zum Inhalt springen
Powered by

Grüne Gentechnik – die umstrittene Zukunftstechnologie

Die Grüne Gentechnik umfasst alle Verfahren, bei denen durch das Einbringen zusätzlicher (oftmals artfremder) Gene in das ursprüngliche Pflanzengenom gentechnisch veränderte Pflanzen erzeugt werden. Hierbei kann es sich um ein einzelnes Gen oder um mehrere Gene handeln, wie es beispielsweise bei der Etablierung eines neuen (artfremden) Stoffwechselwegs erforderlich ist. Erste Freilandversuche mit gentechnisch veränderten Pflanzen wurden im Jahre 1986 in den USA durchgeführt. Seitdem nimmt der weltweite Anbau Jahr für Jahr zu.

Gentechnisch veränderte Pflanzen werden, je nach Ziel der Veränderung, in Pflanzen der ersten, der zweiten und der dritten Generation unterteilt. In Pflanzen der ersten Generation wurden gezielt ein oder zwei Pflanzen-Gene verändert, mit dem Ziel, die agronomischen Eigenschaften der Pflanze, jedoch nicht die Qualität ihrer Produkte zu verbessern. Zu dieser Gruppe gehören Pflanzen mit erhöhter Widerstandsfähigkeit gegen Schädlinge, Herbizide, Trockenheit oder Kälte.
Hierfür werden überwiegend Raps, Mais, Soja und Baumwolle genutzt, die sich bis heute wirtschaftlich durchsetzen konnten; doch auch die Verwendung von Reis findet immer mehr Zuspruch. In Pflanzen der ersten Generation führt die Anwendung der Grüne Gentechnologie zu Vorteilen wie Minderung von Arbeitsaufwand und Kosten beim Anbau sowie Ertrags- und Qualitätssteigerung.

Demgegenüber wurden Pflanzen der zweiten Generation in mehreren Genen verändert mit dem Ziel, bestehende Stoffwechselwege zu modifizieren und somit neue Nahrungsmitteleigenschaften zu erhalten. Hierzu gehören Pflanzen mit gesundheitsfördernden Inhaltsstoffen, auch bekannt unter dem Namen „Functional Food“. Beispiele für Pflanzen mit diesen qualitativen verbesserten Eigenschaften sind Raps- und Sojasorten mit gesünderer Ölzusammensetzung sowie Obst und Feldfrüchte mit geringem Allergen- oder verbessertem Vitamingehalt. Bekannt ist auch der „GoldenRice“ mit der artfremden Fähigkeit, Provitamin A herzustellen. All diese speziell generierten Zusammensetzungen sollen Hunger und Nährstoffmangel in betroffenen Ländern entgegenwirken.

Pflanzen, die als Produktionsstätten für nicht-pflanzliche Produkte dienen, werden als Pflanzen der 3. Generation bezeichnet und unter dem Schlagwort „Molecular Farming“ geführt. Hierbei werden transgene Pflanzen entwickelt und angebaut, um hochwertige pharmazeutische Wirkstoffe oder Diagnostika zu gewinnen. „Impfen mit Bananen“ oder „Antikörperherstellung in Pflanzen“ sind eindrucksvolle Beispiele für diese Anwendung. Vorteil der Pharmazeutika-Produktion in Pflanzen ist ein erhebliches Potenzial zur Kosteneinsparung im Vergleich zu der derzeit durchgeführten Produktion in Mikroorganismen oder Säugetierzellen.

Grüne Gentechnik: Eine Zukunftstechnologie?

Gentechnikgegner zerstörten wiederholt die Felder mit gentechnisch verändertem Mais. © Prof. Schier / HfWU

Aus wissenschaftlicher Sicht bietet die Grüne Gentechnik ein großes Potenzial: Pflanzen werden hierbei zu Lieferanten von Impfstoffen oder auch Nährstoffen, die sie unter normalen Umständen nicht produzieren könnten. Als Ziele der wissenschaftlichen Forschung werden die Hoffnung auf eine Minderung des Welthungerproblems oder auch die Möglichkeit, essenzielle Vitamine oder Spurenelemente für Menschen der Dritte-Welt-Länder auf einfache, kostengünstige Weise zugänglich zu machen, formuliert. Zur Weiterentwicklung von Pflanzen, die sich in der Grundlagenforschung im Labor bewährt haben, muss allerdings eine umfangreiche Forschung gewährleistet werden.

