Ökosystemdienstleister Wald: Facetten und Folgen des Holzeinschlags
Eine Milliarde Menschen sind weltweit auf den Wald als Lebensraum angewiesen. Illegale und legale Entwaldung als Folge gefährdet sowohl ihre Lebensgrundlage als auch gesellschaftliche und wirtschaftliche Strukturen und wirkt sich schädlich auf das globale Klima aus. Die Forstwissenschaftlerin Prof. Dr. Daniela Kleinschmit der Universität Freiburg äußert sich über Ursachen und Konsequenzen der Entwaldung. Sie ist Mitherausgeberin des internationalen Berichts über illegalen Holzeinschlag und Holzhandel, der von der International Union of Forest Research Organizations (IUFRO) initiiert wurde.
Intakter Amazonas-Regenwald bei Trinidad in Bolivien
© Bioversity International, Dietmar Stoian
Wald ist Ernährer, Arbeitgeber, Energielieferant, Klimaanlage, Apotheke und Heim vieler Arten. In tropischen Ländern ist er zudem essenziell für das Überleben vieler lokaler Bevölkerungsgruppen. Der tropische Regenwald ist einer der größten CO2-Speicher der Welt. Er birgt 46 Prozent des gesamten terrestrisch gebundenen Kohlenstoffs in der oberirdischen Vegetation. Nebenbei ist er der artenreichste Lebensraum überhaupt, ein Hort der Biodiversität: Über zwei Drittel aller Tier- und Pflanzenarten leben hier, manche sind in bestimmten Regenwäldern endemisch. Jede Spezies hat ihre Funktion im komplexen Nahrungsnetzwerk und stabilisiert so das Ökosystem Wald.
Druck auf den Wald
Erforscht komplexe Fragestellungen der Landnutzung mit Fokus auf Forst, Agrar, Klima und Naturschutz: Prof. Dr. Daniela Kleinschmit am Institut für Forst- und Umweltpolitik
© Prof. Dr. Daniela Kleinschmit, Universität Freiburg.
Holz ist weltweit der wichtigste nachwachsende Rohstoff. Er ist umweltfreundlich und lässt sich stofflich und energetisch nutzen. Da Erdöl immer knapper wird und seine Nutzung dem Klima schadet, strebt man eine Bioökonomie an, in der Wald als Rohstofflieferant immer bedeutender wird. Betrachtet man Bioökonomie als einen wirtschaftlichen Weg, der uns fort von fossilen und hin zu nachwachsenden Ressourcen führt, so hat die Forstwirtschaft mit der traditionellen Nutzung von Holz schon immer Bioökonomie betrieben.
Die Frage ist, wie der Wald als Ressource genutzt wird und was mit dem Holz passiert. Sollen mehr und neue Produkte aus Holz gewonnen werden, so muss genau geprüft werden, ob genügend Holz angeboten wird und aus welchen Quellen es stammt. Wenn die Waldnutzung wegen eines erhöhten Bedarfs steigt, muss geklärt werden, ob damit andere Waldleistungen eingeschränkt werden.
„In Deutschland ist derzeit kein signifikanter Anstieg der Nachfrage nach Holz aufgrund neuer Bioökonomie-Produkte zu verzeichnen“, sagt Prof. Dr. Daniela Kleinschmit vom Institut für Forst- und Umweltpolitik der Universität Freiburg. Das liege auch daran, dass der Markt für bioökonomische Waren erst im Entstehen sei. Forschung zu Rohstoffen für neue Materialien, etwa der Nutzung von Lignocellulose für Bio-Kunststoff ist zwar vielversprechend, macht aber noch keinen großen Marktanteil aus. Das sechzehnköpfige Team um Kleinschmit beschäftigt sich mit Landnutzungspolitik und erforscht schwerpunktmäßig nationale und internationale Forstpolitik, ebenso wie die Politik von Naturschutz, Klima, Wasser und Ernährung. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Bioökonomie in den Sektoren Forst und Agrar. Hier betrachtet das Team die Politik des Übergangs zur biobasierten Wirtschaft im Ländervergleich innerhalb der Europäischen Union sowie die Wahrnehmung der Bioökonomie durch Interessenten und Akteure.
