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Hydroponik – die Lösung für eine nachhaltige Landwirtschaft in Zeiten des Klimawandels?

Dr. Lukas Kriem und Marc Beckett forschen am Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik an hydroponischen Systemen für eine »bodenlose« Landwirtschaft, die Ressourcen schont, die Umwelt weniger belastet und Pflanzenanbau sogar in unwirtlichen Regionen ermöglicht.

Im Interview mit dem Biointelligenz-Blog sprechen sie über ihre Arbeit und ihre Ziele und geben einen Einblick in ihr jüngstes Projekt »NexusHub«, in dem sie aktuell mit Partnern aus Ostafrika grenzüberschreitend zusammenarbeiten.

Lukas und Marc, ihr forscht beide gemeinsam an hydroponischen Systemen. Was hat es damit auf sich?

Marc: Wir arbeiten am Fraunhofer IGB im Innovationsfeld Wassertechnologien und Wertstoffrückgewinnung und wenn man sich anschaut, wofür Wasser weltweit am meisten verbraucht wird, dann ist es die Landwirtschaft. Deswegen beschäftigen wir uns mit Hydroponik, weil es ein extrem wassereffizientes landwirtschaftliches Produktionssystem ist. Es kommt dabei gänzlich ohne Boden aus, die Pflanzen wachsen in geschlossenen Systemen und die zum Wachstum notwendige Aufnahme von Nährstoffen erfolgt rein über das Wasser bzw. genauer gesagt eine Nährstofflösung.

Die Frage, mit der wir uns zentral beschäftigen, lautet: Wie kann man mit möglichst wenig Wasser und neuartigen Nährstoffquellen wie beispielsweise Abwasser und Lebensmittelabfällen einen möglichst großen Ertrag erzielen? Damit setzen wir uns auch mit der großen globalen Frage auseinander, wie wir vor dem Hintergrund des Klimawandels und den damit einhergehenden Problemen wie Ressourcenknappheit und daraus resultierenden Konflikten dennoch eine Sicherung der Ernährung erreichen können.

Zirkularität und Ressourceneffizienz werden, wie in allen Bereichen, auch in Ernährungssystemen immer wichtiger. Das spiegelt sich auch in unseren Forschungsaktivitäten wieder. Projekte wie Hypowave oder GreenUp Sahara unterstreichen die zunehmende Bedeutung. Dementsprechend hat sich auch unser Netzwerk in den letzten Jahren erweitert. Wir stehen in regelmäßigem Austausch mit Organisationen wie Oxfam oder dem World Food Programme. Auch dabei geht es meist um hydroponische Systeme, die Nährstoffe aus organischen Ressourcen verwenden, die z. B. als Abfälle deklariert werden, oder auch Abwässer. Unser Ziel ist, Nährstoffe im Kreislauf zu führen und damit sowohl zur Ernährungssicherung als auch zu einem effizienten Umgang mit Ressourcen beizutragen.

Lukas, du bist Mikrobiologie, und Marc, du bist Biologe und Umweltwissenschaftler. Welche Schwerpunkte setzt ihr jeweils persönlich in eurer Zusammenarbeit und wie ergänzt ihr euch gegenseitig?

Lukas: Aktuell beschäftige ich mich mehr mit dem Aufbau unserer Pilotanlage und deren Betreuung, während Marc vor allem die bestehenden Projekte betreut, die in diesem Jahr bereits umgesetzt werden. Mein persönlicher Schwerpunkt liegt eher darauf, sicherzugehen, dass wir ein gutes Pflanzenwachstum haben und dass wir möglichst viele Nährstoffe zur Verfügung haben. Darüber hinaus versuchen wir, optimale Wachstumsbedingungen zu schaffen mithilfe einer Nährstofflösung auf organischer Grundlage, die vergleichbar mit einer mineralischen Lösung sein sollte. Dabei richten wir den Blick insbesondere darauf, inwieweit biologische Faktoren einen Einfluss auf das Pflanzenwachstum haben können − im Positiven wie auch im Negativen.

