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Biotechnologie als Werkzeug für die Lebensmittelproduktion

Für die Ernährungswirtschaft eröffnet die Biotechnologie zahlreiche Möglichkeiten. Durch gezielten Einsatz biotechnologischer Verfahren können beispielsweise gesundheitsschädliche Inhaltsstoffe in Lebensmitteln verringert und allergene Inhaltsstoffe abgebaut werden. Auch in der Landwirtschaft bringen Genomforschung und zielgerichtete Züchtung deutliche Fortschritte mit sich. Damit trägt die Lebensmittelbiotechnologie entscheidend zur Schonung der Ressourcen, Ertragsoptimierung und Produktion besserer Lebensmittel bei.

Biotechnologie gehört heutzutage zum Handwerkszeug der Käseherstellung © Universität Hohenheim

Die steigende Weltbevölkerung sowie der wachsende Anspruch an Lebensmittel in unserer Gesellschaft stellen die Ernährungswirtschaft vor große Herausforderungen. Die Biotechnologie kann hier entscheidend beitragen und hat bereits eine lange Tradition in der Lebensmittelproduktion. Seit Jahrtausenden werden die besonderen katalytischen Fähigkeiten von Mikroorganismen und deren Enzymen vom Menschen mehr oder weniger bewusst für die Herstellung von Lebensmitteln genutzt. Welche wirtschaftliche Bedeutung die Lebensmittelbiotechnologie heute hat, zeigt sich vor allem am Verzehr biotechnologisch produzierter Lebensmittel. Über 2 Milliarden Liter Wein, 10 Mrd. Liter Bier und 2 Mrd. Kilogramm Käse werden in Deutschland jährlich konsumiert. Diese Zahlen belegen, dass die Biotechnologie zum alltäglichen Handwerkszeug in der Lebensmittelproduktion gehört.

Durch moderne Verfahren leistet die Lebensmittelbiotechnologie einen entscheidenden Beitrag dazu, Lebensmittel sicherer, verträglicher oder auch schmackhafter zu machen. Besonders im Bereich des Abbaus von Allergenen in Lebensmitteln hat die Biotechnologie Einzug gehalten. So ersetzt die enzymatische Spaltung von Pflanzenproteinen in Weizen oder Soja mit Peptidasen zunehmend das früher zu diesem Zweck eingesetzte, auf heißer Salzsäure basierende Verfahren. Beim alten Verfahren wurden als unerwünschter Nebeneffekt krebserregende Stoffe gebildet und die Produktion brachte hohe Belastungen für Arbeiter und Maschinen mit sich. Die biotechnologische Variante hat hingegen die keine derartigen negativen Auswirkungen. Weitere Beispiele sind der enzymatische Abbau von Laktose in Milchprodukten oder von Acrylamid-Vorläufern in Brot und Chips, durch den der Gehalt des potenziell krebserregenden Acrylamids im Endprodukt deutlich verringert wird.

Breitere Nutzung bedeutet weniger Abfall

Neue Verfahren ermöglichen auch neue Wege zur Ressourcenschonung. Zum einen können beispielsweise durch den Zusatz spezieller Enzyme, die biologische Abbauprozesse in Lebensmitteln aufhalten, Lebensmittel länger haltbar gemacht werden, was sowohl Verkaufsverluste als auch Abfälle verringert. Darüber hinaus könnten zukünftig mit biotechnologischen Methoden bisher nicht verwertbare nährstoffreiche Materialien, beispielsweise holzige Pflanzenbestandteile, ihren Weg in die Human- oder Tierernährung finden. Durch eine enzymatische „Vorverdauung“ können komplexe Strukturen aufgeschlossen und unerwünschte Stoffe beseitigt werden, wie es auch bei der klassischen Methode der Milchsäuregärung zur Herstellung von Sauerkraut für den menschlichen Verzehr gemacht wird. Durch diese Erschließung neuer Nahrungsmittelquellen wäre eine optimierte Nutzung von landwirtschaftlichen Rohstoffen möglich.

„Intelligente“ Züchtung mittels Genomanalyse

Mit Hilfe molekulargenetischer Analysen kann die Züchtung von Nutzpflanzen deutlich vereinfacht werden. © Universität Hohenheim

Doch Biotechnologie kommt schon lange vor der industriellen Produktion und Verarbeitung von Lebensmitteln zum Einsatz. Auch in der Landwirtschaft ist die sogenannte „grüne Biotechnologie“ heute nicht mehr wegzudenken. Besonders die Erforschung von Pflanzengenomen liefert immer mehr Einsichten, die zur Züchtung neuer Pflanzensorten genutzt werden kann. Dabei geht es nicht um eine Veränderung des pflanzlichen Erbguts, sondern vielmehr um die gezielte Auswahl passender Pflanzen zur weiteren Vermehrung, wie sie schon seit Jahrtausenden von Bauern durchgeführt wird.