Steigender Bedarf durch Bioenergie
In waldreicheren Ländern wie Kanada und in Skandinavien kommt der Ressource Holz in der Entwicklung zur Bioökonomie eine bedeutende Rolle zu und kann damit auch zu einer zunehmenden Intensivierung der Holznutzung führen. Das wird in der Bioenergie deutlich. Finnland hat eine Bioökonomie vorangetrieben, die vollständig auf Holz basiert. Das Land setzt dabei auf Bioenergie, Biokraftstoffe und Bioraffinerien. Gleichzeitig wächst in vielen (Industrie-) Ländern das „ökologische“ Bewusstsein und mit ihm der Markt für Holzbrennstoffe, sei es in Form von Holzpellets oder Feuerholz. Dass das zunehmend genutzte Holz für die Energiegewinnung im Sinne einer Bioökonomie ökologisch nachhaltig erwirtschaftet wurde, ist noch lange nicht gewährleistet.
Entwaldung legal oder illegal?
Die Holznutzung durch einheimische Bewohner hier im peruanischen Amazonas kann illegal sein. Ihre rechtliche Verfolgung ist aber oft weder sinnvoll noch erwünscht.
© Bioversity International, Dietmar Stoian
Laut Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft ist die Hauptursache für die rasch fortschreitende Entwaldung der illegale Holzeinschlag, der in Indonesien die Hälfte der Abholzung ausmacht und in Papua Neuguinea auf 90 Prozent geschätzt wird. Insbesondere in Ländern mit großen Waldressourcen, geringem Wohlstand und schwachen gesetzlichen Richtlinien findet illegaler Holzeinschlag statt. Statistisch gesehen verschwindet auf unserem Planeten alle zwei Sekunden ein Waldgebiet so groß wie ein Fußballfeld. Seit 1990 sind etwa 129 Millionen Hektar Wald abgeholzt worden, eine Fläche so groß wie Südafrika. Prognosen der UNEP zufolge werden in Indonesien bis 2022 etwa 98 Prozent der Wälder degradiert oder verschwunden sein. Raubbau und Brandrodung in Wäldern hinterlassen oft nur kleine Waldinseln, in denen manche Arten nicht überleben können. Durch ihr langsames Wachstum haben Wälder eine sehr lange Regenerationsdauer: Nach Schädigung dauert es Jahrzehnte, bis der Wald wieder ein funktionstüchtiges Ökosystem ist.
Für illegalen Holzeinschlag gibt keine international akzeptierte Definition. Grund dafür ist die Vielschichtigkeit der Ursachen. Illegal ist, wenn gegen geltendes Recht im Ursprungsland oder gegen internationale Gesetze verstoßen wird. Das gilt dann, wenn geschützte Arten oder Bäume aus Schutzgebieten geschlagen werden. Verstöße treten aber auch im Handel mit illegal geschlagenem Holz auf.
Auch die nicht erlaubte Umwandlung von Wald in landwirtschaftlich genutzte Flächen durch Brandrodung ist illegal. Darüber hinaus bilden sich immer raffiniertere international agierende kriminelle Netzwerke. Diese stehen in enger Verbindung zu anderen illegalen Tätigkeiten wie Drogen- oder Kriegsfinanzierung („Konfliktholz“). Daneben steht das „Wildern“ von Holz durch kleine Produzenten, auch als informeller Holzeinschlag bezeichnet. „Man muss unterscheiden, ob ein kleiner Bauer sich zwei Bäume aus dem Wald holt, um seinen Ofen anzumachen, oder ein Kartell Holz im großen Stil international verschifft“, meint Kleinschmit, „das ist ein Riesenunterschied, auch wenn beides aus nationalrechtlicher Sicht illegal ist.“ Regelwidriger Holzeinschlag ist oft die einzige Einkommensquelle für kleine Farmer, die infolge ihrer Armut legal gar nicht an Holz gelangen. Hier ist der Gesetzesvollzug weder möglich noch erwünscht. Gemeinsam mit der IUFRO brachte Kleinschmit gemeinsam mit einem internationalen Forscherkonsortium einen von der Collaborative Partnership of Forests (CPF) beauftragten internationalen Bericht zum illegalen Holzeinschlag und dem damit verbundenen Holzhandel heraus. Die Autoren trugen dabei ausschließlich wissenschaftliche Fakten zusammen und resümierten, es brauche intensivere internationale Zusammenarbeit und tatsächlich geltendes Recht.
Ursachen sehr facettenreich
Regenwald muss häufig Viehweiden Platz machen, wie hier für Rinder in der Selva Maya in Guatemala.