Marc: Ich übernehme in den aktuellen Projekten eher die Rolle eines Projektmanagers, der mehr konzeptionell und organisatorisch arbeitet, während Lukas‘ Tätigkeiten eher operativer Natur sind. In meinem Arbeitsalltag steht also nicht nur die eigentliche Forschung im Mittelpunkt, sondern auch das begleitende »Drumherum«, wie etwa die Kommunikation, die Auswertung von Dokumenten oder auch der Aufbau eines Netzwerks von Partnern. Ein wichtiger Aspekt ist auch die Auswertung unserer Forschungsergebnisse und deren Einordnung in den wissenschaftlichen Kontext mit Blick auf eine spätere potenzielle Verwertung der Ergebnisse. Dafür suchen wir auch immer neue Partner, um weitere Projekte anzustoßen.

Erwähnenswert ist dabei auch, dass solche Vorhaben ein hohes Maß an Interdisziplinarität erfordern, denn es geht ja nicht ausschließlich nur um Wasserqualität, sondern etwa auch das Thema Pflanzenbau spielt eine Rolle. Gerade Pflanzenkultivierung ist etwas, das wir als Kompetenz am IGB lange nicht hatten und die wir erst mit unseren jüngsten Aktivitäten begonnen haben aufzubauen. Auch Mikrobiologie und Analytik spielen mit hinein – diese Vielseitigkeit, das Zusammenbringen verschiedener Disziplinen, ist auch das Schöne an unserem NexusHub-Projekt.

Lukas: Und dann kommt auch noch der internationale Kontext hinzu. Denn die durch uns entwickelten Technologien sind besonders für andere, vor allem wasserarme Weltregionen relevant, allen voran Afrika und den Mittleren Osten. Zwar ist das Thema auch für uns in Deutschland wichtig, aber momentan sehe ich den größeren Bedarf eher in anderen Regionen als in Europa.

Ihr seid beide am Fraunhofer IGB im Innovationsfeld Wassertechnologien und Wertstoffrückgewinnung tätig. Euer Blick richtet sich auch speziell auf die Verwendung von aufbereitetem Abwasser in der Hydroponik. Wie stellt ihr sicher, dass die damit produzierten Lebensmittel dadurch nicht verunreinigt werden?

Marc: Ja, Abwasser nutzen wir auch – doch wir beschränken uns nicht darauf. Im kommunalen Abwasser sind die Nährstoffkonzentrationen eigentlich nicht ideal, um Pflanzen im hydroponischen System ausreichend zu versorgen. Daher beschäftigen wir uns auch damit, wie man Nährstoffe aus organischen Reststoffen – etwa Dung von Tieren, Essensreste oder Schlachtabfälle – zurückgewinnen und für die Pflanzenkultivierung nutzen kann. Dieses Anreichern des Wassers mit Nährstoffen auf organischer Basis ist eher die Herausforderung im Vergleich zu mineralischen Nährstofflösungen, die sonst üblicherweise als Düngerlösung in der Hydroponik zum Einsatz kommen.

Die Lebensmittelsicherheit ist natürlich ein sehr wichtiger Aspekt. In NexusHub fokussieren wir uns zunächst auf die Herstellung der Nährstofflösung aus organischen Abfällen und das Pflanzenwachstum. Um die Lösung herzustellen und zu behandeln nutzen wir entsprechende Systeme aus der Umwelttechnik wie zum Beispiel das Sequencing-Batch-Reactor-Verfahren (SBR), das im Bereich der Abwasserreinigung bewährt ist. Im Projekt Hypowave+ arbeiten wir mit den Partnern auch an der Entwicklung eines Risikomanagementsystems und die Implementierung von Barrieren gegen Schadstoffe oder Viren etc.

