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EDGGY: Essbare Verpackungsfolie aus Eierschalenabfällen
Viele Fertiggerichte wie beispielsweise Ramen-Suppen besitzen nicht nur eine äußere schützende Verpackung, sondern einzelne Bestandteile sind zusätzlich in kleinen Plastiktütchen abgefüllt. Zur Vermeidung dieses umweltschädlichen Mülls entwickelten fünf Studentinnen der Universität Hohenheim eine nachhaltige Folie auf Basis von Eierschalen und Pflanzenproteinen, die sich in heißem Wasser auflöst und mitverzehrt werden kann.
Adäquate Verpackungen sind unerlässlich, um Produkte beim Transport zu schützen oder vor Verunreinigungen zu bewahren. Lebensmittel lassen sich in ihnen portionieren, und Licht, Sauerstoff und Feuchtigkeit können ferngehalten werden. Dies erhöht die Haltbarkeit beträchtlich und reduziert so die Menge der Lebensmittelabfälle. Trotz der grundsätzlich positiven Funktion von Verpackungen, sollte ihr Gebrauch aber so weit wie möglich eingeschränkt werden, da die meisten verwendeten Materialien einen schlechten ökologischen Fußabdruck haben.
Ein vom Europäischen Institut für Innovation und Technologie (EIT) ausgeschriebener Wettbewerb für Studierende hat deshalb die Entwicklung neuer nachhaltiger Verpackungen zum Ziel. Im Rahmen der EIT Food Reuse2Repack Challenge gelang es Alena Fries, Bahar Abrishamchi, Cora Schmetzer, Lina Obeidat und Paulina Welzenbach von der Universität Hohenheim, eine essbare Folie bestehend aus Eierschalen, Pflanzenproteinen und Wasser herzustellen, die im November in Rom den Preis für das innovativste Produkt gewann.
Im Vorfeld müssen unterschiedlichste Aspekte berücksichtig werden
Der Weg zu dem großartigen Erfolg war für die fünf Studentinnen vom Institut für Lebensmittelwissenschaft und Biotechnologie allerdings sehr arbeitsintensiv, da ihnen für den gesamten Prozess nur neun Monate zur Verfügung standen. „Zu Beginn haben wir erst einmal recht wahllos Recherche betrieben und ermittelt, was es an Verpackungsmitteln gibt, welche Fragestellungen in der Verpackungstechnik auftreten, und welche gesellschaftlichen Probleme im Zusammenhang mit Verpackungen entstehen können“, erläutert Fries die Vorgehensweise. Da sich die Frauen bereits im Vorfeld entschieden hatten, ein neues Material aus Lebensmittelnebenströmen bzw. -abfällen zu entwickeln, schlug Obeidat schon früh die Verwertung von Eierschalen vor. Nachdem sie ihre Mitstreiterinnen von der Idee überzeugen konnte, musste sich das Team zunächst auf die Verpackungsart einigen, denn jedes Medium bedient ein anderes Produktspektrum. Hierbei mussten auch die Möglichkeiten an der Universität bedacht werden, denn da in Hohenheim keine Verpackungsinstitute existieren, sind die zur Verfügung stehenden Ressourcen etwas eingeschränkt. Letztendlich entschieden sich die Studentinnen dafür, eine Folie zu entwickeln.
„Wir wollten aber nicht nur einfach ein gängiges, auf Plastik basierendes Verpackungsmittel ersetzen, sondern noch mehr aus unserem Produkt machen“, schildert Abrishamchi die Gedankengänge. „Es sollte eine echte Lösung für ein Problem sein und nicht nur ein schönes, innovatives Accessoire zu einer bereits existierenden Produktpalette.“ Dieser Anspruch ist ganz im Sinn des EIT-Wettbewerbs, dessen Ziel es ist, den Studierenden langfristig die Gründung eines Start-ups zu ermöglichen. Dementsprechend muss im Vorfeld abgewogen werden, wie technisch anspruchsvoll die Herstellung des Produktes ist und vor allem, wo es sinnvoll und mit Mehrwert eingesetzt werden kann.
Essbare Folie mit einfacher Zusammensetzung
Unter Berücksichtigung all dieser Faktoren startete das Team dann in die experimentelle Phase, wobei die Zeit für die Entwicklung des erforderlichen Prototyps mit weniger als drei Monaten sehr knapp bemessen war. Unterstützung fanden sie am Fachgebiet für Lebensmittelmaterialwissenschaften unter Leitung von Prof. Dr. Jochen Weiss und am Fachgebiet für Pflanzliche Lebensmittel unter Leitung von Prof. Dr. Mario Jekle. Beide Professoren sowie Dr. Ahmed Fahmy und der Doktorand Malte Leible ermöglichten den Studentinnen den Zugang zu Ressourcen sowie Laboren und Geräten, teilten ihr technisches Wissen mit ihnen, begleiteten den Prozess durch kritische Nachfragen und halfen, ein Netzwerk aufzubauen.