Doch während die Entwicklung gentechnisch veränderter Pflanzen weltweit ansteigt, stagniert diese in Deutschland und weiteren EU-Ländern. Im Anschluss an Laboruntersuchungen im Bereich der Grundlagenforschung muss in vielen Fällen die Freilandtauglichkeit der gentechnisch veränderten Pflanzen geprüft werden, da eine wirtschaftlich sinnvolle Nutzung nur bei großflächigem Anbau möglich ist. Doch Forschungsaktivitäten im Freiland und somit der Fortschritt der Wissenschaft werden derzeit durch Rechtsmittel sowie Vandalenakte behindert.

Koexistenz der unterschiedlichen Landwirtschaftsformen als Ziel

Neben dem Anbau transgener Pflanzen existieren zwei weitere Landwirtschaftsformen: Die konventionelle und die ökologische Landwirtschaft. Letztere Anbauform bezeichnet die Herstellung landwirtschaftlicher Erzeugnisse auf Grundlage umweltschonender Produktionsmethoden (Bio-Produkte). Hierbei wird auf den Einsatz bestimmter Pflanzenschutzmittel, Wachstumsförderer oder auch Mineraldünger verzichtet, die in der konventionellen Landwirtschaft zum Einsatz kommen. Gentechnisch veränderte Pflanzen bzw. Organismen finden in beiden Anbau-Formen keine Verwendung.

Die EU hat sich politisch zur Sicherung der Koexistenz aller drei Landwirtschaftsformen bekannt, deren Umsetzung sich jedoch problematisch gestaltet und derzeit noch nicht realisierbar ist. Der Anbau neuer gentechnisch veränderter Kulturen darf nicht zum Schaden des bestehenden konventionellen und ökologischen Landbaus führen, dennoch soll der Forschungsfortschritt nicht behindert werden.
Allerdings sind viele Fragen bisher nicht abschließend geklärt: Wer garantiert die Sicherheit beim Freilandanbau? Kann die Koexistenz von ökologischer und konventioneller Landwirtschaft und dem Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen gewährleistet werden? Wer haftet bei möglichen Schäden, die auf konventionell bzw. ökologisch bewirtschafteten Feldern durch Kontaminationen mit gentechnisch veränderten Organismen (GVOs) verursacht werden? Sind Risiken für Mensch und Umwelt überhaupt abwägbar?

Seit Jahren wird über die Grüne Gentechnik kontrovers und sehr emotional diskutiert. Die Befürchtung unkalkulierbarer Gefahren für Mensch und Natur ruft vehementen Widerspruch und Vorbehalte in der Bevölkerung hervor. Ungefähr drei von vier Bundesbürgern lehnen gentechnisch veränderte Lebensmittel ab. Vor allem die fehlende Rückholbarkeit von freigesetzten gentechnisch veränderten Pflanzen verursacht allgemeine Verunsicherung.

Umweltmonitoring, Sicherheitsforschung und Zulassung

Vegetationsaufnahmen ermöglichen ein Monitoring der direkten und indirekten Wirkungen des Anbaus gentechnisch veränderter Pflanzen. © Norbert Lehmann / www.biosicherheit.de

Die Freisetzungslinie 2001/18/EG, die im Oktober 2002 in der EU in Kraft trat, setzte durch die Anordnung eines Umweltmonitorings beim Anbau von gentechnisch veränderten Organismen (GVOs) erste gesetzliche Beschlüsse zur Wahrung der Koexistenz fest. Es wurden Mindestabstände eingeführt, die zwischen Feldern mit gentechnisch veränderten Pflanzen und anderem Landbau verpflichtend eingehalten werden müssen. Weiterhin wurde festgelegt, dass Landwirte für wirtschaftliche Schäden haften, die durch Auskreuzungen der gentechnisch veränderten Pflanzen verursacht werden, auch dann, wenn sie sich an jegliche gesetzliche Vorgaben gehalten haben. Unter wirtschaftlichen Schäden werden Verunreinigungen von Feldern verstanden, die den Schwellenwert von 0,9 Prozent übersteigen und somit zu einer Kennzeichnungspflicht führen. In einem solchen Falle riskiert der betroffene Landwirt wirtschaftliche Einbußen, da er seine Produkte nicht mehr als gentechnikfrei vermarkten kann.
Die Regelung einer gesamtschuldnerischen Haftung trat im Juni 2004 in Kraft. Diese besagt: „Sind oben genannte Schäden nicht eindeutig auf einzelne Verursacher zurückzuführen, haften alle Landwirte einer Region als möglicher Verursacher.“ Eine Haftungsversicherung gibt es noch nicht.
Kleinbauern der konventionellen und ökologischen Landwirtschaft haben Angst, geschädigt zu werden und ihre Geschäftsgrundlage aufgrund des Einsatzes der neuen Technologie zu verlieren. Sie sehen die großen Konzerne als alleiniger Nutznießer der gentechnologischen Landwirtschaftsform. Weiterhin erschwert die Haftungsregelung kleineren Einrichtungen, gentechnisch veränderte Pflanzen anzubauen, da für sie das Risiko der Zahlungspflicht bei auftretenden Schädigungen zu groß ist.