Dazu muss man auch sagen, dass die Hydroponik selbst schon dadurch eine hohe Qualität erzielt, dass die Pflanzenteile, die konsumiert werden, gar nicht in direkte Berührung mit der Nährstofflösung kommen. Viele Feldfrüchte werden ja mit Wasser beregnet Dabei kommt die ganze Pflanze in Kontakt mit der Lösung bzw. dem Wasser. Bei der Hydroponik sind es dagegen nur die Wurzeln, die eben meistens nicht verspeist werden. So ergibt sich schon einmal eine natürliche Barriere gegen Verunreinigungen. Selbst bei der Tröpfchenbewässerung, die für den Anbau von Gemüse häufig genutzt wird, ist das Risiko größer.

Lukas: Inwiefern Viren und Mikroorganismen, die in der Nährstofflösung vorhanden sind, einen Effekt auf die Qualität des Produkts haben können, wird intensiv erforscht, nicht nur bei uns. Auf Deutschland bezogen gibt es zudem entsprechende strenge Regularien, die eingrenzen, inwieweit man Abwasser wiederverwerten kann. Wenn wir unseren Blick aber auf die Lebensmittelproduktion in einem internationalen Kontext richten, besteht tatsächlich noch Klärungsbedarf. Bei unserem Projektschwerpunkt, der ja international ausgelegt ist, spielt das Thema jedoch eine untergeordnete Rolle. Heißt: Es steht erst einmal im Vordergrund, überhaupt erst einmal eine Kultivierung von Pflanzen zu ermöglichen.

Marc: Eine kleine Ergänzung dazu noch: Auch beim klassischen Boden-Anbau ist es ja nicht so, dass das Wasser – etwa aus Flüssen oder Grundwasser – komplett frei von Mikroorganismen oder Spurenstoffen ist. Daher ist es eher so, dass die Risikowahrnehmung bei der Nutzung von Abwässern wesentlich höher ist. Mikroorganismen sind aber nicht grundsätzlich ein kritischer Faktor und sie spielen so oder so eine Rolle, unabhängig von der Art der Pflanzenkultivierung – und wir wollen im Rahmen unserer Forschung herausfinden, ob diese auch positive Effekte haben können und wie sie sich gegebenenfalls im positiven Sinne nutzenbar machen lassen.

Euer neuestes Projekt heißt »NexusHub«. Darin geht es darum, energieautarke Hydroponiksysteme speziell für den kenianischen Markt zu entwickeln. Wie kam es dazu?

Marc: Das ergab sich aus einer Serie von WAITRO-Workshops (World Association of Industrial and Technological Research Organizations) zum Water Energy Food Nexus. Dort hatte ich einen Workshop zum Thema Wasser geleitet und andere Kolleginnen und Kollegen zu Thema Food sowie das Fraunhofer ICT zum Thema Energie – so kam es zunächst zu einer Zusammenarbeit zwischen IGB und ICT.

WAITRO ist der weltweite Dachverband von anwendungsorientierten Forschungseinrichtungen. Deswegen nahmen an diesen Workshops auch viele Forschungspartner aus Afrika teil. Das ICT hatte bereits ein Projekt mit einer kenianischen Universität umgesetzt, die dann auch Vertreter zu den Workshops entsandt hatte. So kam der Kontakt zustande und eines führte dann zum anderen. Eine entscheidende Unterstützung haben wir daraufhin von der Fraunhofer-Zukunftsstiftung erhalten. Wir wurden eingeladen, unser Vorhaben dort vorzustellen, und letztendlich wurde uns eine Förderung bewilligt – so konnten wir dann loslegen.

Wie wird die Technologie dort angewandt? Warum gibt es speziell dort so einen großen Bedarf an hydroponischen Lösungen?

Lukas: Der Bedarf ist nicht speziell nur in Kenia so groß, sondern in ganz Ostafrika. In dieser Region ist generell nicht viel Wasser vorhanden und beim Ausbau der Energieversorgung ist noch viel Potenzial. Unser Ziel ist es erst einmal, die beiden Faktoren Wasser und Energie separat in der Gleichung zu betrachten. Zunächst wollen wir eine stabile Energieversorgung sicherstellen, im zweiten Schritt wollen wir Abfällen einen Wert geben, indem wir sie effizient wiederverwenden.

