Harald Krug untersucht die Nutzung neuer Materialien
Der Toxikologe Prof. Dr. Harald Krug untersucht mit seiner Abteilung "Materials-Biology Interactions" an der Materialprüfungs- und Forschungsanstalt Empa in St. Gallen die Wechselwirkung synthetischer Materialien mit biologischen Systemen. Im Zentrum der Expertise seines 25-köpfigen Forscherteams steht unter anderem die Wirkung von Partikeln und Nanomaterialien wie CNT auf menschlichen und tierischen Zellen. Seit Juli 2008 ist die Abteilung offiziell Mitglied der Bioregion BioLAGO.
Prof. Harald Krug leitet seit Juli 2007 die Abteilung „Materials-Biology Interactions" der Empa in St. Gallen. (Foto: BioLAGO)
Interaktionen zwischen synthetischen Oberflächen mit dem Organismus sind vielfältig und verlaufen nicht immer problemlos. Ob Implantate, Herzschrittmacher oder Prothesen als Knochenersatz – sie alle enthalten unterschiedlichste Materialien wie Metalle oder Kohlenstoffmodifikationen, die im Organismus eine Reihe von Nebenwirkungen oder gar schädliche Reaktionen auslösen können. Insbesondere aber auch ungewollte Kontakte, z.B. in Form von Aufnahme synthetischer Stoffe über die Lunge, den Magen-Darm-Trakt oder die Haut sorgen häufig für adverse Effekte für die Gesundheit.
„Im Mittelpunkt unserer Arbeit steht die Aufgabe, diese Reaktionen zu verstehen, um sie bei verschiedenen Anwendungen steuern zu können oder im Falle unerwünschter Interaktionen gar hemmend einzuwirken“, sagt Prof. Dr. Harald Krug. Neben einer Reduzierung von Nebenwirkungen haben er und seine Abteilung sich zum Ziel gesetzt, die im menschlichen Körper eingesetzten Materialien im Hinblick auf eine bessere und längere Verträglichkeit hin zu optimieren. Des Weiteren soll die Ausrichtung der Expertise auf die möglichen Risiken von Nanomaterialien für eine verantwortliche und nachhaltige Nanotechnologie sorgen.
Prof. Dr. Harald Krug studierte Biologie und Chemie an der Universität Kassel, promovierte an der Universität Göttingen und arbeitete lange Jahre am Forschungszentrum in Karlsruhe. Im Jahre 1996 habilitierte er an der Universität Karlsruhe im Bereich „Umwelttoxikologie“. Mit „NanoCare“ leitet der 1952 in Edermünde-Besse geborene Toxikologe ein vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördertes Projekt, das Nanomaterialien systematisch auf ihre potenziellen Risiken untersucht. Seit 2007 ist er für die Empa tätig und leitet die dortige Forschungsabteilung „Materials-Biology Interactions“.
Analyse von Zellen unterschiedlicher Spezies
Im Fokus der Untersuchungen des Toxikologen und seines Teams befinden sich unterschiedliche biologische Testsysteme, darunter Zelllinien von Menschen und Tier (z.B. Ratte und Maus). Primäre Zellen des Menschen und des Hühnchens (Knochenmarkstammzellen von Spendern sowie embryonale neuronale Stammzellen des Hühnerembryos) werden ebenso verwendet wie menschliche Gewebe, wie etwa die Plazenta, die als wichtiges Barrieregewebe gilt. Diese Systeme werden auf ihre Reaktion hin mit festen Kompositmaterialien im Zusammenhang mit Implantaten und deren Oberflächenveredelung als auch Oberflächenstrukturen in Mikro- und Nanogröße sowie Nanopartikel erforscht. Dazu gehören die unterschiedlichsten Materialien, begonnen bei Metallen (Gold- und Silberpartikel), über Metalloxide, bis hin zu Polymeren und Kohlenstoffmodifikationen (Fullerene, CNTs, Carbon Black).
„Für unsere Messungen und Analysen wenden wir alle Techniken der Molekularbiologie und Zellbiologie an, so dass der Ablauf hierbei einem gewöhnlichen biologischen Labor gleicht“, so Prof. Dr. Harald Krug. Darüber hinaus kommen aber auch Elektronenmikroskopie, Laser-Scanning-Mikroskopie (CLSM), Fluoreszenzmikroskopie und fluoreszenzunterstütztes Zellsorting (FACS) zum Einsatz. So werden beispielsweise genetisch veränderte Zellen eingesetzt, die im untersuchten Assay anzeigen, welche Zellvorgänge (Differenzierung, Proliferation) gerade ablaufen. Dies erfolgt unter anderem mithilfe von Reportergenen, durch die z.B. ein fluoreszierendes Protein exprimiert wird und eine Analyse online und im lebenden Gewebe erfolgt. Zudem verfügt die Forschergruppe um Prof. Dr. Harald Krug über Vorrichtungen für Patch-Clamp-Techniken und nutzt weitere Analysemethoden in verschiedenen Abteilungen der Empa, die gerade im Zusammenhang mit Nanopartikeln sehr wichtig sind, wie z.B. TOF-SIMS oder Ramanspektroskopie. TOF-SIMS steht für „Time-of-Flight-Secondary Ion Mass Spectroscopy. Hierbei werden mit sekundären Ionen aus dem zu untersuchenden Material Teile herausgeschlagen und mit einem Massenspektrometer untersucht. Ramanspektroskopie ist eine altbekannte spektroskopische Methode, bei der ein angeregtes Molekül Nebenwellenlängen aussendet, die charakteristisch sind.
