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Wie Mikroalgen Kohlendioxid binden und als Rohstoff dienen

Das Wachstum von Algen ist im Vergleich mit dem anderer Biomassen äußerst effektiv. Pro Quadratmeter und Jahr kann ein Vielfaches der Masse anderer Energiepflanzen abgeerntet und verwertet werden. Darüber hinaus kann beinahe ihre gesamte Masse als Rohstoff, zum Beispiel in der Pharmaindustrie, genutzt werden. Eine effektive Technologie zur industriellen Produktion von Mikroalgen kann daher einen erheblichen Beitrag sowohl zur Energie- und Stoffwirtschaft als auch zum Klimaschutz leisten. Die Firma GICON setzt zu diesem Zweck auf einen Photobioreaktor nach dem Tannenbaumprinzip, der sich durch eine effektive Minimierung der produktivitätshemmenden Bildung von Biobelag auszeichnet.

Über ihr schnelles Wachstum hinaus besitzen Algen die weitere nützliche Eigenschaft, dass sie Kohlendioxid als Kohlenstoffquelle nutzen und so sehr effektiv binden können. Kohlendioxid kann dabei direkt am Ort seiner Entstehung gebunden werden, sodass mögliche schädliche Effekte seines Entstehens auf die Umwelt verringert werden können. Die bei der Produktion von Mikroalgen gewonnene Biomasse kann sowohl als Rohstoff in der pharmazeutischen Industrie als auch zur Herstellung von Nahrungsergänzungsmitteln, Kosmetika, Treibstoffen oder Tierfutter verwendet werden.

Funktionsmuster eines Photobioreaktors nach dem Tannenbaumprinzip in Köthen. © GICON GmbH

Schon heute werden Algen industriell auf verschiedene Arten hergestellt, wobei zwischen offenen und geschlossenen Produktionssystemen unterschieden wird. „Offene Systeme sind zum Beispiel natürliche Seen und künstliche offene Becken; als geschlossene Systeme sind vor allem Rohrphotobioreaktoren oder Plattenphotobioreaktoren im Gebrauch“, so Heribert Krämer, der Fachbereichsleiter Nassvergärungstechnologie bei der GICON GmbH. Der Nutzen dieser Systeme wird jedoch bislang durch mehrere Einschränkungen reduziert. So nimmt die Wirtschaftlichkeit solcher Systeme ab, je größer sie werden; außerdem weisen sie für angestrebte Produktqualitäten einen sehr hohen Energieverbrauch auf. „Bei einem nennenswert geringeren Energieeinsatz dagegen ist die Herstellung von Biomasse reproduzierbarer Qualität nicht möglich“, so Heribert Krämer. Außerdem wird die Produktivität solcher Anlagen durch unzureichende Temperaturführung eingeschränkt. Das vielleicht größte Hindernis auf dem Weg zur industriellen Nutzung der Mikroalge ist allerdings die Biobelagbildung.

Maximale Ausbeute durch ‚Tannenbaumprinzip‘

Diese Probleme versucht die Firma GICON durch die Entwicklung eines Photobioreaktors nach dem ‚Tannenbaumprinzip‘ anzugehen, das seinen Namen aufgrund der äußeren Erscheinung der Anlage erhalten hat. „Das gewählte Konzept zur Entwicklung einer Plattformtechnologie zur industriellen Produktion von Mikroalgen beruht auf dem Ansatz eines flexiblen, tubulären Systems in biogener Aufstellung“, erklärt Heribert Krämer. „Das Tannenbaumprinzip gewährleistet aufgrund seiner 3D-Struktur zudem eine maximale Lichtausbeute durch minimierte Verschattung bei geringer Stellfläche.“ Der evolutionäre Erfolg der Licht einfangenden Struktur eines Tannenbaums mag einen Hinweis geben. „Grundsätzlich benötigen die Algen für optimales Wachstum kein grelles Sonnenlicht; das Licht eines bewölkten Tages reicht normalerweise aus“, betont Krämer. ‚Verschattungen‘ durch Bauteile werden dagegen als vermeidbare Effizienz-Hindernisse zu minimieren versucht.