Marc: Zur Region Ostafrika muss man erwähnen, dass sie in den etwa letzten fünf Jahren einer extremen Dürre ausgesetzt war. Hier machen sich die Folgen des Klimawandels bereits eindeutig bemerkbar. Gleichzeitig gibt es regional viele Produkte, die für einen Anbau in hydroponischen Systemen bestens geeignet sind und für die es einen großen Markt in Kenia gibt. Allen voran ist das eine Grünkohlart, die Hauptzutat für das weit verbreitete Gericht Sukuma wiki ist, sowie Koriander. Beide Pflanzen sind in der kenianischen Küche sehr begehrt. Darüber hinaus sind sie sehr wichtig für die ernährungsphysiologische Versorgung der Menschen und deren Gesundheit, schließlich enthalten sie viel Eisen und andere wichtige Nährstoffe.

Auch ohne die dürrebedingten Ernteausfälle lassen sich diese Pflanzen in Kenia nur saisonal kultivieren. Daher kommt es außerhalb der Saison zu extremen Preisschwankungen für diese Nahrungsmittel. Hier wollen wir mit hydroponischen Lösungen helfen und einen Beitrag dazu leisten, dass diese Nahrungsmittel ganzjährig produziert werden können. Insbesondere richten wir unseren Blick auf eher abgeschiedene ländliche Regionen, wo der Zugang zu mineralischen Nährstofflösungen, also Düngern, erschwert ist, und in denen auch das Energienetz nicht gut ausgebaut ist. Wir wollen einen Beitrag dazu leisten, dass die Menschen in diesen Gegenden über das ganze Jahr ein stabiles Einkommen generieren können.

Das System ist so ausgelegt, dass genug Strom produziert werden kann, um die für die Pflanzen benötigten Nährstofflösungen herzustellen und sogar Überschussenergie entsteht, die sich auch für andere Aktivitäten nutzen ließe. Wir beschäftigen uns daher auch mit der Frage, für welche weiteren Anwendungen wir sie verwenden können.

Lukas: Noch eine Anmerkung zum Potenzial für unsere Systeme in Ostafrika: Die Ernährungslage ist tatsächlich sehr besorgniserregend. Im vergangenen Jahr waren dort etwa 50 Millionen Menschen von Ernährungsunsicherheit betroffen und für das aktuelle Jahr soll die Zahl sogar noch steigen. Verschärft wird die Situation auch noch durch den Ukrainekrieg, denn in dem Land wird viel von dem Weizen produziert, der an afrikanische Länder geht. Deswegen ist es unabdingbar, die lokale Nahrungsmittelproduktion sicherzustellen.

Abgesehen von der Trockenheit sind die klimatischen Bedingungen in Ostafrika eigentlich sogar sehr günstig: Das Klima ist relativ warm und sonnig. Das Sonnenlicht können wir in Energie umwandeln und damit gute Bedingungen schaffen, um ganzjährig Lebensmittel zu produzieren. Unser Ziel ist ein hydroponisches Anbausystem, das gut funktioniert und gleichzeitig kostengünstig ist.

Marc: Dabei berücksichtigen wir übrigens auch, dass nicht nur die Ernährungspreise gestiegen sind, sondern auch die Düngemittelpreise. Ein weiterer Vorteil der Hydroponie ist ja, dass die Düngernutzung sehr effizient ist.

Welche Besonderheiten und Herausforderungen begegnen euch bei diesem internationalen Projekt?

Lukas: Da gibt es vor allem kulturelle Unterschiede. Wir sehen aus unserer Perspektive bestimmte Dinge ein bisschen anders, als es dann tatsächlich in der Realität vor Ort – in diesem Fall in Kenia – aussieht. Ein Problem ist auch, dass wir es gewohnt sind, bestimmte Produkte jederzeit zur Verfügung zu haben, die wir für unseren Anlagenbau benötigen. In der Projektarbeit vor Ort sind wir da oft eingeschränkt. In der Praxis heißt das dann, dass wir Anlagen, die wir theoretisch eins zu eins auch vor Ort bauen könnten, nicht umsetzen können, weil bestimmte Komponenten nicht verfügbar sind. Oftmals sind wir dann auf Alternativlösungen angewiesen, wir müssen also etwas improvisieren.