Massgeschneiderte In-vitro-Modelle
Für die Untersuchung von Interaktionen zwischen medizinisch genutzten Materialien und dem Organismus hat die Abteilung maßgeschneiderte In-vitro-Anwendungen entwickelt, mit denen das Zellverhalten gesteuert werden kann. So hat beispielsweise die Strukturierung der Oberfläche synthetischer Stoffe mit sogenannten Pilars (Säulen) oder Wells (Gruben) in Mikro- und Nanogröße einen wichtigen Einfluss auf das Verhalten der Zellen. „Damit kann das Einwachsen eines Implantates entscheidend beeinflusst werden“, erzählt Prof. Dr. Harald Krug. Dem Toxikologen zufolge sei hierbei die Verwendung von primärem menschlichem Material aus der Klinik ebenfalls entscheidend, da hierbei keine Zelllinien verwendet werden können.
Menschliche Makrophagen mit Eisenoxid-Partikeln (rot) auf der Oberfläche (Foto: Dr. Hellmuth Zöltzner)
Gefährliche Kohlenstoffnanoröhrchen (CNT)
Was die Erforschung des Einflusses von Nanomaterialien auf Zellen betrifft, hat sich Prof. Dr. Harald Krug unter anderem auf die Wechselwirkung von biologischen Systemen mit Kohlenstoffnanoröhrchen, im engl. Carbon Nanotubes (CNT) genannt, spezialisiert. Eingesetzt werden diese CNTs derzeit in Kompositmaterialien, beispielsweise als Verstärkung in Kunststoffen, und finden damit unter anderem als Beschichtungen für Scheibenheizungen bei Automobilfenstern Verwendung. „CNTs sind aktuell Gegenstand kontroverser Diskussionen, denn zum einen können die darin enthaltenen Katalysatormetalle toxisch sein, zum anderen stehen die Fasern selbst aber auch im Verdacht, eventuell wie Asbest zu wirken“, so der Nanotoxikologe. Gerade ihr zahlreiches Vorkommen in verschiedenen Variationen (z.B. ein- oder mehrwandig, isolierend, halbleitend oder elektrisch leitend) mache die Untersuchung der CNTs interessant. Bis heute ist der genaue Einfluss von Kohlenstoffnanoröhrchen auf biologische Prozesse nicht geklärt.
Wegen der katalytischen Metalle sind CNTs als auch die reinen Metallpartikel (u.a. Silber- und Goldpartikel) nicht nur katalytisch aktiv, sondern können meist wegen der darin enthaltenen Übergangsmetalle auch oxidierend aktiv sein. Das bedeutet, dass Sauerstoffradikale entstehen und es in Zellen zum sogenannten „oxidativen Stress“ kommt. Eine der ernst zu nehmenden Folgen dieses Prozesses sind DNA-Schädigungen, die jedoch erst bei höheren und längeren Einwirkungen wirklich schwerwiegend werden. Weitere Prozesse sind Entzündungen der Lunge nach Einatmen der Stoffe sowie Effekte auf die Aktivität von Proteinen. Um die Reaktionen beziehungsweise schädlichen Wirkungen auf die Zellen der Lunge zu untersuchen, werden in der „Materials-Biology-Interactions“-Abteilung tierische oder menschliche Zelllinien verwendet, die den Materialien ausgesetzt werden. „Wichtig ist dabei die Herstellung der geeigneten Suspensionen, was bei vielen Studien nicht mit der ausreichenden Qualität durchgeführt wird“, so Prof. Dr. Harald Krug. Die Analysen der Empa in St. Gallen werden z.B. mithilfe eines dreidimensionalen Zellmodells in Zusammenarbeit mit der Universität in Bern durchgeführt. Weitere Kooperationen im Bereich der Nanotoxikologie gibt es mit dem Institut für Nanotechnologie in Karlsruhe.
Sichere Nanotechnologie als Ziel
Nach seinen zukünftigen Forschungszielen gefragt, nennt der Nanotoxikologe die Erhöhung der Sicherheit bei der Nutzung von Nanotechnologien. „Risiken von Nanomaterialien frühzeitig erkennen sowie schwerwiegende Folgen für Umwelt und Gesundheit vermeiden helfen, um der Gesellschaft wichtige Dienste zu leisten, ist eine große Herausforderung“, so Prof. Dr. Harald Krug. Seiner Forschungsanstalt Empa spricht der Nanotoxikologe eine „Brückenfunktion zwischen Wissenschaft und Forschung einerseits und Gesellschaft und Industrie andererseits“ zu, die außerdem eine „ausgezeichnete Ausgangslage“ für die Interaktion mit dem BioLAGO-Netzwerk darstelle. Für die Zukunft erhofft sich Prof. Dr. Harald Krug eine gute Zusammenarbeit mit der Industrie, da man vermehrt auf die finanzielle Unterstützung durch die Industrie sowie Förderorganisationen angewiesen sein wird. „Der öffentliche Finanztopf wird immer weiter verkleinert, was dazu führt, dass eine wichtige Säule der gesellschaftlichen Funktion von wissenschaftlichen Einrichtungen deutlich geschwächt wird“, so der Leiter von „Nano Care“.
mst – 29.09.08
© BIOPRO Baden-Württemberg GmbH
Weitere Informationen zum Beitrag:
Prof. Dr. Harald Krug
Materials, Science and Technology (Empa)
Abt. Materials-Biology Interactions
Lerchenfeldstrasse 5
9014 St. Gallen
Tel.: +41 (0)71 274 7 274
E-Mail: harald.krug@empa.ch