© Bioversity International, Dietmar Stoian
Ein Hauptproblem ist der Wandel von Wald in Agrarflächen oder Weideland, um Exportgüter wie Soja oder Ölpalmen anzubauen oder Rinder grasen zu lassen. Etwa ein Drittel des illegal gehandelten Tropenholzes stammt aus Wäldern, die illegal in landwirtschaftliche Flächen umgewandelt wurden. Am häufigsten geschieht dies im Amazonasgebiet und in Südostasien. Ganze Waldgebiete werden kahlgeschlagen, um Eukalyptusplantagen für die Zellstoffgewinnung und Ölpalmenplantagen für Palmöl anzulegen.
So fällt auch der Bioökonomie zunehmend Wald zum Opfer. Agrartreibstoffe, die aus Mais oder Palmöl hergestellt werden, lassen jedoch dieselben Konflikte um das Land, auf dem die Biomasse angebaut werden soll, entstehen wie bei anderen Nutzungen. Regenwald oder gutes Agrarland werden für industrielle Rohstoffe statt für Nahrungsmittel genutzt. Landnahmen werden organisiert, wo „Energiewälder“ entstehen.
Schäden für Gesellschaft und Ökosystem
Waldstück in Bolivien, das der Brandrodung von Kleinbauern zum Opfer fiel.
© Bioversity International, Dietmar Stoian
Der wirtschaftliche Schaden, der durch illegalen Holzeinschlag und -handel entsteht, wird laut UNEP (United Nations Environment Programme) auf 152 Milliarden US-Dollar jährlich beziffert. Für die vom Wald abhängigen Menschen gibt es vielerlei Konsequenzen, negative wie positive. „Auch wenn ich es ungern sage: Die Einflüsse auf die Menschen, die dort leben, sind nicht immer nur schlecht“, meint Kleinschmit. Andere Bewohner bekommen wieder Zugang zum Holz, den sie verloren hatten, manche werden als Arbeitskraft eingestellt.
Die Ökosysteme sind durch den Einschlag in Primärwäldern betroffen. Nur noch 40 Prozent der Wälder sind intakt und unzerteilt. Durch die Degradierung der Wälder nimmt die ökologische Qualität ab, die übriggebliebenen Waldfetzen können den Wasserhaushalt nicht mehr regulieren und den Boden nicht mehr festhalten. Es kommt verstärkt zu Naturkatastrophen wie Erdrutschen und Überschwemmungen nach starken Regenfällen, da der Wald nicht mehr als Wasserspeicher fungiert.
Gleichzeitig ist die Waldzerstörung eine der größten Bedrohungen für die Artenvielfalt weltweit, da Pflanzen und Tieren der Lebensraum entzogen wird. Die Mehrzahl der gefährdeten Arten lebt in tropischen Regenwäldern. Auch dem Klimaschutz ist Waldverlust nicht zuträglich. Der in der Vegetation gebundene Kohlenstoff wird bei Abholzung freigesetzt.
Rehabilitation der Wälder
Die erhöhte Nachfrage durch die Bioökonomie in waldreichen Ländern verlangt nach Abwägungen, Kompromissen und gesetzlichen Regelungen. Maßnahmen zur Förderung einer nachhaltigen Waldwirtschaft und gegen illegalen Holzhandel sind etwa die Holzhandels- oder die FLEGT-Verordnung (FLEGT: Forest Law Enforcement, Governance and Trade) sowie das HolzSiG (Sicherungsgesetz). Herkunft und Legalität von importiertem Holz sollen so sichergestellt werden. „In manchen Ländern können Sie mit dem geschlagenen Holz ein Zertifikat gleich mitkaufen“, meint Kleinschmit. Außerdem führen strenge Regelungen in bestimmten Ländern zur Verschiebung der Märkte in Richtung der Länder mit geringeren Standards. Gleichzeitig sollte man die Bioökonomie auch als neue Chance betrachten, Holz auf eine sinnvolle Weise zu nutzen. Dafür muss Bioökonomie sich über die Sektoren hinweg entwickeln, sich weder nur auf ein Land noch auf nur Forst- oder nur Agrarwirtschaft beschränken. Wo sind welche Landnutzungsformen optimal und nachhaltig nutzbar? Wie kann eine Mehrfachnutzung in einer Kreislaufwirtschaft etwa bei Holz bestmöglich gewährleistet werden? Dazu muss noch viel geforscht werden.