Seit 2001 informiert die Webseite “www.biosicherheit.de“, gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), die deutsche Bevölkerung verstärkt über die biologische Sicherheitsforschung in der Pflanzenbiotechnologie. Entsprechendes existierte auf EU-Ebene von September 2006 bis Juli 2009 mit dem Wissenschaftsnetzwerk BIOSAFENET. Gefördert von europäischen Steuergeldern hatte dieses Netzwerk die Aufgabe, die interessierte Öffentlichkeit über neue Erkenntnisse der Grünen Gentechnik zu informieren und Forscher miteinander zu vernetzen.

Langzeitfolgen des Einsatzes gentechnisch veränderter Organismen können im Voraus nicht hinreichend geklärt werden. Mit der Freisetzungslinie 2001/18/EG (Oktober 2002) wurde beim Anbau von GVOs verpfichtend ein Umweltmonitoring angeordnet, wodurch in regelmäßigen Abständen die ökologischen Auswirkungen eines neu eingeführten GVOs überprüft werden sollen. Bei Auffinden möglicher Risiken darf der Anbau eines GVO mit sofortiger Wirkung verboten werden. Auch wird über ein Pollenmonitoring der Genfluss im Freiland überwacht, um eine mögliche unkontrollierte und unerwünschte Verbreitung gentechnisch veränderter Pflanzen feststellen zu können. Im Sommer 2007 gab das BMBF bekannt, dass es innerhalb der folgenden drei Jahre Fördermittel in Höhe von 10 Millionen Euro zur Sicherheitsforschung bereitstellen werde. Diese Gelder sollen in den Jahren 2008 bis 2010 in die Entwicklung von Methoden fließen, die eine Ausbreitung gentechnisch veränderter Pflanzen verhindern sollen.

Genehmigungen zum Anbau von GVOs werden nach Einzelfallanalyse erteilt. Damit eine gentechnisch veränderte Pflanze auf den europäischen Markt gelangen darf, muss sie für Mensch, Tier und Umwelt unbedenklich sein. Aufgrund der strengen Gesetzeslage und hohen Sicherheitsbestimmungen ist die Anzahl der Freisetzungen seit 2001 rückläufig. Dabei spielt auch Widerstand gegen geplante Freisetzungen eine große Rolle. Die Zerstörung von GVO-Testfeldern macht beispielsweise die Sicherheitsbewertung unmöglich und verzögert den Prozess der Freigabe zum Teil um Jahre. Letztendlich wird die Zulassung nach genauer Prüfung der Sicherheitsforschung vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit erteilt, wobei die Behörden der Bundesländer die Versuche überwachen.

Der Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort Deutschland

Das wirtschaftliche Potenzial gentechnisch veränderter Pflanzen ist groß. Dies beginnt bei einer nachhaltigen Produktivitätssteigerung - allein die Gentechnik-Kartoffel Amflora wurde 2008 aufgrund ihrer Amylopektinstärke auf einen jährlichen wirtschaftlichen Mehrwert von 100 Millionen Euro für den Anbau und die Industrie in Europa geschätzt. Die BASF schätzt das globale Marktpotenzial der Grünen Gentechnik bis ins Jahr 2025 auf 50 Milliarden US-Dollar. Doch Deutschland schöpft dieses Potenzial nicht aus. Andere Länder unterliegen nicht den strengen gesetzlichen Auflagen der EU. Spitzenreiter unter den Ländern, in denen transgene Pflanzen angebaut werden, sind derzeit USA, Kanada und Argentinien; der Standort Deutschland demgegenüber verliert im internationalen Vergleich immer mehr an Attraktivität. Weltweit wurden im Jahre 2008 rund 114 Mio. Hektar gentechnisch veränderte Pflanzen angebaut, wobei Deutschland mit 4.500 Hektar anteilsmäßig vergleichsweise gering vertreten war.

