SteamBio – Biomassereststoffe aus ländlichen Räumen als flexibler Rohstoff für die Produktion von Chemikalien und Energie
Biomasse stellt die Hauptressource der Bioökonomie dar. Allerdings liegt diese in der Regel dezentral vor und verfügt über eine niedrige energetische Dichte. Für eine wirtschaftliche Nutzung resultieren hieraus einige Herausforderungen. Eine Projektgruppe rund um das Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB Stuttgart hat sich diesen gestellt und demonstriert, wie Biomasse aus ländlichen Räumen für industrielle Prozesse zugänglich gemacht werden kann.
Mithilfe des SteamBio-Verfahrens können lignocellulosehaltige Substrate, wie zum Beispiel Rebschnitt, verarbeitet und konserviert werden. Im Vergleich zum Ausgangsprodukt (links) weist die torrefizierte Biomasse (rechts) eine höhere Energiedichte und bessere Lagerfähigkeit auf.
© Fraunhofer IGB
Erneuerbare und nachwachsende Ressourcen stellen die Basis einer jeden Bioökonomie dar. Agrar- und forstwirtschaftliche Reststoffe gelten dabei durch ihre weitreichende Verfügbarkeit und geringe Kosten als vielversprechende Ressourcen. Allerdings liegen diese nicht zwangsläufig in den geeigneten Formen für eine eingängige industrielle Nutzung vor. So ist Biomasse im Allgemeinen durch einen verhältnismäßig hohen Feuchtigkeitsgehalt gekennzeichnet. Im Vergleich zu fossilen Rohstoffen wie zum Beispiel Kohle resultiert hieraus eine geringere Energiedichte und eine Anfälligkeit für biologische Abbauprozesse. Hinzu kommt, dass agrar- und forstwirtschaftliche Rohstoffe lediglich dezentral bereitgestellt werden können und als Feststoffe vorliegen, weshalb beispielsweise ein Transport in Pipelines, wie im Falle von Erdöl oder -gas, nicht möglich ist. In Kombination erschweren diese Faktoren die industrielle Nutzung und Verarbeitung biotischer Ressourcen und können die Rentabilität biobasierter Wertschöpfungsketten beeinträchtigen. Für eine erfolgreiche Transformation hin zu einer biobasierten Wirtschaftsweise müssen innovative Konzepte daher diesen Herausforderungen gerecht werden und deren Wirtschaftlichkeit sicherstellen.
Ein europäisches Projektkonsortium um das Fraunhofer IGB Stuttgart hat sich dieser Problematik angenommen und sich das Ziel gesetzt, Biomasse aus ländlichen Räumen als flexible Alternative zu fossilen Ressourcen zu etablieren und für industrielle Prozesse zu erschließen. Im Rahmen des Vorhabens konzentrierten sich die Projektpartner auf lignocellulose-haltige Reststoffe aus der Agrar- und Forstwirtschaft, die mithilfe eines semi-mobilen, dezentralen Prozessmoduls einer optimierten energetischen und stofflichen Nutzung zugänglich gemacht werden sollten. Durch ein innovatives Verfahren sollten dabei neben einem optimierten Feststoff zusätzlich organische Substanzen als wertvolle Plattformchemikalien für die Chemieindustrie gewonnen werden. Somit könnten weiter entfernte Industrie- und Verarbeitungsstandorte kosteneffektiv mit biobasierten Ausgangsprodukten versorgt werden. Hierfür brachten zwischen Februar 2015 und Juli 2018 elf Partner aus vier europäischen Ländern* ihre Kompetenzen und Fähigkeiten in ein interdisziplinäres Team ein. Die Teammitglieder gehörten sowohl Forschungseinrichtungen als auch Unternehmen an und deckten in gleichem Maß ingenieurswissenschaftliche und betriebswirtschaftliche sowie ökologische Aspekte des Projektvorhabens ab.