Marc: Wir sind zudem nicht permanent vor Ort. Wir haben daher nicht immer den kompletten Überblick, was gerade vor Ort in der Projektumsetzung benötigt wird. Deswegen ist es für uns sehr hilfreich, dass wir zunächst einmal mit lokalen Partnern zusammenarbeiten.

Die Fachleute der Universität helfen uns hier mit den wichtigsten Fragen, die sich vor Ort stellen: Was sind eigentlich die konkreten Bedarfe? Welche Materialien sind verfügbar? Und ist das akzeptable Kostenniveau? Gerade letztes können wir oft schlecht einschätzen. Dabei können wir unheimlich viel von unseren Projektpartnern lernen.

Marc, du hast bereits ein Hydroponik-Projekt in Afrika umgesetzt, »GreenUp Sahara«. Haben dir deine Erfahrungen daraus in dem neuen Projekt geholfen?

Marc: Thematisch ähneln sich beide Projekte. Der Kontext ist auf jeden Fall ein ganz anderer. GreenUpSahara fokussierte sich auf Flüchtlingslager in der Sahara-Region. Die Verfügbarkeit von Wasser und der benötigten Materialien ist dort wesentlich begrenzter als das, was uns im Rahmen von NexusHub zur Verfügung steht. Und auch aufgrund der Corona-Pandemie waren wir hier auch mit ganz anderen Herausforderungen konfrontiert.

Bei GreenUp Sahara haben wir uns sehr intensiv die Zusammensetzung von Nährstofflösungen erforscht. Wir mussten dabei identifizieren, welche Pflanzen für den Anbau überhaupt in Frage kommen, und schauen, welche Ressourcen für die Nährstoffversorgung uns zur Verfügung stehen. Diese Vorarbeit hat uns jetzt natürlich als Grundlage im NexusHub-Projekt extrem geholfen.

Die grundsätzliche Herausforderung ist aber in beiden Regionen eine ähnliche: Wie können wir Abfälle so wiederverwenden, dass wir einen Mehrwert erzielen? Insofern sind unsere Arbeiten in NexusHub auch rückwirkend relevant für GreenUp Sahara. Wir lernen ständig dazu.

Die im Projekt entwickelten Hydroponiksysteme kommen in Kenia zur Anwendung. Dafür arbeitet ihr mit lokalen Fachleuten zusammen, insbesondere von der Jomo-Kenyatta Universität für Landwirtschaft und Technologie (JKUAT) in Nairobi. Welche Expertise steuern eure Partner bei und wie sieht die Zusammenarbeit im Projektalltag aus?

Lukas: Die Expertise, die unsere Partner einbringen, ist vor allem das Wissen um den kenianischen Markt und die spezifischen lokalen Bedürfnisse. Sie helfen uns, zu verstehen, wie die Anwendung von Technologien vor Ort aussehen muss. Dabei lernen wir auch andere Denkweisen kennen, die für uns sehr nützlich sind.

Marc: Unsere kenianischen Partner sind vor allem Ingenieure mit Spezialisierung im Bereich der erneuerbaren Energien sowie der Programmierung von Steuersystemen. Das sind Expertisen, die Lukas und ich nicht haben. Da treffen oft unterschiedliche Sicht- und Herangehensweisen aufeinander. Das zeigt sich z. B. darin, dass sie bei der Skalierbarkeit von Prozessen eher linear denken und wir mit biologischem Hintergrund da anderes gewohnt sind. Letztendlich ist aber doch das genau das Schöne an der interdisziplinären Forschung – dass man sich da gegenseitig mit neuen Perspektiven bereichert.

Da hat die Zusammenarbeit schon viel bewegt. Das Ingenieurswissen unserer Partner ist für uns besonders mit Blick auf die Steuerungselemente für die hydroponischen Systeme sehr hilfreich. Zum Beispiel, wenn es darum geht, Prinzipien des Maschinellen Lernens auf die Parameter unserer Systeme anzuwenden, um pH-Wert, Temperatur, Leitfähigkeit et cetera der Nährstofflösung zu überwachen. Ich glaube, wir haben wir hier sehr viel gelernt und wir können zukünftig weiter von den Erkenntnissen aus dieser Arbeit profitieren.

