereich der Pharmazeutik wurde untersucht, ob die Rhamnolipide im Rhapynal zu einer verbesserten Wirkstoffaufnahme führen. Jögel erklärt, dass die Wirkstoffkonzentration eines Präparats um bis zu 80 Prozent herabgesetzt werden konnte. So könnten Nebenwirkungen durch hohe Wirkstoffkonzentrationen verringert werden. Da es sich bei diesem Versuch lediglich um einen Testversuch handelte, muss noch weiter geforscht werden, um eindeutige Ergebnisse zu erhalten.

Pyoverdine

Pyoverdine sind fluoreszierende Siderophore, wodurch die Zellen unter UV-Licht grün fluoreszieren. Die Pyoverdine im Rhapynal scheinen in der Lage zu sein, radioaktive Teilchen zu binden. Dies könnte vor allem beim Abbau von Kernkraftwerken sowie bei radioaktiven Unfällen wie in Tschernobyl oder Fukushima vorteilhaft sein.

Skizze der drei Bestandteile von Rhapynal.  Im Innern der roten Ringe, welche die Pyoverdine darstellen, sind Symbole für Radioaktivität abgebildet.
Dekontamination mittels Pyoverdinen. Die Pyoverdine im Rhapynal können radioaktiove Teilchen binden und diese im Komplex mit Alginat adsorbieren. © Biotensidon GmbH

Alginat

Der dritte Bestandteil von Rhapynal ist Alginat. Dieses Polysaccharid bindet die Pyoverdine und die Rhamnolipide auf seiner Oberfläche, sodass ein großer Komplex entsteht. „Dieser Komplex, mit Alginat als Trägermaterial, weist bessere Eigenschaften auf als die einzelnen Komponenten. Wenn Pyoverdine einzeln vorliegen, haben sie nur eine begrenzte Haltbarkeit, der Komplex verleiht ihnen Stabilität“, erklärt Shulga. Zudem kann das Produkt als Komplex direkt aus dem Nährmedium der Zellen gewonnen werden, sodass teure Trennverfahren wegfallen.

Mit Joint Ventures zu neuen Entwicklungschancen

Kulturplatte von Pseudomonas aeruginosa. Die Pyoverdine, die von den Zellen gebildet werden, fluoreszieren unter UV-Licht grün. © BIOPRO

Über Unternehmenskooperationen (Joint Ventures) soll Rhapynal nun vertrieben werden. Diese gemeinsamen Vorhaben bieten Biotensidon zusätzliche Entwicklungschancen. Hartmann erklärt: „Unser Produkt verkaufen wir an industrielle Nutzer, die damit ihre Produkte anreichern und so verbessern können. Wir sehen uns hierbei als einen reinen Rohstoffhersteller, der die Industrie beliefert.“ Preislich kann das biologische Produkt durchaus mit herkömmlichen Vertretern mithalten.

Neben all der Forschung und der Entwicklung hat sich die Biotensidon GmbH mit ihrem innovativen und nachhaltigen Produkt für den Next Economy Award 2016 beworben. Dieser zeichnet Start-ups aus, die auf soziale und ökologische Nachhaltigkeit setzen. Biotensidon wurde neben zwei weiteren nachhaltigen Start-ups für die Kategorie „Nature“ nominiert. Im November 2016 fand die Preisverleihung statt, bei der Biotensidon den zweiten Platz belegen konnte.

Die Möglichkeiten, die Raphynal bietet, sind noch lange nicht erschöpft. Biotensidon will weiter daran forschen, um möglichst alle Anwendungsbereiche zu erschließen.

Literatur:

1 Marktstudie Tenside, Infobroschüre Ceresana http://www.ceresana.com/de/marktstudien/chemikalien/tenside/

Seiten-Adresse: https://www.biooekonomie-bw.de/fachbeitrag/aktuell/mit-rhapynal-zu-einer-besseren-umwelt-innovativ-biobasiert-und-nachhaltig