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„Zum Verheizen zu kostbar“ - Möglichkeiten der Bioenergie

Eine 2012 veröffentlichte Studie der Leopoldina wies auf Grenzen der Bioenergie hin und wurde darum häufig als „Abrechnung“ mit der Bioenergie interpretiert. Der Mikrobiologe Prof. Dr. Bernhard Schink von der Universität Konstanz ist Mitglied der Leopoldina und war als Koordinator entscheidend an der Studie beteiligt. Entgegen der vorschnellen Interpretation befürwortet er die Nutzung der Bioenergie. Doch sieht er teilweise auch sinnvollere Einsatzmöglichkeiten für Biomasse. An der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Gestaltung (HTWG) Konstanz sprach er über Erkenntnisse und Schlussfolgerungen aus der Studie.

Professor Dr. Bernhard Schink erläuterte in seinem Vortrag, wie Biomasse sinnvoll eingesetzt werden kann. © BioLAGO

Seit einigen Jahren findet ein deutlicher Ausbau der Erzeugung von Bioenergie aus Biomasse statt, der in Deutschland vor allem durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) gefördert wird. Darum stieß die 2012 veröffentlichte Studie der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina zur Bioenergie auch auf großes Interesse, da sie deutlich auf Grenzen der Bioenergiegewinnung hinwies (s. „Die Leopoldina-Studie zur Bioenergie – zwischen Aufregung und Missbrauch“). Mit der großen Resonanz und den Reaktionen, die die Studie im Anschluss hervorrief, hatten die Autoren selbst nicht gerechnet. „So etwas gab es in den letzten 350 Jahren der Leopoldina nicht“, bemerkt Prof. Dr. Bernhard Schink. Er leitet den Lehrstuhl für Mikrobielle Ökologie, Limnologie und allgemeine Mikrobiologie an der Universität Konstanz und war als Mitglied der Leopoldina als Koordinator der Studie tätig. In seiner Forschung befasst er sich unter anderem mit dem Energiestoffwechsel von anaeroben Bakterien, die am Abbau von Biomasse in Seesedimenten oder Biogasreaktoren beteiligt sind. Auf Einladung des VDE Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik e.V. sprach er an der HTWG in Konstanz über die Frage, wieviel biologische Prozesse überhaupt sinnvoll zur Lösung der Energieproblematik beitragen können.

Von der Pflanze zum nutzbaren Energieträger

Um Biomasse in Form von beispielsweise Pflanzenabfällen überhaupt als Energielieferant nutzen zu können, muss sie natürlich zuerst zu Brennstoff umgewandelt werden. „Die einfachste und häufigste Methode stellt hier die Vergärung von Pflanzenteilen zu Methan, also sogenanntem Biogas dar“, erklärt Schink. Im Vergleich zur vollständigen Verbrennung der Biomasse gehen bei dieser Umwandlung nur 15 Prozent der enthaltenen Energie verloren, der Rest ist in Form des Methans gespeichert. „Bei der Vergärung zu Methan handelt es sich um einen uralten, etablierten Prozess, der sich einfach und mit einer Vielzahl von Substraten durchführen lässt“, betont Schink. Da Methan bei Raumtemperatur gasförmig ist, lässt es sich anschließend auch leicht abtrennen. Und selbst der Restschlamm aus diesem Prozess lässt sich noch als wertvoller Dünger einsetzen. Doch auch dieses System hat Nachteile. Holzige Pflanzenteile werden dabei nicht verwertet und generell ist das System träge, das heißt, es stellt sich nur langsam auf neue Substrate um. „Trotzdem ist die Methanbildung unter den mikrobiellen Umsetzungen die aussichtsreichste und effizienteste Methode für die Erzeugung von Bioenergie“, urteilt Schink.

Verfügbarkeit und Nachhaltigkeit von Biomasse

Untersuchung von Enzymen anaerober Bakterien in einem sauerstofffreien Zelt. © Bernhard Schink

Zusätzlich zu den technischen Aspekten der Nutzung und Umwandlung muss natürlich auch überprüft werden, wie viel Biomasse überhaupt zur Energiegewinnung zur Verfügung steht. Von der gesamten auf die Erde einstrahlenden Sonnenenergie wird nur etwa ein Prozent in pflanzliche Biomasse umgewandelt. Wird diese Biomasse zu verwertbaren Energieträgern weiterverarbeitet, so bleiben nur noch maximal 0,6 Prozent der ursprünglichen Sonnenenergie übrig.