Das SteamBio-Verfahren…
Für die Verarbeitung der Reststoffe setzen die Projektpartner auf eine Verfahrenskombination aus Trocknung und Torrefizierung. Bei der Trocknung entweicht zunächst das in der Biomasse enthaltene Wasser, bevor bei der Torrefizierung einer der drei Biomassehauptbestandteile, die Hemicellulose, ausgetrieben wird. Hierzu wird die Biomasse unter Sauerstoffausschluss bei Temperaturen bis zu 250 °C behandelt. Als Endprodukt bleibt ein kohleähnlicher Feststoff zurück, der vorwiegend aus Cellulose und Lignin besteht und aufgrund einer höheren Energiedichte (im Vergleich zum Ausgangsprodukt) und wasserabweisender Eigenschaften eine deutlich verbesserte Transport- und Lagerfähigkeit aufweist. Diese torrefizierte Biomasse kann im Anschluss als flexible, klimafreundlichere Alternative zu fossilen Energieträgern verwendet oder mittels des Verfahrens der Vergasung zur Herstellung von Biotreibstoffen oder Chemikalien herangezogen werden.
Die Besonderheit des im Projekt angewandten Verfahrens liegt dabei in der Wahl des Prozessmediums. Durch den Einsatz überhitzten Dampfes unterscheidet sich dieses von klassischen industriellen Trocknungsprozessen. Das Verfahren wurde am Stuttgarter Fraunhofer IGB für die industrielle Anwendung entwickelt und erlaubt unter Zuhilfenahme spezieller Kondensatoren die Rückgewinnung wertvoller organischer Komponenten, die während der Torrefizierung anfallen. Je nach eingesetzter Biomasse können so bis zu 25 % des Eingangsgewichts als organische Substanzen gewonnen werden. Im Fall von Buchenholz ermöglicht dies beispielsweise die Extraktion von Essigsäure, Furanen oder Phenolen, die weiterverarbeitet zur Substitution von fossil-basierten Plattformchemikalien genutzt werden können. Aufgrund der Werthaltigkeit einiger dieser Chemikalien reichen oftmals bereits verhältnismäßig geringe Massenströme aus, um die Rentabilität des gesamten Biomasseverarbeitungsprozesses signifikant zu erhöhen
Im Rahmen des Projekts wurde die Anwendbarkeit des Verfahrens in einem praxisnahen Umfeld im Demonstrationsmaßstab (150 kg Biomasse je Betriebsstunde) getestet und aufgezeigt. Der Hauptteil der notwendigen Prozesstechnik wurde hierfür in einen standardisierten 40-Fuß-Container eingepasst, um den Anforderungen an eine semi-mobile Demonstrationseinheit zu entsprechen. Die Versuche selbst erfolgten an einem Versuchsstandort in Nordspanien, wo lokal verfügbare Reststoffe, wie Olivenbaum- oder Rebschnitte und verschiedene Holzchips, als Inputsubstrate dienten, um die Anwendbarkeit auf unterschiedlichste Reststoffe zu untersuchen. Dabei konnte gezeigt werden, dass eine kommerziell relevante Rückgewinnung der organischen Komponenten mithilfe des Verfahrens möglich ist und regionale agrar- und forstwirtschaftliche Reststoffe in einer ökonomisch gangbaren Form stabilisiert werden können. Dabei wurde deutlich, dass eine weitere Valorisierung der organischen Substanzen eine Schlüsselrolle für einen erfolgreichen kommerziellen Einsatz des Verfahrens einnimmt. Aus diesem Grund wird dieser Bereich einen Schwerpunkt kommender Arbeiten der Projektpartner und des Fraunhofer IGB einnehmen.
… als Chance für den ländlichen Raum
Mit dem Konzept einer dezentralen Verarbeitung von agrar- und forstwirtschaftlichen Rohstoffen wird darüber hinaus ein Grundstein für eine verbesserte Wertschöpfung in ländlichen Räumen gelegt. So ist die Wahl des Versuchsstandortes in einem strukturschwachen aber biomassereichem Gebiet in Nordspanien auch nicht dem Zufall geschuldet, sondern zeigt das Potenzial dieser Räume auf. Das Projekt bewegt sich somit auch im Kontext der Bioökonomie-Vision der baden-württembergischen Landesregierung. Diese favorisiert eine modulare, dezentrale Bioökonomie1, die unter anderem zur Stärkung ländlicher Gebiete beitragen soll. Auch in Baden-Württemberg stehen in diesen Gebieten ungenutzte Ressourcen wie Rebschnitt oder fortwirtschaftliche Reststoffe zur Verfügung. Das beschriebene Verfahren des SteamBio-Projektkonsortiums kann auch für deren Verarbeitung und potenzielle Nutzung eine vielversprechende Herangehensweise darstellen.