Zurück auf Los im Meiosefeld
Lange glaubte man zu wissen, wie Meiose funktioniert, welche Regulatoren wichtig sind und welcher Komplex dafür aufgebaut werden muss. Nun haben Forscher um Dr. Andrea Pichler und Dr. Helene Klug am Max-Planck-Institut für Immunbiologie und Epigenetik in Freiburg herausgefunden, dass doch vieles zumindest ein bisschen anders ist als bislang gedacht. Warum es wichtig ist, sich die biochemischen Mechanismen genau anzuschauen, und dass Hefezellen anders als Säugerzellen funktionieren, das zeigen Pichler und Klug in ihrer neuesten Arbeit.
Das sumoylierte E2-Enzym (rot) verknüpft meiotische SUMO-Ketten (gelb).
© Dr. Andrea Pichler, MPI für Immunbiologie und Epigenetik Freiburg
In der Hefe wie im Säugetier müssen permanent biologische Prozesse gesteuert werden. Es werden Proteine aktiviert, gehemmt oder müssen an einen bestimmten Ort gebracht werden. Während bei der DNA-Methylierung oder der Phosphorylierung von beispielsweise Transkriptionsfaktoren kleinere chemische Modifikationen durch Enzyme in nur einem Schritt erledigt werden können, ist der Mechanismus bei der Ubiquitinierung sowie der Sumoylierung wesentlich komplexer. Hier werden ganze Proteine wie Ubiquitin und SUMO (Small Ubiquitin-related Modifier) über mehrere Enzyme in einer Reaktionskaskade an das Substrat angehängt, genauer gesagt über eine stabile Bindung mit ihm verknüpft. Das veränderte Protein kann dann als regulatorisches Signal fungieren und beispielsweise für seinen eigenen Abbau im Fall von Ubiquitin oder für die Organisation des Chromatins im Fall von SUMO dienen.
Je nachdem, ob die Substrate einfach oder mehrfach ubiquitiniert oder sumoyliert sind, beeinflussen sie völlig unterschiedliche Aktivitäten. Die Wirkung der SUMO-Modifikation auf ein Protein ist schwer vorhersagbar, teils, weil sie sehr heterogen ist, teils, weil viele Aspekte noch im Dunkeln liegen. Sicher ist aber, dass für eine Sumoylierung mindestens zwei, meist drei Enzyme benötigt werden, wobei das erste von ihnen (E1) SUMO aktiviert, damit es über ein konjugierendes E2 mit oder ohne Hilfe eines E3 auf ein zu modifizierendes Protein übertragen wird und letztlich eine Bindung zwischen SUMO und dem Protein herstellt.
Synaptonemaler Komplex ähnelt Reißverschluss
Eine wichtige Rolle spielt offenbar die Sumoylierung bei einem für die Fortpflanzung wesentlichen Vorgang. In der Meiose bildet sich zwischen den homologen Chromosomen eine Proteinstruktur aus, die man zwar seit fünfzig Jahren kennt, deren Bedeutung jedoch bis heute nicht ganz geklärt ist: Der synaptonemale Komplex. Er existiert tatsächlich nur während weniger Stunden in der Meiose und war hinsichtlich seiner Funktion schon Ziel zahlreicher Spekulationen.
„In jedem Lehrbuch steht, der synaptonemale Komplex sei essenziell für die Meiose“, bemerkt Dr. Andrea Pichler vom MPI für Immunbiologie in Freiburg, „man weiß aber bis heute nicht, was er wirklich macht.“ Der Komplex, eine leiterförmige Struktur, bei der das Zentralelement die beiden Seitenelemente wie Sprossen einer Leiter verbindet, ist der Ort, an dem der Austausch mütterlicher und väterlicher Erbinformation während der Reifeteilung stattfindet. „Der erste Gedanke war, dass er die homologen Chromosomen zusammenhält, weil er aussieht wie ein Reißverschluss“, erklärt Dr. Helene Klug aus Pichlers Arbeitsgruppe, „darum heißen einige der beteiligten Proteine auch Zipper.“
Was die beiden Wissenschaftlerinnen und ihre Kollegen kürzlich herausgefunden haben, mag so manchem Forscher vielleicht nicht gefallen. Pichler und Klug erforschen vor allem die Regulation des zweiten Enzyms (E2) in der Sumoylierung verschiedener Stoffwechselwege. Dieses Enzym wird selbst sumoyliert und spielt für die Ausbildung des synaptonemalen Komplexes eine große Rolle, indem es SUMO-Ketten bildet.
