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Uni Hohenheim und AVAT: neues Verfahren zur Biogasgewinnung

Partner aus Wirtschaft und Forschung arbeiten an einem neuartigen Verfahren zur Biogasgewinnung. Anders als üblich sollen die chemischen Abbauprozesse räumlich voneinander getrennt ablaufen. Davon versprechen sich die Entwickler schnellere Zersetzungsprozesse, bessere Qualitäten und eine vielseitige Nutzung der einzelnen Abbauprodukte. Wissenschaftler der Universität Hohenheim konstruieren dazu ein dreiteiliges technisches Modul. Die Tübinger AVAT Automation GmbH ergänzt es durch ein ausgefeiltes System an Mess-, Steuer- und Regelungstechnik.

Schematische Darstellung einer Versuchsanlage zur Biogasgewinnung unter räumlicher Trennung. © Lemmer
Der Weg von der Biomasse zu Methan vollzieht sich in drei chemischen Schritten: der primären und sekundären Gärung sowie der Methanogenese. Dr. Andreas Lemmer von der Landesanstalt für Agrartechnik und Bioenergie an der Universität Hohenheim erklärt: „Zunächst wird die Biomasse in langkettige organische Säuren umgewandelt. Diese werden zu Essigsäure, Wasserstoff und Kohlenstoffdioxid umgeformt. Aus den drei Stoffen können Mikroorganismen Methan bilden.“ Chemische Prozesse also, wie sie im Fermenter einer Biogasanlage ablaufen. Doch unterschiedliche Prozesse stellen auch unterschiedliche Anforderungen an das Milieu: Für eine erfolgreiche Methanogenese dürfe der pH-Wert im Fermenter nicht niedriger als 6,8 liegen, die Temperatur nicht über 40 Grad Celsius steigen. Die primäre Gärung jedoch könne deutlich schneller ablaufen, wenn der pH-Wert abgesenkt und die Temperatur erhöht werde, macht Lemmer deutlich. Außerdem könne unter besseren Gärungsbedingungen auch mehr des energetisch wertlosen Kohlendioxids abgespalten und frühzeitig abtransportiert werden.

Modul aus drei Teilen: Fermenter, Bioleaching, Methanreaktor

Die primäre Gärung räumlich von der Methanbildung zu trennen, ist deshalb das Ziel des FABES-Projekts, einem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Verbundprojekt mit Hochschul- und Industriepartnern. Aufgabe der Hohenheimer Forscher ist es, dazu ein technisches Modul aus drei Teilen zu konstruieren: einem Fermenter zur primären Gärung, einem Behälter für das Bioleaching, also für die Trennung der Säuren von den nicht abgebauten Strukturstoffen, sowie einem Reaktor für die Methanbildung. Für den vollautomatischen Betrieb der Forschungsanlage zeichnet das Tübinger Unternehmen AVAT verantwortlich.

Messen, steuern, regeln: Automatisierungs- und Leittechnik aus dem Hause AVAT Automation

Doktorandin Friederike Hahn und Dr. Andreas Lemmer erproben neue Verfahren für die Biogasproduktion. Vor ihnen der Prototyp eines Fermenters zur primären Gärung. © Lemmer

Als Spezialist für Automation und Prozessleittechnik sorgt AVAT für die nötige Mess-, Regel- und Steuerungstechnik des gesamten Moduls einschließlich einer grafischen Anzeige zur Visualisierung eines dynamischen Anlagenabbildes. Drei Ingenieure arbeiten daran, dass Biomasse dem Fermenter pH-Wert-gesteuert zu- und abgeführt wird, dass Messwerte kontinuierlich durch Sensoren erfasst und Proben zeitgleich automatisch entnommen werden. Anwender sollen anhand von Sollwertparametern in die Abläufe eingreifen und diese steuern können. „Die Herausforderung im FABES-Projekt besteht darin, die wissenschaftliche Ausarbeitung in die technische Umsetzung zu transferieren“, erläutert der bei AVAT für FABES verantwortliche Projektleiter Hartmut Schäffer. „Der Erfolg des Projekts wird sich daran messen, ob sich der Wirkungsgrad einer Biogasanlage mithilfe des innovativen Verfahrens tatsächlich erhöhen lässt.“

Doch schon bevor der Erfolg des FABES-Projekts beurteilt werden muss, können AVAT und die Universität Hohenheim über gute Zusammenarbeit berichten. Für Heinz Hagenlocher von AVAT Automation war sie der „anspruchsvolle Einstieg in das Biogasgeschäft“. Während seiner Studie über den Markt für Biogasanlagen stieß er auf die öffentliche Ausschreibung zum Bau einer Forschungsbiogasanlage auf dem Unteren Lindenhof in Eningen unter Achalm. Nach erfolgreicher Bewerbung lieferte der von ihm verantwortete Geschäftsbereich Energy Automation Solutions (EAS) auch hierfür die Prozessautomatisierung sowie das Prozessleitsystem. Der Einstieg ins Biogasgeschäft ist für Hagenlocher ein logischer Schritt aus Sicht des Unternehmens. Schließlich kennt es sich bestens mit der Automation von Anlagen zur dezentralen Energieerzeugung aus, speziell mit Blockheizkraftwerken, welche mittels Kraft-Wärme-Kopplung aus Biogas Strom und Wärme erzeugen.

Anforderungen an das FABES-Modul: in Größe und Einsatz flexibel

Neben Systemlösungen für die Automation und Leittechnik des FABES-Moduls liefert AVAT auch Software zur Visualisierung der Betriebsabläufe wie hier am Beispiel der Forschungsbiogasanlage am Unteren Lindenhof in Eningen unter Achalm. © AVAT Automation

FABES ist übrigens ein Kunstwort, das sich aus den Anfangsbuchstaben des Gesamtvorhabens ableitet: einen gerichtet Fermentativen Aufschluss von Biomasse für eine kombinierte Energetische und Stoffliche Nutzung zu erzielen. „Ziel ist ein Modul, das in Größe und Einsatz flexibel ist“, erklärt Lemmer. Es soll mit sämtlichen organischen Materialien zurechtkommen und an sämtlichen Orten einsetzbar sein, an denen solche anfallen. Die räumliche Trennung der Prozessschritte soll darüber hinaus der Idee einer Bioraffinerie nachkommen, also sowohl einen energetischen als auch einen stofflichen Gebrauch der Abbauprodukte ermöglichen. Lemmer nennt die thermische Verwertung der Faserstoffe und die chemische Nutzung organischer Säuren als Beispiele.

Drei Jahre lang haben die Verbundpartner Zeit, ihre Ziele zu verfolgen. Solange werden sie dabei im Rahmen der Förderinitiative „BioEnergie 2021“ vom Bundesministerium für Bildung und Forschung über den Projektträger Jülich (PtJ) unterstützt. Lemmer sieht die Wissenschaft auf einem guten Weg, Biogas bald in Erdgasqualität produzieren zu können. Für ihn persönlich wäre es ein Highlight seiner Forscherkarriere.

Seiten-Adresse: https://www.biooekonomie-bw.de/fachbeitrag/aktuell/uni-hohenheim-und-avat-neues-verfahren-zur-biogasgewinnung