„Eine Steigerung der Effizienz der Photosynthese, wie sie teilweise in Wissenschaftskreisen diskutiert wird, macht hier sicher keinen Sinn, da die Energieausbeute auch bei einer verdoppelten Effizienz noch weit unter dem Wirkungsgrad von Solarzellen liegt“, urteilt Schink. Mit modernen Solarpaneelen kann immerhin eine Ausbeute von 12 bis 15 Prozent erreicht werden. In Sachen Flächeneffizienz (welche Ausbeute ist bei welchem Einsatz pro Fläche möglich) sind ebenfalls andere Energieformen rentabler. „Im Gegensatz zu Biodiesel schneidet Brennholz hier recht gut ab, ähnlich wie Photovoltaik“, erläutert Bernhard Schink.

Biologisch-solare Produktion von Wasserstoff - Eine Zukunftsvision?

Die Leopoldina-Studie befasst sich auch mit einer neuen Methoden zur Energieerzeugung: der Produktion von Bio-Wasserstoff durch unmittelbare Kopplung mit der Lichtreaktion. Dabei wird eine "Biobatterie" zur Erzeugung von Wasserstoff genutzt, deren Funktionsweise sich am Prozess der Photosynthese orientiert. In zwei Kompartimenten, die sozusagen Photosystem I und II bei Pflanzen entsprechen, werden beispielsweise unter Verwendung immobilisierter Enzyme zuerst lichtgetrieben Wassermoleküle gespalten und anschließend im zweiten Kompartiment reduziert, wodurch Wasserstoff freigesetzt wird. Diese sehr saubere Technologie habe laut Schink aber leider eine sehr geringe Flächeneffizienz und sei zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht im großen Stil nutzbar. „Durch neue Entwicklungen könnte dieser Bereich in Zukunft wichtiger werden, aber momentan ist das noch weit entfernt“, so der Mikrobiologe.

Biomasse - mehr als nur eine Energiequelle

Grundsätzlich bewertet Bernhard Schink die Biomasse als wertvollen Rohstoff, der auch genutzt werden sollte, sowohl im Bereich der Bioenergie als auch der Bioökonomie. Ein großer Vorteil der biologischen Energieträger wie Methan oder Bioethanol ist sicherlich, dass sie gespeichert werden können. „Doch die Nutzung von Biomasse kann in Deutschland sinnvollerweise nicht viel mehr als fünf Prozent des aktuellen Energieverbrauchs decken“, relativiert er. Denn eine größer angelegte Bioenergieproduktion würde eine Konkurrenz zu Nahrungsmitteln darstellen und wäre voraussichtlich nur durch erhöhten Biomasse-Import möglich. Bei Holz stellt außerdem die direkte Verbrennung die ergiebigste Nutzung dar. „Die mikrobielle Produktion von Energieträgern sollte sich darum auf die Nutzung von pflanzlichen Abfällen aus Landwirtschaft und häuslichen Abfällen konzentrieren“, zieht Schink sein Fazit.

Neben der Nutzung zur Energiegewinnung gibt es natürlich noch andere Möglichkeiten zur Verwertung von Biomasse, beispielsweise als Rohstoff im Sinne der Bioökonomie. „Biomasse ist sehr wertvoll für die chemische Industrie, da pflanzliche Ausgangssubstanzen für die chemische Synthese vieler Stoffe genutzt werden und damit erdölbasierte Grundstoffe ersetzen können“, erläutert Schink. Aus Cellulose können beispielsweise Geschmacksverstärker wie Succinat, Süßungsmittel wie Asparaginsäure (zur Herstellung von Aspartam), Sorbit und weitere Substanzen wie Glycerin oder Fumarsäure produziert werden. „Vor diesem Hintergrund sind bestimmte Teile der Biomasse zu kostbar, um sie zu verheizen, da sie sinnvoller verwendet werden könnten“, urteilt Schink.

Seiten-Adresse: https://www.biooekonomie-bw.de/fachbeitrag/aktuell/zum-verheizen-zu-kostbar-moeglichkeiten-der-bioenergie