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Nachwachsende Rohstoffe und Kreislaufwirtschaft in der Textilindustrie

Outdoor-Ausrüstung aus Cellulose, Rizinusöl und Kaffeesatz – funktionell und langlebig

VAUDE entwickelt Outdoor-Ausrüstung aus natürlichen oder recycelten Materialien, die weder Mensch noch Umwelt belasten und gleichzeitig vor Wind und Regen schützen sollen. Das Unternehmen setzt dabei auf nachwachsende Rohstoffe, biobasierte Kunststoffe und Kreislaufwirtschaft.

Outdoor-Aktivitäten boomen. Und mit ihnen der Bedarf an Bekleidung und Ausrüstung. Zur Herstellung von Jacken, Rucksäcken, Zelten und Co. werden bisher meist Materialien eingesetzt, die aus fossilen Rohstoffen gewonnen werden. Sie hinterlassen einen klimaschädlichen Fußabdruck und setzen Plastik in die Umwelt frei. Dass es auch anders geht, zeigt das Unternehmen VAUDE.

Mit Naturfasern bestens gerüstet

„Wir engagieren uns seit vielen Jahren dafür, nachhaltig zu wirtschaften und umweltbewusst zu produzieren“, erklärt der Innovations-Manager des Unternehmens, René Bethmann. „Wir wollen nicht Teil des Problems sein, sondern Teil der Lösung. Deshalb haben wir ein klares Ziel definiert: Bis 2024 sollen 90 Prozent unserer Produkte einen recycelten oder biobasierten Materialanteil von über 50 Prozent haben.“

Das Bild zeigt die Silhouette einer Jacke mit Kapuze. Diese ist in der Mitte unterteilt und besteht zur Hälfte aus schwarzen Plastikteilchen und zur anderen Hälfte aus Holzschnitzeln.
VAUDE verwendet in Outdoor-Produkten wie Shirts, Bike-Trikots und Fleece eine Faser, die zu 100 Prozent aus nachhaltig gewonnenem Eukalyptus- und Buchenholz hergestellt wird. © VAUDE

Erstes Beispiel der Innovationsoffensive ist die Verwendung von Naturfasern wie Biobaumwolle, Hanf oder Cellulose. „Cellulose-Regeneratfasern aus nachwachsendem Holz sind zu 100 Prozent biologisch abbaubar“, so der Diplom-Ingenieur. Dass die Tettnanger dabei nicht mit dem Buschmesser durch den Wald gehen, zeigt die Wahl des Holzes: „Wir verwenden nachwachsendes Eukalyptus- und Buchenholz, das weder Düngung noch künstliche Bewässerung benötigt und so die natürlichen Ressourcen schont.“ Ein weiterer Vorteil: Im Unterschied zu herkömmlicher Cellulose werden die zertifizierten Fasern1) nicht mit Chemikalien verflüssigt, die in die Umwelt gelangen können. Stattdessen werden für den physikalischen Prozess in einem geschlossenen Produktionskreislauf zugesetztes Lösemittel und Wasser vollständig rückgeführt.

Vermeidung von textilem Mikroplastik

„Unser großer Fokus liegt darauf, den Faseraustrag zu reduzieren“, erklärt Bethmann. Winzige Partikel, die sich aus synthetischen Textilfasern wie Polyester-Fleece lösen, können in Kläranlagen nicht vollständig herausgefiltert werden und gelangen in die Meere. Die Folge: Meeresbewohner verwechseln die Partikel mit Nahrung, Mikroplastik gelangt in die Nahrungskette. „Bei dem von uns entwickelten weichen Fleece-Material aus Cellulose-Regeneratfasern können sich Mikropartikel, die sich beim Waschen ablösen, im Gewässer vollständig abbauen“.

