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Rezension: “Knowledge-Driven Developments in the Bioeconomy: Technological and Economic Perspectives”

Ein internationales Forschungsnetzwerk unter der Leitung der Universität Hohenheim beleuchtet das Konzept der wissensbasierten Bioökonomie aus unterschiedlichen Perspektiven. Die Transformation unseres fossil-basierten Wirtschaftssystems – des Status quo – hin zu einem biobasierten, nachhaltigen Produktionssystem geht mit vielfältigen und komplexen Herausforderungen einher. Diese beschränken sich aufgrund der globalen Verflechtungen keineswegs nur auf einzelne Länder oder Regionen. Gleichzeitig sind Innovationen und intensive Forschung unabdingbar, um das Konzept der Bioökonomie zu implementieren.

Insgesamt sechs auf dem Bereich der Bioökonomie führende Universitäten aus Deutschland, Brasilien, Mexiko, Kanada und Dänemark haben sich im strategischen Netzwerk „Bio-based Economy (BECY)“ unter der Leitung der Universität Hohenheim zusammengeschlossen, um die Forschung und internationale Kooperation in diesem Bereich voranzutreiben1. Gemeinsam mit weiteren Experten auf dem Gebiet hat das Netzwerk nun ein Buch herausgegeben, in dem aktuelle Forschungsergebnisse dargestellt und Handlungsempfehlungen gegeben werden.

Buch-Cover “Knowledge-Driven Developments in the Bioeconomy: Technological and Economic Perspectives” © Springer International Publishing AG

Eröffnet wird das Buch mit einem Artikel des Wirtschaftswissenschaftlers Prof. Dr. Andreas Pyka, Professor am Fachgebiet Innovationsökonomik an der Universität Hohenheim. Er beschreibt darin, wieso die Ansätze der neoklassischen Wirtschaftslehre bei der Transformation des aktuellen Wirtschaftssystems hin zur Bioökonomie nur bedingt anwendbar sind und plädiert stattdessen für neo-schumpetersche Wirtschaftskonzepte. Denn letztere konzentrieren sich statt auf rein quantitatives, kurzfristiges Wirtschaftswachstum eher auf qualitative Aspekte und die langfristige Änderung fundamentaler Wirtschaftsstrukturen.

Und genau das ist es, was für die Etablierung der Bioökonomie notwendig ist. Denn rein technische Innovationen reichen laut Pyka für die Umstellung auf ein biobasiertes Produktionssystem nicht aus. Auch politische und sozioökonomische Faktoren spielen eine bedeutende Rolle und geben meist den entscheidenden Anstoß zum Wandel. Als Beispiel nennt der Forscher das Aufkommen der sogenannten „Sharing Economy“, bei der sich Konsumenten Güter teilen anstatt sie individuell zu kaufen. Auf diesen gesellschaftlichen Trend reagiere die Industrie wiederum mit nachhaltigerem Produktdesign und die sogenannte geplante Obsoleszenz verliere an Bedeutung. Es entstünden neue digitale Plattformen und Wirtschaftssektoren (z.B. im Bereich Reparatur/Wartung). Weiterhin sieht Pyka politische Akteure in der Pflicht, wirtschaftliche Entwicklungen nicht nur zu regulieren, sondern sie auch bewusst zu steuern. Beispielsweise, indem Anreize für ein kooperatives Wirtschaftssystem geschaffen werden, welches Wissenstransfer und Netzwerke zwischen Unternehmen und Konsumenten und damit verbundene Synergien fördert.

Einen Blick in die Zukunft wirft Dr. Pier Paolo Saviotti von der Utrecht University in den Niederlanden in seinem Beitrag „Structural Change, Knowledge and the Bioeconomy“. Er beschreibt, welche strukturellen Veränderungen im Zuge der Bioökonomie sowohl auf nationaler als auch auf geopolitischer Ebene zu erwarten sind. So geht Saviotti davon aus, dass bestimmte, fossil-basierte Industriezweige verschwinden, während neue (z.B. im Bereich Molekularbiologie) entstehen werden. Gleichzeitig würden Biomasse-Produzenten im Gegensatz zu Erdöl- oder Kohle-Produzenten von dem Wandel profitieren – ein struktureller Wandel also, der auch geopolitisches Konfliktpotenzial birgt. Gleichzeitig merkt Saviotti an, dass die Bioökonomie eigentlich ein altes Konzept ist, welches vor der industriellen Revolution den Status quo darstellte. Er schätzt, dass eine Umstellung unseres Wirtschaftssystems wieder hin zu bioökonomischen Prinzipien selbst unter günstigsten Bedingungen noch mindestens das gesamte 21. Jahrhundert andauern würde.