Im Februar 2023 hattet ihr auch Besuch von zwei Forschenden der Universität, die euch eine Zeit lang als Gastwissenschaftler in Stuttgart unterstützt haben. Was habt ihr und was haben eure Gäste aus der Zusammenarbeit mitgenommen?

Lukas: Letztendlich war das Ziel des Austauschs, dass hier bei uns am IGB in Stuttgart ein Sequencing Batch Reactor aufgebaut wird, der sehr robust ist und mit dem eine Nährstofflösung aus organischen Abfällen produziert werden kann. Unsere zwei Gastwissenschaftler haben nun das Know-how aus dieser Arbeit, insbesondere zur Funktionsweise, Konzeption und auch Automatisierung, sowie bestimmte Bauteile mit zurück nach Kenia genommen, damit sie vor Ort ein baugleiches System aufbauen können.

Marc: Unsere Partner haben nun ein besseres Verständnis für die von Lukas genannten Aspekte wie biologische Abwasserbehandlung und Funktionsweise des SBR mitgenommen, denke ich. Für uns selbst stand vor allem im Vordergrund, neue Denkweisen und Perspektiven kennenzulernen sowie der Austausch auf einer persönlichen Ebene, also auch über das Fachliche, rein Naturwissenschaftliche hinaus. Ich fand es besonders interessant, zu sehen, wo die Unterscheide, aber auch die Gemeinsamkeiten unserer Sicht- und Herangehensweisen liegen. Darüber hinaus ergeben sich aus der Zusammenarbeit auch aussichtsreiche Perspektiven auf weitere Projekte in der Zukunft.

Auf welchen Zeitraum ist das NexusHub-Projekt ausgelegt? Und wie geht es mit eurem Forschungsschwerpunkt Hydroponik am IGB weiter?

Lukas: Also wir sind derzeit intensiv dabei, uns weitere Finanzierungen zu sichern, die wir benötigen, um unsere Arbeit voranzubringen. Wir haben ja nun bereits ein System aufgebaut, das funktioniert und mit dem sich Pflanzen mit einer organischen bzw. organisch basierten Nährlösung produzieren lassen. Aber es gibt noch großes Optimierungspotenzial. Insbesondere wollen wir herausfinden, welche Substrate dafür am besten funktionieren und welche Faktoren oder Elemente gegebenenfalls noch von außen ins System hinzugegeben werden müssen. Gerade hier gibt es noch viele offene Fragen.

Dass wir schon ein funktionierendes System haben, lässt mich hoffen, dass wir da zukünftig auch noch ein weitere Förderungen bekommen, auch mit Blick auf das Thema einer kostengünstigen Desinfektion, um sicherzustellen, dass keine schädlichen Mikroorganismen in die Pflanzen gelangen, was für mich persönlich auch noch einmal eine sehr wichtige und spannende Fragestellung ist. Wir hoffen, dass wir hier eine Doktorarbeit ausschreiben können, die sich mit den noch offenen Aspekten auseinandersetzt. Auch kann es sehr spannend sein, sich die Interaktion verschiedener Mikroorganismen anzusehen, die durch die aerobe Vergärung des Abwassers im Sequencing-Batch-Reaktor in das hydroponische System eingetragen werden. Ist es zum Beispiel möglich »positive« Mikroorganismen zu nutzen um »negative«, schädliche Mikroorganismen zu bekämpfen − also biologische Lösungen zu finden um gutes Pflanzenwachstum sicherzustellen?