Überraschenderweise war der Komplex an sich gar nicht so wichtig in der Gesamtmeiose wie bisher angenommen. Wird E2 nämlich experimentell nicht sumoyliert, kann sich der synaptonemale Komplex nicht richtig aufbauen. Die homologen Chromosomen liegen trotzdem noch schön beieinander und Meiose findet dennoch statt. „Insofern zeigen wir, dass der Komplex nicht essenziell für die Meiose ist, zumindest nicht in seiner vollen Ausprägung“, so Pichler, „was die Struktur in der Meiose betrifft, müssen alle nochmal zurück zum Start und in eine neue Richtung denken.“
In Gegenwart des sumoylierten E2-Enzyms kann der synaptonemale Komplex zwischen den homologen Chromosomen ausgebildet werden. Kann das E2-Enzym nicht mit SUMO modifiziert werden, fehlt der Komplex.
© Dr. Andrea Pichler, MPI für Immunbiologie und Epigenetik Freiburg
Biochemischen Geheimnissen auf der Spur
Sicher ist, dass der synaptonemale Komplex etwas tut, und Pichler vermutet, dass es über Generationen einen Nachteil geben wird, wenn er geschädigt ist. Eine Möglichkeit wäre, dass er das Crossover limitiert, so dass nicht zu viele Chromosomenanteile der Eltern untereinander getauscht werden, da jedes Crossover-Ereignis immer ein Risiko für DNA-Schädigungen birgt.
Für Pichler und Klug war es ein Zufall, dass sie diese Funktion in der Meiose gefunden hatten. Viel interessanter finden sie aber, wie das E2 in der Sumoylierung reguliert ist, also den Schritt, bevor irgendwelche Auswirkungen sichtbar werden. „Für manche ist das sehr biochemisch und sehr trocken, aber nur durch solche Erkenntnisse kann man Geheimnissen auf die Spur kommen und eine neue Richtung vorgeben“, bekräftigt Pichler.
Ihre zentralen Fragen sind dabei, wie SUMO und Ubiquitin an ein Substrat angehängt werden und welche Konsequenz es hat, wenn das Schritt-2-Enzym dereguliert ist. Da E2 in der Sumoylierung eine tragende Rolle hat und die Sumoylierung ihrerseits wichtig für die DNA-Reparatur ist, liegt es nahe, dass es zu Mutationen im Erbgut kommen kann, wenn E2 nicht in der optimalen Menge vorhanden ist. Krankheiten wie Krebs wären eine mögliche Folge. In der Tat fand man eine Korrelation zwischen einer Überexpression von E2 und bestimmten Krebsarten. Gibt es zu wenig des Enzyms, laufen viele Vorgänge in der Zelle einfach nicht mehr ab, denn man hat keine SUMO-Modifikation mehr, die in sämtlichen Prozessen nötig ist.
Von Hefen und Säugern
Auf der Suche nach den biochemischen Mechanismen, wie die Enzyme bei der Sumoylierung in der Hefe (Saccharomyces cerevisiae) arbeiten, stieß Pichler mit ihrem Team wieder auf etwas, das möglicherweise nicht alle Wissenschaftler gerne hören.
Die Hefe als Eukaryot ist deshalb ein beliebtes Forschungsobjekt, weil sie uns Menschen sehr viel ähnlicher ist als die prokaryotischen Bakterien. Daher hat man stets die Hoffnung, festgestellte Resultate auf Säugetiere übertragen zu können und weitläufige medizinische Konsequenzen daraus zu ziehen. Die Biochemikerin fand jedoch, dass bei der Sumoylierung das E2 in Hefe und in Säugerzellkulturen auf unterschiedliche Art agiert. Offenbar kann ein einziges Säuger-E2 auch noch die Funktion einer nachgeschalteten E3-Ligase erfüllen, während das Hefe-E2 in einem komplizierten Mechanismus selbst inaktiviert wird, dann aber mit einem aktiven anderen E2 zusammenarbeitet, um die Sumoylierung zu vollenden. „Wir waren auch überrascht und haben nicht mit einem Unterschied gerechnet“, so Pichler. Andererseits sei es auch wieder beruhigend und offensichtlich, dass Hefen und Menschen nicht ganz identisch seien, wie sie meint.
Aber hinsichtlich Übertragbarkeit vom einen auf den anderen Organismus: Fehlanzeige - zumindest, was die E2-SUMO-Modifikation angeht. Für Pichler ist dies ein Beweis mehr, dass man genau hinschauen muss. „Wenn die molekularen Mechanismen nicht genau bekannt sind, werden oft falsche Schlüsse gezogen und ist man schnell der Meinung, dass in Hefen und Säugern dieselben Prozesse ablaufen. Dabei kann man die Enzyme der beiden nicht bunt mischen - wir haben hier jedes System für sich selbst“, sagt sie.