Ausgehend von fein zerkleinerten Eierschalen stellten die fünf Kommilitoninnen durch Zugabe verschiedenster Komponenten flüssige Mixturen her, die sie in eine Form gossen, sodass sich ein dünner Film bildete. Nach dem Trocknen im Ofen wurden die so entstandenen Folien analysiert und der Herstellungsprozess optimiert. Am Ende war es dann ganz einfach: Die neuartige Verpackung besteht nur aus Eierschalen, pflanzlichen Proteinen, einem Bindemittel und Wasser. Sie ist durchsichtig und flexibel, aber dennoch recht reißfest und lässt sich mit einem gängigen Folienschweißgerät zu Tüten verarbeiten. Doch damit noch nicht genug. Die weniger als 1 mm dicke Folie ist außerdem wasserlöslich und kann problemlos verzehrt werden, da sie nur aus verträglichen Lebensmittelbestandteilen besteht.
Schnell war ein Anwendungsgebiet aus dem Alltag gefunden: Die beliebten Instant-Ramen-Suppen. Das Fertiggericht enthält neben den getrockneten Nudeln auch immer kleine Tütchen, die mit Gewürzen und weiteren Zutaten gefüllt sind und normalerweise aus umweltschädlichem Plastik bestehen. „Unsere Verpackung löst sich nach Zugabe von heißem Wasser auf und liefert zusätzlich noch Proteine“, schildert Welzenbach begeistert. „Eine nachhaltige Alternative mit Mehrwert.“ Obwohl die Pflanzenproteine keine Abfallprodukte sind, ist die Herstellung der innovativen Verpackung insgesamt recht ressourcenarm. Auch diesen Aspekt berücksichtigten die Studentinnen bei der Entwicklung bewusst und hinterfragten jeden Schritt kritisch. Der Teamname EDGGY verdeutlicht dies: er ist eine Kombination aus Cutting-EDGE-Forschung und dem Ausgangsstoff EGGs.
„Momentan ist unsere Folie allerdings nur für Trockenprodukte geeignet und auch nicht als Außenverpackung einsetzbar“, erläutert Schmetzer. „Prinzipiell wäre dies möglich, aber da haben wir noch ganz viel Forschung vor uns. Vor allem äußere Verpackungen, die viel berührt werden, müssen nochmal höhere Standards bezüglich Stabilität und Undurchlässigkeit erfüllen.“
Nicht nur Fachkompetenz war entscheidend
Da die Teams von den Organisatoren des Wettbewerbs zusammengestellt wurden, kannten sich die fünf Studentinnen im Vorfeld nicht, sodass während der Challenge nicht nur fachliches Wissen, sondern auch ein hohes Maß an sozialer Kompetenz gefordert war. „Wir hatten sehr viel Glück und kommen alle gut miteinander klar. Jede von uns ist sehr teamfähig mit eigenen Stärken. Wir können gut miteinander kommunizieren und haben in gemeinsamen Diskussionen immer produktive Lösungen gefunden, die dann von allen unterstützt wurden.“ Hilfreich war außerdem, dass Welzenbach in ihrem Bachelorstudium an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf einige Grundlagen in Betriebswirtschaftslehre erhalten hatte. Und Abrishamchi, die aus dem Iran fürs Masterstudium nach Hohenheim gekommen ist, brachte häufig eine andere Perspektive mit.
Der Weg von der Idee zum funktionsfähigen Produkt war für die Gruppe eine große Bereicherung. „Wir haben schnell gemerkt, dass nicht alles, was theoretisch möglich ist, wirklich in die Praxis umgesetzt werden kann“, beschreibt Obeidat den Prozess. „Auch die Produktion eines auf den ersten Blick simplen Produktes erfordert viel Einsatz“, ergänzt Abrishamchi.
Zurzeit sind alle fünf Studentinnen mit ihrer Masterarbeit beschäftigt, können sich aber längerfristig vorstellen, ihr Produkt weiterzuentwickeln und eventuell sogar ein Start-up zu gründen. „Die positiven Rückmeldungen aus der Fachwelt haben uns unglaublich gefreut und motivieren uns sehr. Wir haben auch bereits Anfragen von Herstellern erhalten“, erklärt Schmetzer.
Aktuell nimmt das EDGGY-Team an der Bio-based Innovation Student Challenge – Europe (BISC-E) teil und hat mit seiner Folie beim deutschen Vorentscheid den 2. Platz belegt. Die Erfolgsgeschichte geht also weiter und führt hoffentlich bald in die Lebensmittelregale.