Marc: Das Projekt startete bereits Anfang 2022 und läuft offiziell bis Ende Juni 2023. Aber wir stellen bereits weitere Forschungs- und Implementierungsanträge, damit es hoffentlich dann auch zeitnah weitergeht. Durch unsere Aktivitäten im Rahmen von GreenUp Sahara und NexusHub sind wir inzwischen auch sehr gut mit Partnern wie Oxfam, dem World Food Programme oder der Universität Lüttich oder auch mit der Universität Stellenbosch in Südafrika im Rahmen der »Fraunhofer Innovation Platform for the Water-Energy-Food Nexus at Stellenbosch University (FIP-WEF@SU)« vernetzt. Mit diesen Partnern versuchen wir unsere Arbeit nun weiterzutreiben.

An der Internationalität dieses Netzwerks erkennt man auch sehr schön die globale Relevanz unseres Forschungsthemas. Doch auch für Deutschland: Wir arbeiten ja auch in anderen Projekten weiter daran, z. B. im Vorhaben HypoWave, in dem unsere Rolle eine andere ist. Hier liegt der Schwerpunkt eher auf Aspekten wie Digitalisierung und Risikomanagement.

Man merkt aber, dass unsere Arbeit ein »hot topic« ist, aus dem sich viele tolle spannende Forschungsfragen und Implementierungsfragen ableiten lassen. Das wäre etwa das Bio-Augmentationsthema, das Lukas eben angesprochen hat, oder auch die Optimierung der Nährstofflösungen, die wir herstellen und verwenden. Derzeit sind diese im Großmaßstab nämlich nicht konkurrenzfähig mit mineralischen Nährstofflösungen, die nach wie vor den Markt dominieren.

Man muss bedenken, dass die Forschung zur Nutzung organischer Reststoffe in hydroponischen Systemen noch recht am Anfang steht. Aber ein weiterer spannender Anknüpfungspunkt zeigen erste Ergebnisse, die darauf hindeuten, dass Pflanzen, die mit Lösungen auf organischer Basis kultiviert wurden ernährungsphysiologisch relevante Inhaltsstoffe, wie Carotinoide, ausbilden. Dies scheint stärker ausgeprägt zu sein als in Pflanzen, die mithilfe von mineralischen Lösungen gezüchtet wurden.

Noch ein letzter Punkt dazu, wie es weitergehen soll: In der Vergangenheit haben wir außerdem eher in einem relativ kleinen Maßstab gearbeitet. Jetzt würden wir unser System gern skalieren und größer aufziehen.

Ihr beide seid als Blogger auf www.biointelligenz.de aktiv und ihr wollt eure Arbeit auch auf dieser Plattform begleiten. Was können wir erwarten?

Lukas: Ein schönes Blog-Thema, das wir aus unserer Arbeit ableiten können, ist z. B. der Vergleich von organischen und mineralischen Nährstofflösungen. Bei Letzteren lässt sich nämlich ganz gezielt eine gewünschte Zusammensetzung der Inhaltsstoffe erzeugen. Bei organischen Lösungen dagegen hängt das von dem Anfangsprodukt, dem Substrat, ab. Die Frage, die uns umtreibt ist, wie sich dieser Ertrag maximieren und das Ergebnis optimieren lässt. Auch das Thema Digitalisierung und der grundsätzliche Aufbau eines hydroponischen Systems ist interessant für den Blog oder die Frage nach der Energieeffizienz − also was notwendig ist, um das Ganze möglichst energiesparend zu machen.

Marc: Mit Blick auf die Themen Bioökonomie und Biointelligenz ist der Ansatz interessant, dass sich über die Zusammensetzung der Nährstofflösung gezielt Pflanzen mit gewissen Eigenschaften bzw. Inhaltsstoffen produzieren lassen, die industriell oder ernährungsphysiologisch relevant sein können. Ich glaube, das ist ein spannender Aspekt, den wir weiterverfolgen sollten und der interessante neue Fragestellungen bietet.

Vielen Dank für die Einblicke in eure Arbeit! Wir sind gespannt, was wir ins Zukunft von euch im Blog noch lesen werden.

Seiten-Adresse: https://www.biooekonomie-bw.de/fachbeitrag/pm/hydroponik-die-loesung-fuer-eine-nachhaltige-landwirtschaft-zeiten-des-klimawandels