International gesehen gehört Deutschland in der Grundlagenforschung der Grünen Gentechnik zu den führenden Standorten, viel Geld wurde in die Forschung investiert. Und noch immer kommen diesem Forschungsbereich Fördergelder zu, doch der hohe Forschungsaufwand lässt sich langfristig nicht rechtfertigen, wenn er keinen wirtschaftlichen Erfolg vorzuweisen hat. Viele Unternehmen emigrieren zum Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen ins Ausland, da ihnen die derzeitige strenge Gesetzeslage einen Anbau im eigenen Land unmöglich macht. „Niemand steckt Geld in neue und sichere Ideen und Technologien, wenn Marktchancen von vornherein per Gesetz verhindert werden“, so die Vertreter der Bioregionen in Baden-Württemberg in einer Stellungnahme zum Gentechnikgesetz im Jahre 2004.

Die derzeitigen deutschen Gesetze gelten unter einigen Wissenschaftlern als Innovationskiller. "Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an Hochschulen, öffentlichen Forschungseinrichtungen und mittelständischen Unternehmen sehen sich zunehmend gezwungen, ihre Forschungsvorhaben im Bereich der Grünen Gentechnik einzuschränken oder ganz aufzugeben“, so die Deutsche Forschungsgemeinschaft und die Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft im Mai 2009. Eine Stagnation begonnener Forschungsprojekte aufgrund des Freilandanbau-Verbots könnte dazu führen, dass Deutschland den internationalen Anschluss verliert, infolge dessen langjährige Investitionen in Forschung und Entwicklung zunichte gemacht würden und Arbeitsplätze sowie Wachstumspotenziale verloren gingen.

Anbau in der EU unmöglich? Anbauverbot für MON810

© www.biosicherheit.de

Mit dem De-facto-Moratorium der Europäischen Kommission über die Zulassung neuer transgener Pflanzensorten im Jahre 1998 hat die Politik sehr stark in die Forschungsfreiheit der EU eingegriffen. Die Zahl der Freilandversuche ging um 80 Prozent zurück. Darauf folgende Novellierungen des Gentechnik-Gesetzes haben anschließend die Forschung weiter eingeschränkt. Und trotz weitreichender Überprüfungen im Vorfeld der Zulassung im Jahre 1998, wurde im April 2009 der Anbau der Bt-Mais Sorte MON810 (Monsanto), der einzigen in der EU zugelassenen Gentechnikpflanze, verboten. Unter Berufung auf das Umweltmonitoring wurde dies von Ilse Aigner, Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, bekannt gegeben. Es gäbe berechtigten Grund zu der Annahme, dass der gentechnisch veränderte Mais eine Gefahr für die Umwelt darstelle, so Aigner. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hatte diese Mais-Linie vor seiner Zulassung als sicher eingestuft und konnte dieses Ergebnis in einer weiteren ausführlicheren Studie im Juli 2009 bestätigen. Von der Zentralen Kommission für Biologische Sicherheit (ZKBS) wurde das vorläufige Anbauverbot Ende Juli 2009 als "wissenschaftlich nicht begründet" erachtet - doch das Verbot blieb bis heute bestehen.

Aus Sicht von Wissenschaftlern ist das problematisch. Auf einer Podiumsdiskussion zur Grünen Gentechnik im Juni 2009 in Ulm äußert sich Prof. Dr. Klaus-Dieter Jany, Vorsitzender des Wissenschaftler-Kreises Grüne Gentechnik e.V., zu diesem Thema wie folgt: „Ich bin nicht frustriert, dass ich meine Versuche nicht durchführen kann. Ich kann sie machen: im Ausland. Ich bin frustriert über den Weg, den Deutschland geht.“ Mit den Worten „Wir dürfen uns nicht verschließen“ betonte Jany die Wichtigkeit des Voranschreitens auf dem Gebiet der Grünen Gentechnologie.

Seiten-Adresse: https://www.biooekonomie-bw.de/fachbeitrag/dossier/gruene-gentechnik-die-umstrittene-zukunftstechnologie