Das ist nur ein Aspekt des Verbundprojekts TextileMission2), mit dem die Belastung der Umwelt durch faseriges Mikroplastik reduziert werden soll. Das vom BMBF geförderte Projekt hat Ergebnisse aus dreieinhalbjähriger intensiver Forschung der beteiligten Partner zutage gebracht: Neben dem Einsatz von Cellulose als Material führen auch bestimmte Waschvorgänge, Rückhalt in Kläranlagen und optimierte Produktionsprozesse zu einem verminderten Plastikaustrag. Letzteres hat VAUDE ebenfalls begleitet, wie Projektmanager Robert Klauer erklärt: „Herkömmliche Zuschnitt- und Fügeverfahren erhöhen die Mikroplastikemission. Wir haben deshalb alternative Verfahren wie das Schneiden mit dem Lasercutter getestet, mit dem der Partikelaustrag vermindert wird. Vor allem aber trägt die Entwicklung von Textilkonstruktionen durch optimierte Web- und Strickvorgänge positiv bei.“

Biobasierte Kunststoffe und Recycling

Das Bild zeigt eine Tasse mit Löffel und Kaffeesatz
VAUDE verwendet für einige Outdoor-Oberteile ein Material, das anteilig aus recyceltem Kaffeesatz hergestellt wird und funktionelle Eigenschaften aufweist. © progressman / Stock.adobe.com

Wer glaubt, Kaffee sei nach dem Brühen wertlos, wird eines Besseren belehrt: „Spinnmasse aus recyceltem, geschmolzenen Polyester-Granulat mischen wir gebrauchtem Kaffeesatz bei“, erklärt Bethmann eine weitere Entwicklung. Der Clou: Der entstandene Rohstoff ist schnelltrocknend, hat einen guten UV-Schutz und wirkt antibakteriell. „Wir können so auf chemische geruchstilgende Zusätze in unseren Shirts, Jacken, Fleece und Radhosen-Polstern verzichten.“ Auch in Membranen wird der Rohstoff eingesetzt. Der Schritt zur Reduktion fossiler Rohstoffe wird deutlich: Bis zu 25 Prozent des herkömmlichen Polyurethans wird durch Kaffeesatz-Rezyklat ersetzt.

Für Trekkinghosen und Bestandteile wie Reißverschlüsse und Schnallen setzen die Tettnanger Biokunststoffe ein. Das Rezept: Polyamide mit einem erneuerbaren Anteil von über zwei Dritteln, der aus dem Öl der Rizinuspflanze stammt. „Die Pflanze wächst ohne zusätzliche Bewässerung auf kargen Böden, die zum Lebensmittelanbau nicht geeignet sind. Uns ist wichtig, für unsere Produktion nicht in Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion zu stehen und Pestizide sowie Gentechnik zu vermeiden“, so Bethmann. Verglichen mit herkömmlichen erdölbasierten Polyamiden soll die Faser in der Produktion CO2 einsparen – nach Berechnungen des Chemie-Unternehmens und Entwicklungspartners Evonik etwa 50 Prozent, wenn man die Kohlenstoff-Speicherung durch den Anbau der Rizinuspflanze einbezieht. Zudem zeichnet sich die Pflanze dadurch aus, dass sie kaum Wasser benötigt und die Fasern sich bei niedrigen Temperaturen einfärben lassen.

Biologisch abbaubar, logisch – oder nicht?

VAUDE möchte das Gewicht von der Massenproduktion schädlicher Textilien hin zu nachhaltigen Geschäftsmodellen verschieben, wie Bethmann erklärt: „Wir arbeiten kontinuierlich daran, neue Biokunststoffe in unserer Branche zu etablieren. Sie haben zudem meist bessere Eigenschaften als Kunststoffe aus Erdöl, wie geringeres Gewicht, bessere Trockenfähigkeit und Schlagzähigkeit sowie längere Haltbarkeit.“ Zusammen mit internationalen Partnern hat der Bergsportausrüster im EU-Projekt EFFECTIVE4) das weltweit erste biobasierte Polyamid 6 entwickelt.

„Uns ist bewusst, dass nicht jeder Biokunststoff biologisch abbaubar ist. Selbst komplett nachwachsende Stoffe benötigen dazu verschiedene Einflussfaktoren wie UV-Strahlung, Feuchtigkeit, Temperatur und Sauerstoff, die von Region zu Region unterschiedlich sind. Es ist daher wichtig, Ausrüstung und Bekleidung am Lebensende entsprechend zu entsorgen oder rückzuführen. Wir betrachten neben den genannten Ansätzen vor allem Langlebigkeit und Wiederverwendung der eingesetzten Materialien.“ Die Rede ist von einem zweiten Lebenszyklus.