Die GICON GmbH gestaltete die weltweit erste Mikroalgen-Produktionsanlage in Klötze, Sachsen-Anhalt, mit 20 Photobioreaktoren und einem Nutzvolumen von ca. 700.000 Litern auf ca. 1,2 Hektar. © Bioprodukte Prof. Steinberg GmbH

Der gewählte Konstruktionsansatz verspricht außerdem, eine Algenimmobilisierung – und damit Biobelagbildung – an den Lichteintrittsflächen bei zugleich möglichst geringem Energieeintrag zu verhindern. „Notwendig geworden ist dafür die Entwicklung einer neuen Oberflächenbeschichtung – aus ebenfalls neu entwickelten Kunststoffen – der Rohre, aus denen der Wachstumsraum des ‚Tannenbaums‘ aufgebaut ist, sowie eine optimierte Zirkulationstechnik“, erklärt Krämer. Sie ermöglicht, das System ohne externe Kühlung temperaturzusteuern und erlaubt seinen Einsatz in verschiedenen Klimazonen – womit ein weiteres kritisches Hindernis der industriellen Produktion von Mikroalgen angegangen werden kann. Der Photobioreaktor nach dem ‚Tannenbaumprinzip‘ verringert somit Instandhaltungskosten und erhöht die Produktivität entsprechender Anlagen.

Was die neue Technologie verspricht

Durch die steuerbare Temperaturführung des Prozesses können die Kosten für großflächige Produktionsanlagen – unter anderem durch den Wegfall von Gewächshäusern –, um bis zu dreißig Prozent gesenkt werden; außerdem wird es möglich, vorgegebene Produktqualitäten reproduzierbar zu erzielen. „Da das Herstellungsverfahren bei konstanter Temperatur implementiert werden kann, ist es möglich, den Kohlendioxid- und Nährstoffeinsatz in Abhängigkeit von der Wachstumsrate prädiktiv zu steuern, was als Voraussetzung für den Einsatz industrieller Großanlagen mit einer ‚Anbaufläche‘ von mehreren hundert Hektar wesentlich ist“, so Heribert Krämer.

Gesucht: schnellwachsende Mikroalgen-Stämme

Photobioreaktoren der Anlage in Klötze, Sachsen-Anhalt. © Bioprodukte Prof. Steinberg GmbH

Die Entwicklung des mit geschlossenen Kreisläufen arbeitenden Algenbioreaktors ist die Grundlage für die Entwicklung weiterer neuer Technologien. „So soll Kohlendioxid aus Biogas und anderen Industrieabgasen fixiert und mit einer stofflich-energetischen Verwertung der Restalgenbiomasse gekoppelt werden, während das restliche Methan ebenfalls weiterverwendet werden kann“, fasst Heribert Krämer zusammen. Die bereits bekannten Mikroalgenstämme sollen unter Laborbedingungen in ‚Minireaktoren‘ noch genauer untersucht, die am schnellsten wachsenden identifiziert und einer industriellen Nutzbarmachung zugeführt werden. „Die Aufmerksamkeit hat sich jüngst von der Kultivierung einzelner Algenstämme hin zur Optimierung der Produktivität verschoben, wobei zwischen einfachem Zellwachstum und der Herstellung besonders hochwertiger Produkte unterschieden werden muss“, so Krämer. Auch die verschiedenen Verfahren zur Aufbereitung der Algenbiomasse wie Zell-Ernte, Zell-Aufschluss, Isolierung und Reinigung werden derzeit auf weitere Optimierungsmöglichkeiten untersucht. Im Mittelpunkt der Bemühungen steht dabei zum einen die Erhöhung der Algenkonzentration im Algengemisch, zum anderen die Entwicklung angepasster Prozesstechnologien, mit denen auf die Zellmembran unterschiedlicher Algen spezifisch Einfluss genommen werden soll. Kosteneffiziente Nährmedien und die Nutzung von Abwasser zur Algenkultivierung sollen weiter Kosten senken sowie Abwärme aus Biogas- und Blockheizkraftwerken in die Algenproduktion integriert werden.

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