Bei der „klassischen“ Methode mussten Züchter sich noch auf die äußerlichen Pflanzenmerkmale verlassen und rein empirisch in langwieriger Arbeit feststellen, ob eine Kreuzung den gewünschten Phänotyp zeigt oder nicht. Heutzutage kann durch die Kenntnis molekularer Eigenschaften und der genetischen Grundlagen äußerer Merkmale in der Züchtung viel Zeit und Geld gespart werden. Anhand genetischer Marker, die im Zusammenhang mit der gewünschten Eigenschaft stehen, können schon sehr früh im Züchtungsprozess passende und unpassende Pflanzen identifiziert werden, ohne dass zahllose Nachkommen der Pflanzen testweise angebaut werden müssen (siehe Beitrag „Genetischer Fingerabdruck im Obstbau“). Diese Marker-gestützte Selektion wird heute vielfach in der Landwirtschaft eingesetzt, die Züchtung mit dieser Methode wird auch als „smart breeding“ bezeichnet.

Strenge Kontrollen für gentechnikfreien Pflanzenanbau

Neben biotechnologischen Methoden zur optimierten „klassischen“ Züchtung gibt es auch immer mehr Ansätze, das Erbgut von Pflanzen gezielt zu verändern, um beispielsweise die Abwehr gegen Schädlinge zu verbessern oder den Gehalt bestimmter Inhaltsstoffe zu erhöhen. Diese gentechnisch veränderten Pflanzen (allgemein gentechnisch veränderte Organismen, GVO) werden weltweit, vor allem in Nord- und Südamerika sowie in China und Indien angebaut. In Europa kommen sie aber kaum zum Einsatz. Der Anbau einer früher in der EU zugelassenen Genmais-Sorte ist inzwischen in Deutschland und zahlreichen anderen europäischen Ländern verboten, sodass hierzulande zurzeit kein kommerzieller Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen stattfindet. Damit beim internationalen Handel mit Saatgut nicht ungewollt GVO-Pflanzen nach Deutschland eingebracht und verbreitet werden, muss Saatgut zuerst eingehend auf derartige Verunreinigungen geprüft werden, bevor es auf den Markt gebracht werden darf (siehe Beitrag „International Gentechnik im Saatgut aufspüren“). Liegt der Anteil gentechnisch veränderter Bestandteile über der technischen Nachweisgrenze von 0,1 Prozent, so muss das gesamte Saatgut vernichtet werden.

Verbesserte Produktion durch maßgeschneiderte Enzyme

Lebensmittel-Biotechnologen erforschen neue Methoden für die Lebensmittelproduktion - hier an der Universität Hohenheim. © Universität Hohenheim

Die Möglichkeiten zum Einsatz von GVO in der Lebensmittelbranche gehen aber über die direkte Nutzung als Lebensmittel hinaus. Vor allem gentechnisch veränderte Mikroorganismen werden zur Gewinnung bestimmter Enzyme genutzt, die wesentlich effizienter und auch sicherer als ihre natürlichen Vorbilder sind. So wird beispielsweise rekombinant hergestelltes Labenzym, das Chymosin, bereits seit vielen Jahren sicher in der Produktion von Käse und anderen fermentierten Milchprodukten verwendet. Gentechnisch gewonnenes Chymosin hat nicht nur einen hohen Reinheitsgrad, damit produzierter Käse eignet sich auch für Vegetarier und bestimmte religiöse Gruppen. Es ersetzt damit das aus Kälbermägen gewonnene Naturlab und hat in Deutschland einen Marktanteil von etwa 75 Prozent.

Durch biochemische und molekularbiologische Techniken wie Transkriptom-, Proteom- oder Metabolom-Analysen werden auch in Zukunft immer neue Einsichten in Prozesse der Lebensmittelproduktion ermöglicht werden. Mit diesen Methoden können sowohl bestehende Produkte und Herstellungsverfahren optimiert als auch völlig neue Produkte und Verfahren entwickelt werden. So können landwirtschaftlich erzeugte Rohstoffe optimal genutzt und zu qualitativ hochwertigen und sicheren Lebensmitteln verarbeitet werden.

Seiten-Adresse: https://www.biooekonomie-bw.de/fachbeitrag/dossier/biotechnologie-als-werkzeug-fuer-die-lebensmittelproduktion