Change Management: Von der PET-Flasche zur Radtasche

Blaue Fahrradtasche mit Umhängeriemen und Deckelverschluss
Kreislaufprodukt: Die Radtasche besteht zu 100 Prozent aus recycelten Hauptmaterialien und enthält eine Rückenplatte, die komplett aus deutschen Verpackungsabfällen hergestellt ist. © VAUDE

Bestehende Materialien einzusetzen, spart wertvolle Ressourcen. So setzt VAUDE nachhaltiges Material aus recycelten Haushaltsverpackungen für Rückenplatten von Radtaschen ein. Folien, Joghurtbecher und Polypropylen-Verpackungen werden zerkleinert, sortenrein getrennt, gewaschen und geschmolzen – bevor das Granulat ein neues Leben erhält. „Für eine Rückenplatte werden 3 kg Verpackungsmüll verarbeitet, was 54 Prozent CO2-Emissionen in der Materialherstellung einspart“, so Bethmann.

Auch Nylon, etwa aus Fischernetzen, wird zu hochwertiger Bekleidung verarbeitet. Recyceltes Garn aus PET-Flaschen wird zu wasserabweisenden Taschen und Rucksäcken und auch Recycling-Daune findet in Schlafsäcken einen neuen Lebenspartner. „Wir haben unsere Anforderungen zur Sommer-Kollektion 2022 um die Themen Klimaschutz und Kreislauffähigkeit ergänzt. Ein Produkt muss über 50 Prozent recycelten oder biobasierten Gewichtsanteil aufweisen, um das Green Shape Label5) zu tragen.“ Das Label setzt höchste Standards für umweltfreundliche, funktionelle Outdoor-Produkte in der gesamten Branche. Es unterliegt Kriterien, die den gesamten Lebenszyklus des Produkts umfassen – vom Design über die Produktion bis hin zu Pflege, Reparatur und Verwertung.

Neue Geschäftsmodelle für ein stabiles Fundament auf lange Sicht

Kreislaufwirtschaft und nachhaltige Produktion bilden nur einen Aspekt, den VAUDE verfolgt: Kunden können Rucksäcke, Zelte und Radtaschen beim Hersteller auch online oder in Läden mieten. Ein weiterer Fokus liegt auf Langlebigkeit: So hat das Unternehmen eine hauseigene Reparaturwerkstatt und stellt Reparaturanleitungen sowie Ersatzteile über die Online-Plattform iFixit bereit.

Neben dem ökologischen Bewusstseinswandel gibt es einen ökonomischen Nutzen. Denn nachhaltige Produktionsverfahren rechnen sich. So entfallen durch eine innovative wasser- und schmutzabweisende Oberflächenbehandlung toxische poly- oder perfluorierte chemische Verbindungen (PFC) und das damit verbundene aufwendige Verfahren sowie deren Entsorgung.

Das Ziel wird deutlich: ökologische und unternehmerische Umsicht kombinieren, und das auf lange Sicht. Die Geschäftsführerin Antje von Dewitz wurde für ihr ökologisches und soziales Engagement bereits mehrfach prämiert. Dieses Jahr erhielt sie für die Transformation in Richtung Klimaneutralität, transparente Positionierung und Unternehmensführung die Auszeichnung „CMO of the Year“, Deutschlands höchste Auszeichnung für die Funktion des Chief Marketing Officer, sowie den Wirtschaftspreis „EY Entrepreneur Of The Year 2021“ in der Kategorie Nachhaltigkeit.

Literatur:

1) Die eingesetzten Lyocell-Fasern sind FCS-zertifiziert. „Forest Stewardship Council“ (FCS) ist eine internationale Non-Profit-Organisation, die sich für die Absicherung wichtiger Umwelt- und Sozialstandards im Wald einsetzt und Produkte aus nachhaltiger Forstwirtschaft zertifiziert. https://www.fsc-deutschland.de/

2) TextileMission: https://textilemission.bsi-sport.de/aktuelles/textiles-mikroplastik-reduzieren/

3) https://www.umweltbundesamt.de/bild/einsatz-von-kunststoffrezyklaten-in-deutschland

4) https://www.bbi.europa.eu/projects/effective

5) https://nachhaltigkeitsbericht.vaude.com/gri/produkte/greenshape-konzept.php

Seiten-Adresse: https://www.biooekonomie-bw.de/fachbeitrag/aktuell/outdoor-ausruestung-aus-cellulose-rizinusoel-und-kaffeesatz-funktionell-und-langlebig