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Energiegewinnung aus Abfall

Wir verstehen heute sehr gut, was passiert, wenn wir unseren Müll in die Landschaft entlassen. Das gilt für Abfälle aus der Industrie sowie aus privaten Haushalten, aber auch für das Abfallprodukt CO2. Aber Wirtschaftlichkeit geht immer noch zu oft vor Nachhaltigkeit. Die Mülldeponien wachsen, Abfälle gelangen ins Grundwasser, in die Böden oder in die Atmosphäre. Dabei könnten wir zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Denn neben unseren Problemen mit der wachsenden Umweltverschmutzung und der anthropogenen Klimaerwärmung gehen uns auch die fossilen Brennstoffträger aus. Was läge da näher, als das eine mit dem anderen zu kombinieren? Müll ist eine nachhaltige Energiequelle. Wie lässt sich diese Quelle anzapfen?

Deutschland ist bisher in großem Umfang abhängig von fossilen Energieträgern aus Importen: Beim Mineralöl zu 97 Prozent, beim Erdgas zu 83 Prozent und bei der Steinkohle zu 61 Prozent. Abfall als eine erneuerbare Energiequelle zu nutzen, ist eines der Ziele der Energie- und Umweltpolitik, sowohl auf Deutschland- wie auf EU-Ebene. Strom soll fließen, dafür sollen Abfall und CO2 versiegen. In Deutschland entstanden im Jahr 2008 rund 380 Millionen Tonnen Abfall (laut der offiziellen Abfallstatistik des Umweltbundesamts), davon konnten rund 24 Millionen Tonnen in Energie umgewandelt werden. Das Umweltbundesamt möchte die energetische Verwertung von Abfällen noch steigern. Und hier können auch die Life Sciences helfen.

Kleine Lebewesen mit großen Fähigkeiten

Denn Energie lässt sich bei der modernen Abfallentsorgung nicht nur mithilfe der Kraft-Wärme-Kopplung als Heizenergie oder Strom gewinnen, wenn etwa Sperrgut oder biologische Abfälle verbrannt werden. Sie lässt sich auch mit chemischen oder biotechnologischen Verfahren aus den organischen Stoffen extrahieren. Hier sind Innovationen gefragt. Zum Beispiel könnten in Zukunft organische Abfälle in Kläranlagen oder Mülldeponien verwertet werden. Das passiert schon heute, zum Beispiel in einer Anlage des Abwasserzweckverbandes (AZV) Heidelberg, wo Mikroorganismen in einem durch das am Fraunhofer IGB in Stuttgart entwickelten zweistufigen Hochleistungsprozess organische Abfälle vergären. Das Verfahren reduziert die Abfallmenge und setzt gleichzeitig Biogas frei, das zur Energiegewinnung dienen kann.

Eine bakterielle Brennstoffzelle © IMTEK

Ein anderes Beispiel sind bakterielle Brennstoffzellen, die aus organischen Substanzen direkt Strom erzeugen können. Mithilfe spezialisierter Enzyme und Membranproteine können sogenannte exoelektrogene Mikroorganismen Kohlenstoffverbindungen zur eigenen Energiegewinnung abbauen. Dabei werden Elektronen frei, die durch die Membran aus der Zelle gelangen. Mithilfe von speziellen Elektroden können diese Elektronen direkt in einen Stromkreis eingespeist werden. Für die Nutzung des Abfallprodukts CO2 eignet sich hingegen die Algenbiotechnologie: Die grünen Mikroorganismen können wie Pflanzen CO2 mithilfe der Photosynthese in Biomasse umwandeln. Wissenschaftler können die kleinen Lebewesen sogar genetisch optimieren. In einer Versuchsanlage bei Aachen wachsen schon heute Algen im Abgasstrom eines durch RWE betriebenen Kohlekraftwerks und wandeln das emittierte CO2 in Kohlenstoffverbindungen um, die von der Industrie stofflich oder energetisch genutzt werden können.

Weichenstellung für die Zukunft

Die Politik stuft das energetische Potenzial der Abfallwirtschaft hoch ein und versucht dieses durch rechtliche Rahmenbedingungen zu fördern. Von besonderer Bedeutung ist etwa das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) in der am 1. Januar 2009 in Kraft getretenen novellierten Fassung. Es dient der Förderung und Entwicklung regenerativer Stromerzeugung in Deutschland. Das EEG garantiert die Einspeisung erneuerbar erzeugten Stroms in das Stromnetz sowie ein Vergütungssystem, das Betreiber von Stromnetzen zur Zahlung einer festen Vergütung an die Erzeuger von Strom aus erneuerbaren Energien verpflichtet. Der Betrag der Förderung setzt sich zum einen aus einer Grundvergütung zusammen, die nach elektrischen Leistungsklassen gestaffelt ist. Zum anderen aus verschiedenen Boni, die je nach Rahmenbedingungen zur Grundvergütung hinzukommen und etwa Abfallverwertung belohnen.

Die TREA Breisgau im Gewerbegebiet Breisgau ist ein Beispiel für eine Anlage, in der Müll zur Stromerzeugung verbrannt wird. © Giera-Bay

Neben den rechtlichen Förderungsmaßnahmen versucht der Gesetzgeber, Anreize für die Forschung zu schaffen. So zum Beispiel mit dem "Ideenwettbewerb Bioenergie - Neue Wege beschreiten" im Rahmen der Förderinitiative BioEnergie 2021 des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF), bei dem besonders junge Forscherinnen und Forscher aufgerufen werden, sich mit neuen wissenschaftlichen Ideen und Konzepten zu bewerben. Im Jahr 2010 wurde unter anderem ein Team aus Freiburg ausgezeichnet, das sich mit der bakteriellen Brennstoffzelle beschäftigt. Die Potenziale der Energie aus Abfall zu nutzen, bedeutet eine große Herausforderung für Forschung und Technologie. Wissenschaftler müssen die Effizienz der Verfahren noch deutlich steigern, um den Anteil von Energie aus Abfallmaterial zu erhöhen. Und daran müssen sich alle Dispziplinen beteiligen: Materialforscher, Mikrosystemtechniker, Biologen, Chemiker, Physiker und andere.

Müll kann in Zukunft natürlich nicht die einzige Energiequelle sein. Politiker wie Wissenschaftler sind sich einig, dass es auf einen ausgewogenen Mix aus verschiedenen nachhaltigen Energieträgern ankommen wird. Gegenüber landwirtschaftlich nachwachsender Biomasse hat die Energiequelle Müll jedoch einen Vorteil: Energetisch interessante Anbauprodukte wie Raps oder Kurzumtriebsplantagen brauchen Anbauflächen, die auch für die Nahrungsmittelproduktion benötigt werden. In einem solchen Konkurrenzverhältnis steht der Müll nicht. Seine Verbrennung schafft eher Platz. Zwei Fliegen mit einer Klappe eben.

Seiten-Adresse: https://www.biooekonomie-bw.de/fachbeitrag/dossier/energiegewinnung-aus-abfall