Den Grund dafür beschreibt Hugo de Vries von der University of Montpellier treffend. Er spricht von einem Paradox der Bioökonomie und meint damit die komplexe Aufgabe, ökonomisches Wachstum mit sozialen und umweltrelevanten Belangen zu verknüpfen. In seinem Beitrag „Some thoughts about the Bio-economy as Intelligently Navigated Complex Adaptive System“ stellt er ein Modell vor, welches helfen soll, die Komplexität des Problems zu verstehen und daraus konkrete Handlungsanweisungen für die Innovationsforschung abzuleiten.

Ausgehend von diesen theoretischen und eher allgemeinen Überlegungen aus dem ersten Teil des Buches, werden im zweiten Teil einzelne Länder oder Regionen und die spezifische Situation bezüglich der Bioökonomie dargestellt. Während die ersten beiden Beiträge einen Überblick über regionale und nationale Unterschiede in der EU beziehungsweise in Zentralamerika geben, werden anschließend in vier Beiträgen Brasilien, Tasmanien, Malaysien und Dänemark im Speziellen behandelt.

Noch spezifischer wird es im dritten Kapitel des Buches, welches sich mit der Bereitstellung der Biomasse für eine biobasierte Wirtschaft beschäftigt. Die Co-Herausgeberin Prof. Dr. Iris Lewandowski (Universität Hohenheim) diskutiert in ihrem Beitrag die Frage, ob und wie die globale Biomasseproduktion nachhaltig der steigenden Nachfrage im Rahmen der Bioökonomie angepasst werden kann. In den folgenden Beiträgen werden drei Kulturpflanzen dargestellt, die eine Schlüsselrolle in der Bioökonomie einnehmen: Zuckerrohr, Eukalyptus und Mais. Während bei Zuckerrohr und Eukalyptus in Brasilien vor allem die energetische Nutzung (Biotreibstoff, Energie) vorherrscht, werden in Kanada biobasierte Kunststoffe aus Mais gewonnen.

Im letzten Kapitel geht es schließlich um die Umsetzung der theoretischen Ansätze in innovative Wertschöpfungsketten und Technologien. Diesbezüglich wird zunächst der aktuelle Stand der Forschung dargestellt, bevor konkrete Handlungsanweisungen zum Management biobasierter Wertschöpfungsketten gegeben werden. Außerdem wird anhand eines Fallbeispiels aus Costa Rica gezeigt, wie aus regionaler Biomasse (hier Kuhdung) ökonomisch und ökologisch nachhaltig Energie und organischer Dünger gewonnen werden können.

Das Buch “Knowledge-Driven Developments in the Bioeconomy: Technological and Economic Perspectives” hält, was der Titel verspricht und widmet sich auf insgesamt über 300 Seiten dem Konzept der Bioökonomie aus unterschiedlichen Perspektiven. Angefangen bei theoretischen, konzeptionellen Überlegungen zur Bioökonomie aus wirtschaftswissenschaftlicher Perspektive über die Diskussion der Bedeutung politischer und sozioökonomischer Rahmenbedingungen anhand verschiedener Länder und Regionen bis hin zu spezifischen, technischen Fragestellungen hinsichtlich der nachhaltigen Bereitstellung von Biomasse und schließlich der Darstellung aktueller Anwendungsbeispiele – allen Teilaspekten der Bioökonomie wird in dem Werk Rechnung getragen. Damit folgt es dem holistischen Ansatz, welcher zentraler Bestandteil des Bioökonomie-Konzeptes ist2, und wird gleichzeitig zur Pflichtlektüre für alle Experten und Neueinsteiger auf dem Gebiet der Bioökonomie.

Literatur:

1. Universität Hohenheim BECY. Available at: https://becy.uni-hohenheim.de/. Zugegriffen April 28, 2018.

2. Dieckhoff P. Auf Dem Weg Zur Biobasierten Wirtschaft. Berlin; 2016.

3. Dabbert S., Lewandowksi I., Weiss J., Pyka A. Knowledge-Driven Developments in the Bioeconomy: Technological and Economic Perspectives. 2017:325.

Seiten-Adresse: https://www.biooekonomie-bw.de/fachbeitrag/aktuell/rezension-knowledge-driven-developments-in-the-bioeconomy-technological-and-economic-perspectives