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Enzyme Engineering – Science oder Fiction?

Was haben die 5. Chemie-Nobelpreisträgerin der Geschichte, der Wunsch Gott zu spielen und Dein Waschmittel zu Hause gemeinsam? Und welche Rolle spielen eigentlich Roboter bei dem Ganzen? Was nach dem neuesten Science-Fiction-Blockbuster klingt, ist ein Prinzip, welches im Fachjargon unter Enzyme Engineering bekannt ist. Das Versprechen: Maßgeschneiderte Enzyme für das perfekte Produkt mithilfe von Screening-Robotern.

Enzyme, auch Biokatalysatoren genannt, sind Proteine, die heutzutage in verschiedenen industriellen Anwendungen weit verbreitet sind, insbesondere aber bei der Herstellung von Chemikalien und Pharmazeutika eingesetzt werden. Somit stellen sie eine biointelligente Alternative zu herkömmlichen Produktionsprozessen dar. Enzyme sind komplexe Eiweißmoleküle, ohne die das Leben, wie wir es heute kennen, nicht möglich wäre. Aber auch in vielen Dingen des Alltags sind diese kleinen Wunderwerke des Lebens nicht mehr wegzudenken.

Molekulare Tausendsassas: Enzyme bauen Moleküle auf, ab oder um – das macht sie so vielseitig!

Man findet sie in Lebensmitteln, Waschmitteln oder sogar bei der Herstellung von Biokraftstoffen. In unseren Körpern wirken sie als zentrale Antreiber aller biochemischen Stoffwechselwege, in der Gesamtheit als Metabolismus bekannt. Von der Verdauung über die Informationsübertragung bis hin zum Kopieren der Erbinformationen, all diese Vorgänge sind ohne Enzyme undenkbar. Dabei verrichten Enzyme ihr Werk, nämlich Moleküle auf-, ab- oder umzubauen, sehr spezifisch: Ein einzelnes Enzym katalysiert meistens nur eine einzige Reaktion und es wandelt dabei eine ganz bestimmte chemische Verbindung, das Substrat, zum gewünschten Produkt um. Somit passen das Enzym und das Substrat wie Schlüssel und Schloss zusammen.

Umweltfreundliche Biokatalyse – Enzyme brauchen weniger Energie und sind biologisch abbaubar

Diese kleinen, biointelligenten Fabriken fördern den chemischen Umwandlungsprozess, indem sie beteiligte Reaktionspartner räumlich eng zusammenbringen und somit die Reaktionsgeschwindigkeit erhöhen. Das Enzym selbst wird bei den Reaktionen nicht verändert, sondern wieder freigesetzt, um sogleich für den nächsten Reaktionszyklus bereitzustehen. Diese Eigenschaften machen die Talente der Biologie umweltfreundlicher gegenüber herkömmlichen Katalysatoren durch einen verringerten Energieverbrauch. Auch kann meist auf den Einsatz von organischen Lösungsmitteln oder metallischen Katalysatoren verzichtet werden. Ein weiterer Vorteil: Enzyme sind biologisch abbaubar und am aktivsten bei milden Reaktionsbedingungen, also niedriger Temperatur, neutralem pH-Wert und in wässriger Umgebung. Somit bieten enzymatische Prozesse deutliche ökologische Vorteile gegenüber chemischen Prozessen in Bezug auf die erhöhte Nachhaltigkeit und den reduzierten Einsatz toxischer Stoffe.

Als komplexe Naturstoffe können Enzyme nicht einfach so chemisch nachgebaut werden, da sie oft aus unzähligen Aminosäuren bestehen, die noch dazu in einer bestimmten räumlichen Anordnung vorliegen müssen. Sie entstehen innerhalb von lebenden Zellen durch die Proteinbiosynthese und können aus vielen Mikroorganismen oder Pflanzen gewonnen werden. Seit Mitte des 20. Jahrhunderts werden vor allem Bakterien oder Hefen als effiziente Produzenten von Enzymen genutzt. Die Mikroorganismen werden dazu in einem zuckerhaltigen Medium in Bioreaktoren kultiviert. Die Mikroben geben bei der Vermehrung die Enzyme im Idealfall in das Medium ab, welche dann geerntet und aufgearbeitet werden.

Enzyme Engineering: Biotechnologie zur Optimierung industrieller Prozesse

Für nahezu jede chemische Reaktion hält die Werkzeugkiste der Natur eigene Biokatalysatoren bereit. Biotechnologen sind heute nicht mehr nur an natürlich vorkommenden Enzymen interessiert, da diese für industrielle Prozesse nicht immer geeignet sind. Eine Anpassung des Biokatalysators an den jeweiligen industriellen Prozess ist oft notwendig und kann durch Enzyme Engineering erreicht werden. Dieser Prozess verbessert die Effizienz eines bereits verfügbaren Enzyms durch gentechnische Veränderung seiner Aminosäuresequenz. Für die Erschaffung neuartiger und maßgeschneiderter Biokatalysatoren wird meist eine Kombination aus gerichteter Evolution und rationalem Proteindesign mithilfe von Computertools eingesetzt. Unter gerichteter Evolution versteht man die Veränderung von Enzymen durch Nachahmung der natürlichen Selektion. Durch zufällige Mutationen im Gen des Enzyms entsteht eine sogenannte Mutationsbibliothek, die anschließend in einem iterativen Ansatz nach Proteinen mit verbesserten Eigenschaften durchsucht wird. Für den Ansatz der gerichteten Evolution wurde übrigens im Jahr 2018 der Nobelpreis in Chemie an die Forscherin Frances H. Arnold verliehen.

Nobelpreis für »Gerichtete Evolution«

Der spannendste, aber meist auch zeitaufwendigste Teil bei der Entwicklung neuartiger Enzyme ist immer die Durchmusterung der Mutationsbibliotheken und die Auswahl von optimierten Varianten. Traditionelle Ansätze für das Enzyme Engineering sind oft experimentell getrieben, insbesondere wenn die Struktur des Proteins nicht oder nur unvollständig verfügbar ist. Obwohl die etablierten Methoden bereits erfolgreich für das Engineering vieler Enzyme eingesetzt wurden, stehen sie aufgrund der enormen kombinatorischen Möglichkeiten auf Aminosäureebene immer noch vor großen Herausforderungen.

Robotik und automatisierte Datenauswertung beschleunigen neue Entwicklungen in der Biotechnologie

Deswegen kommen verstärkt Roboter zum Einsatz, mit denen tausende Enzymvarianten in wenigen Stunden analysiert werden können. Viele Ansätze und Technologien, die in den letzten Jahren für die Entdeckung neuer Enzyme oder deren Optimierung entwickelt wurden, müssen heutzutage auf Hochdurchsatzverfahren ausgelegt werden. Der Einsatz von Robotern verbessert hierbei die Reproduzierbarkeit erheblich und reduziert die Streuung der Daten. Auch die künstliche Intelligenz wird einen Beitrag leisten können, die unglaublich großen Datenmengen zu verarbeiten, zu sichten und nutzbar zu machen. Die Nutzung der Robotik in Kombination mit automatisierter Datenauswertung markiert somit eine neue Ära in der Biotechnologie.

Next-Generation Sequencing bringt Enzyme Engineering auf die nächste Stufe

Die erhaltenen Daten erlauben ein tieferes Verständnis dafür, wie die Struktur eines Enzyms seine Eigenschaften beeinflusst. Die schnelle und genaue Interpretation der vielen Engineering-Aspekte ist notwendig, um schnelle Fortschritte auf dem Gebiet des Enzyme Engineerings zu machen. Ohne computer- und robotergestützte Verfahren wären experimentelle Techniken niemals in der Lage, den gesamten kombinatorischen Proteinsequenzraum zu durchmustern und damit das volle Potenzial der Natur für die Entwicklung optimierter Enzyme zu nutzen. Durch die Möglichkeiten des Next-Generation Sequencing, den genannten Hochdurchsatz-Screening-Methoden und dem gezielten Einsatz von maschinellem Lernen, zeichnet sich das Roboter-getriebene Biokatalysatoren-Engineering als vielversprechende Lösung für die Herstellung von maßgeschneiderten Enzymen im industriellen Maßstab ab.

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